14 Titelthema Abb. 4 Abb. 5 Gingivitis in der 17. SSW (Abb. 4). Postnatal. Zustand 4 bis 6 Wochen nach Geburt (Abb. 5). veröffentlichte Studie, dass eine Frühgeburt multifaktoriell begründet sei und dass eine Parodontitis bzw. das Vorhandensein parodontalpathogener Keime nicht singulär für eine Frühgeburt auslösend sind (Martínez-Martínez et al, 2016). Sicher ist, dass entzündliche Vorgänge als begünstigend für Frühgeburten eingestuft werden, weshalb in der Zukunft noch weitere Untersuchungen mit einheitlichem Studiendesign wünschenswert wären. Auch eine Präeklampsie („Schwangerschaftsvergiftung“) wird im Zusammenhang mit einer Parodontitis beschrieben. In einer Studie wurden im Keimspektrum des entzündeten Uterus Mikroorganismen nachgewiesen, welche primär in der Mundhöhle angesiedelt und für eine Parodontitis charakteristisch sind (Han, 2011). Ein Bespiel hierfür ist der Brückenkeim Fusobacterium nucleatum (Han et al, 2004). Darüber hinaus kann sich eine Parodontitis auf das Geburtsgewicht des ungeborenen Kindes auswirken. In mehreren Studien ist von Lipopolysacchariden die Rede, die von Mikroorganismen, die für eine Parodontitis charakteristisch sind, produziert werden und sich nachteilig auf das Gewicht des Kindes bei der Geburt auswirken (Madianos et al, 2013). Ein Beispiel hierfür ist das gramnegative anaerobe Bakterium Porphyromonas gingivalis. Ein weiterer Keim, Campylobacter rectus, wurde im Rahmen von tierexperimentellen Versuchen mit einer abnormalen Lage und Architektur der Plazenta sowie aufgrund der erhöhten Exposition des fetalen Gehirns mit Interferon-γ mit strukturellen Veränderungen des Hippocampus des neonatalen Gehirns sowie einer erhöhten Morbidität in Verbindung gebracht (Offenbacher et al, 2005). Mundhygiene. Aufgrund der körperlichen Veränderungen im Rahmen einer Schwangerschaft, die die Mundhygiene der werdenden Mutter zusätzlich erschweren, sollte auf diese besonderes Augenmerk gelegt werden, um entzündlichen Prozessen in der Mundhöhle vorzubeugen, die die Schwangerschaft negativ beeinflussen könnten. Nahezu hundert Prozent der schwangeren Frauen sind von einer Entzündung des Zahnfleisches betroffen (Zeeman et al, 2001). Dabei ist jedoch zu betonen, dass bei Vorliegen einer parodontalen Entzündung diese durch die hormonellen Veränderungen lediglich verstärkt wird, die Schwangerschaft an sich jedoch nicht der auslösende Faktor für die parodontale Destruktion darstellt (Moss et al, 2005). Die hohe Anzahl von Frauen, die während der Schwangerschaft an einer Entzündung des Zahnfleisches leiden, legt nahe, dass noch große Wissenslücken über den Stellenwert und die Wichtigkeit adäquater Mundhygienemaßnahmen im Rahmen einer Schwangerschaft bestehen, sowohl bei den schwangeren Frauen selbst, aber auch beispielsweise bei den betreuenden Hebammen (Rahman et al, 2016). Eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen dem behandelnden Gynäkologen, der betreuenden Hebamme und dem Zahnarzt ist dringend erforderlich, um die werdende Mutter in dieser besonderen Zeit bestmöglich von verschiedenen Stellen informieren zu können. Im Mutterpass wird die Zahngesundheit der werdenden Mutter und des ungeborenen Kindes bislang noch nicht berücksichtigt. Deswegen hat die Zahnärzteschaft Baden-Württemberg im Jahr 2008 einen /ahnärztlichen Kinderpass entwickelt, der in das Kinderuntersuchungsheft eingelegt werden kann und der von Hebammen, Gynäkologen, Kinderärzten, Zahnärzten an die Zielgruppe weitergegeben wird (Abbildung 1). In ihm sind die wichtigsten zahnärztlichen Termine sowie nützliche Informationen zum Thema Kinderzahnpflege, Zahndurchbruch und zahngesunde Ernährung zu finden. Seit dem 01.09.2016 sind nun im gelben ärztlichen Kinderuntersuchungsheft vom 6. bis zum 64. Lebensmonat insgesamt sechs Überweisungen vom Kinderarzt bzw. Hausarzt zum Zahnarzt verankert und die zahnärztlichen Untersuchungen durch Ankreuzfelder zu dokumentieren. (http://www.lzk-bw.de/zahnaerzte/ praxisfuehrung/zahnaerztlicherkinderpass/). Am besten sollte bei Planung einer Schwangerschaft zuvor eine zahnärztliche Untersuchung stattfinden, um