12 Titelthema krankungen oder auch ein Diabetes mellitus können durch eine unbehandelte Parodontitis negativ beeinflusst werden (Dietrich et al, 2013; Llambés et al, 2015; Venkataraman & Almas, 2015). Unerfüllter Kinderwunsch. Die Fragestellung nach einer Verknüpfung zwischen entzündlichen Parodontalerkrankungen und eingeschränkter Fertilität sind in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen gerückt. Diese können sowohl psychischer, als auch physischer Ätiologie sein. Der Begriff Infertilität wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Zeitspanne von mindestens einem Jahr definiert, in welchem bei bestehendem Kinderwunsch trotz sexueller Aktivität des Paares und Verzicht auf jegliche empfängnisverhütende Maßnahmen, keine Schwangerschaft eintritt (World Health Organization, 2010). Bei zahlreichen Paaren tritt schließlich im Laufe des Folgejahres eine Schwangerschaft ein, sodass lediglich fünf Prozent aller Paare ungewollt kinderlos bleiben (Gnoth et al, 2005). Einige Studien belegen bereits den Zusammenhang zwischen einer Parodontitis und einer eingeschränkten Fertilität bei Frauen. In einer kontrollierten randomisierten Multicenter-Studie von Hart et al. wurde festgestellt, dass sich eine Parodontitis zeitverzögernd auf die Empfängnis der Probandinnen auswirkt (Hart et al, 2012). In einer weiteren Studie aus dem Jahr 2014 wurde dieser Zusammenhang nochmals untermauert (Nwhator et al, 2014). Allerdings liegt noch wenig Evidenz zu diesem Zusammenhang vor und es sind weitere Studien notwendig, um den genauen Mechanismus des Einflusses von parodontalen Entzündungen auf die Empfängnisbereitschaft von Frauen zu untersuchen. Jedoch zeichnet sich bereits eine mögliche Assoziation ab, weshalb bei Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch der Zusammenhang thematisiert werden sollte, um einen möglichen Faktor bei der Ursachenbekämpfung ausschließen zu können. Probleme auch beim Mann. Bei Männern gibt es im Gegensatz zu den Frauen bereits fundiertere Untersuchungen bezüglich herabgesetzter Fertilität. So wird beispielsweise durch eine chronisch entzündliche Erkrankung des Zahnhalteapparats die Spermienqualität vermindert (Klinger et al, 2011). Patienten, die an einer Parodontitis leiden, hatten Studien zufolge eine erhöhte Bakterienkonzentration im Ejakulat im Gegensatz zu Patienten mit gesunden parodontalen Verhältnissen (Bieniek & Riedel, 1993). Des Weiteren wurde bei Männern eine signifikant hohe Assoziation zwischen einer bestehenden Entzündung des Zahnbetts und einer erektilen Dysfunktion nachgewiesen (Oğuz et al, 2013). Grund hierfür könnten allerdings auch ähnliche ätiologische Risikofaktoren sein, wie beispielsweise vermehrtes Stressaufkommen, eine ungesunde Ernährung, wenig Schlaf und Nikotinabusus. Allerdings ist auch hier ähnlich wie bei den Frauen die Parodontitis als mögliche Ursache der Beschwerden in Betracht zu ziehen und zu behandeln. 1. Trimenon (9.-12. SSW) Diagnostik/PSI Mundhygieneinstruktion Professionelle Zahnreinigung Gingivitis Parodontitis 2. Trimenon (13.-25. SSW) stark einschränkendes pyogenes Granulom Systematische nicht-chirurgische Parodontitistherapie SCHMERZ- THERAPIE Therapie akuter Zustände Mundhygieneinstruktion Professionelle Zahnreinigung Chirurgische Therapie 3. Trimenon (26.-36. SSW) ggf. Kontrolle/Erhaltungstherapie nach der Schwangerschaft Falls notwendig: chirurgische Parodontitistherapie Kontrolle, Erhaltungstherapie weitere zahnärztliche Behandlung Therapie parodontaler Erkrankungen bei schwangeren Patientinnen (Abb. 2) (Quelle: Raffauf AB., Kunze M., Ratka-Krüger P. Parodontale Behandlung während der Schwangerschaft: Besteht Behandlungsbedarf?). ZBW 10/2017 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 13 Kinderpass. Sowohl Im Mutterpass als auch im ärztlichen Kinderuntersuchungsheft werden die Zahngesundheit der werdenden Mutter oder des Kleinkindes bislang noch nicht berücksichtigt. Deswegen hat die Zahnärzteschaft Baden- Württemberg 2008 einen Zahnärztlichen Kinderpass entwickelt (Abb. 1). Über den genauen Mechanismus wird noch diskutiert. Es bestehen mehrere Theorien, die eine endotheliale Dysfunktion bedingt durch eine Parodontitis erläutern. Zum einen kommt es durch eine parodontale Entzündung zu einem Anstieg einer reaktiven Sauerstoffspezies im Gewebe (ROS), die wiederum zu einer Abnahme der Bioverfügbarkeit von Stickstoffmonoxid führt. Somit kommt es letztlich zu einer Dysbalance des antioxidativen Systems und daraus folgend zu einer endothelialen Dysfunktion (Higashi et al, 2008). Ein weiterer