alle bestehenden Entzündungsherde zu behandeln. Hier sollte neben einer konservierenden Behandlung auch die Prophylaxe im Fokus stehen. Im Rahmen eines zahnärztlichen Präventionsprogramms sollte die werdende Mutter hinsichtlich geeigneter Mundhygienemaßnahmen aufgeklärt und stetig neu motiviert werden. Auch die Ätiologie und Pathogenese einer ZBW 10/2017 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 15 Parodontitis und ihre Auswirkung auf die Allgemeingesundheit und auf das Ungeborene sollte thematisiert werden. Des Weiteren sollte zur Ergänzung der häuslichen Mundhygiene regelmäßig eine Professionelle Zahnreinigung durchgeführt werden. Relevanz für die Praxis. Bei bestehendem Kinderwunsch sollte bereits vor der Schwangerschaft die Frau umfassend über Mundhygiene aufgeklärt werden. Darüber hinaus ist eine Kontrolle des Parodonts mit Hilfe des PSI notwendig, um eventuell vorhandene parodontale Läsionen bereits vor der Schwangerschaft behandeln zu können. Auch restaurative und endodontische Behandlungen sollten bereits vorab behandelt werden, um die orale Bakterienlast zu senken und eventuellen Behandlungen im Laufe der Schwangerschaft vorzubeugen. Bei Vorliegen einer Schwangerschaft sollte die werdende Mutter durch den betreuenden Gynäkologen auf die nötigen Untersuchungen beim Zahnarzt aufmerksam gemacht werden. Im Zeitraum des ersten Trimenons wird durch den Zahnarzt eine ausführliche Aufklärung, Beratung und Diagnostik vorgenommen, ebenso eine Professionelle Zahnreinigung. Liegt die Indikation einer parodontalen Behandlung vor, sollte diese wenn möglich im zweiten Trimenon (13.-25. SSW) erfolgen (Abbildung 3). Bei einer bereits vorangeschrittenen Schwangerschaft ist die Behandlung aufgrund einer erschwerten Lagerung der Patientin bedingt durch das Vena-cava-Kompressionssyndrom problematisch und sollte vermieden werden. Eine chirurgische Behandlung sollte eher auf den Zeitraum nach der Schwangerschaft verschoben werden. Abbildung 2 zeigt den von der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie empfohlenen Therapieplan zur Behandlung von schwangeren Patientinnen (Raffauf et al, 2014). Medikamente. Der Einsatz von Medikamenten sollte auch im Zeitraum der Schwangerschaft und Stillzeit gründlich hinsichtlich Nutzen und Risiko abgewogen werden. Ist ein Einsatz von Medikamenten jedoch nicht zu vermeiden, sollte folgendes beachtet werden: Unter den Lokalanästhetika sind Präparate mit hoher Plasmaeiweißbindung und geringem Adrenalingehalt zu bevorzugen. Hier sind beispielsweise Articain und Bupivacain Mittel der ersten Wahl. Lidocain, Prilocain, Mepivacain sind im Gegensatz dazu kontraindiziert. Unter den Schmerzmitteln kann Paracetamol empfohlen werden. Als Alternative gibt es eine eingeschränkte Empfehlung für nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAR) wie Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen. Allerdings sind auch diese von der 30. Schwangerschaftswoche an kontraindiziert. Unter den Antibiotika kann bei entsprechender Indikation auf ß-Lactam-Antibiotika (ggf. mit Clavulansäure) als Mittel der ersten Wahl zurückgegriffen Abb. 3 werden. Alternativ können Makrolide als Mittel zweiter Wahl (z. B. Erythromycin) zum Einsatz kommen. Die Gruppe der Tetrazykline ist hier absolut kontraindiziert. Nützliche Ratschläge zum Einsatz verschiedenster Medikamente können unter folgender Adresse nachgelesen werden: https://www.embryotox.de. Prof. Dr. Petra Ratka-Krüger, Leiterin der Sektion Parodontologie Dr. Stefanie Peikert, Dr. Anne Kruse, Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg Dr. Mirjam Kunze, Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Perinatologie, Universitätsklinikum Freiburg Behandlung. Nicht-chirurgische Parodontitisbehandlung bei einer Schwangeren. Diese sollte bei entsprechender Indikation im 2. Trimenon (13.-25. SSW) erfolgen. Bei vorangeschrittenem letzten Trimenon ist die Lagerung der Patientin aufgrund einer möglichen Kompression der V. cava äußerst problematisch. www.zahnaerzteblatt.de ZBW 10/2017
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