Grund ist wie schon erwähnt der erhöhte Anteil von Bakterien und deren Produkten im Organismus, welche ebenfalls eine endotheliale Dysfunktion provozieren können. Auch eine erhöhte Last von Entzündungsmediatoren kann einer endotheliale Dysfunktion zu Grunde liegen (Rodrigues et al, 2015; Vlachopoulos et al, 2007). Weitere Untersuchungen zu dieser Thematik sind notwendig und wünschenswert. Parodontale Veränderungen. Bei Eintritt einer Schwangerschaft kommt es zu vielen physiologischen Veränderungen im Körper. Sie spielen sich sowohl auf hormoneller, als auch immunologischer Ebene ab und lassen sich auch in der Mundhöhle beobachten. Aufgrund der hormonellen Schwankungen innerhalb einer Schwangerschaft kann es durch eine erhöhte Gefäß- und Fibroblastenproliferation zur Ausbildung von sog. Pseudotaschen kommen (Lindhe & Brånemark, 1967; Mariotti, 1994; Mariotti & Mawhinney, 2013). Diese bilden eine mögliche Retentionsstelle für Plaque und Bakterien und sind somit eine Prädilektionsstelle für die Ausbildung von Karies und einer Entzündung des Parodonts. Bei etwa fünf Prozent aller Schwangeren kann sich darüber hinaus auch ein Schwangerschaftstumor, ein sog. „pyogenes Granulom“ ausbilden (Sills et al, 1996). Die Ätiologie dieser exophytisch wachsenden Gewebeproliferation ist noch nicht vollständig geklärt, jedoch ist von immunologischen, lokalen aber auch von genetischen Faktoren die Rede (Kamal et al, 2012). Gehäuft tritt das pyogene Granulom im Zeitraum des zweiten und dritten Schwangerschaftsmonats auf (Tumini et al, 1998; Wang et al, 1997). Des Weiteren findet man die Gewebeproliferation bevorzugt in der Maxilla im Bereich der anterioren vestibulären Gingiva mit Bezug zu Zähnen. Allerdings kann eine solche benigne Raumforderung prinzipiell überall auftreten (Sachdeva, 2015). Eine Indikation zur Entfernung gibt es allerdings nicht, da nach der Geburt mit einer vollständigen Remission des Granuloms zu rechnen ist (Jafarzadeh et al, 2006). Aufgrund der besonders starken Vaskularisierung kommt es allerdings bereits bei geringeren mechanischen Einflüssen zu Blutungen, weshalb bei wiederkehrender Traumatisierung eine chirurgische Entfernung des Gewebes in Erwägung gezogen werden kann. Darüber hinaus wurden bei Schwangeren Veränderungen in der Zusammensetzung des oralen Mikrobioms nachgewiesen. Es verschob sich in Richtung der parodontalpathogenen Keime (Armitage, 2013). Im Zeitraum der frühen bis mittleren Phase der Schwangerschaft wurden vor allem erhöhte Zahlen an Aggregatibacter actinomycetemcomitans und Porphyromonas gingivalis nachgewiesen (Fujiwara et al, 2015). Des Weiteren war ein Anstieg der Mikroorganismen Prevotella intermedia, Campylobacter rectus, Tannerella forsythia und der Bacteroides-Spezies bei Schwangeren charakteristisch (Jensen et al, 1981; Kornman & Loesche, 1980; Mitchell-Lewis et al, 2001; Persson et al, 2008; Yokoyama et al, 2005). Angesichts dieser Veränderungen wird nochmals die Wichtigkeit einer guten zahnmedizinischen Betreuung einer schwangeren Patientin sowie intensiver Mundhygienemaßnahmen deutlich. Frühgeburtenrisiko. Jedes Jahr kommen weltweit rund 15 Millionen Kinder zu früh auf die Welt (Zi et al, 2014). In den Industrienationen liegt die Prävalenz zwischen fünf und neun Prozent. In den Entwicklungsländern sind die Zahlen noch höher. Zu früh bedeutet laut Definition eine Geburt des Säuglings vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche. Die Studienlage darüber, ob ein Zusammenhang zwischen einer Parodontitis und einer Frühgeburt besteht, ist sehr inhomogen. In einer im Jahr 2016 veröffentlichten Studie wurden Patientinnen nach einer Frühgeburt parodontal untersucht. Im Vergleich zu Frauen, die ihr Baby zum normalen Entbindungstermin bekommen hatten, zeigten die Patientinnen nach Frühgeburt deutlich erhöhte Werte an den Entzündungsmediatoren IL-6 und Prostaglandin E2 (PGE2) im Sulkusfluid (Perunovic et al, 2016). Auf Basis der in dieser Untersuchung signifikanten Korrelation zwischen einem erhöhtem PGE2 und TNF-alpha-Level sowie erhöhten Sondierungstiefen und klinischem Attachmentverlust liegt ein möglicher Zusammenhang zwischen einer Parodontitis und einer Frühgeburtsneigung nahe. Darüber hinaus wurde in weiteren Studien eine schwere Form der Parodontitis mit einem 7-fach höheren Risiko eine Frühgeburt zu erleiden in Verbindung gebracht (Guimarães et al, 2010; Jeffcoat et al, 2001; Offenbacher et al, 2006). Im Gegensatz hierzu beschrieb eine im Jahr 2016 www.zahnaerzteblatt.de ZBW 10/2017
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