26_FORTBILDUNG ZBW_2-3/2024 www.zahnaerzteblatt.de Diagnose und Therapie pathologischer Wurzelresorptionen VERSTEHEN UND BEHANDELN Resorptiv bedingte Zahnhartsubstanzdefekte stellen oft Zufallsbefunde im Rahmen der zahnärztlichen Routineuntersuchung dar. Ihr klinisches und röntgenologisches Erscheinungsbild ist sehr heterogen, was die korrekte Diagnosestellung für Zahnärztinnen und Zahnärzte erschwert. Im Gegensatz zur physiologischen Resorption von Milchzahnwurzeln handelt es sich bei Resorptionsvorgängen an bleibenden Zähnen immer um pathologische Prozesse, die in der Regel eine therapeutische Intervention erfordern. Nachfolgend soll ein Überblick über mögliche Ursachen, Pathomechanismen, Arten und Therapiemöglichkeiten von Wurzelresorptionen gegeben werden, um im Einzelfall eine individuell optimale Versorgung planen zu können. Foto: Adobe Stock/sid ÄTIOLOGIE UND PATHOPHYSIOLOGIE Obwohl der menschliche Knochen ständigen Umbauprozessen unterliegt, sind die Zähne über den Parodontalapparat im Kieferknochen verankert, ohne in die knöchernen Auf- und Abbauprozesse eingebunden zu sein. Dies wird verschiedenen Gewebeelementen zugeschrieben, die das Eindringen von hartgewebeabbauenden Zellen, den Odontoklasten, in den Zahn verhindern. Als Schutzbarrieren an der Außenseite der Zahnwurzel gelten Präzement, Zementoblasten und das parodontale Ligament, während das Pulpenkavum durch eine die Kanalwand auskleidende Schicht aus Prädentin und Odontoblasten vor resorptiven Prozessen geschützt ist 1,2 . Die genauen Ursachen für pathologische Wurzelresorptionen sind oft unbekannt, aber man weiß, dass die Zerstörung der Schutzbarrieren des Zahnes und ein vorhandener Stimulus notwendig sind, damit Odontoklasten das Dentin angreifen und abbauen können. Ist der Defekt kleiner als ca. 20 Prozent der Wurzeloberfläche, kann eine selbstständige Regeneration durch parodontale Zellen erfolgen, sodass die Schutzbarriere wiederhergestellt wird (transiente Resorption) 3 . Odontoklasten sind mehrkernige Riesenzellen, die am Dentin haften und stabile Resorptionslakunen bilden. Im Bereich des basalen Faltensaums werden aus den Lysosomen Enzyme wie Kollagenasen und Proteasen freigesetzt, die die organische Matrix abbauen. Zudem führen die sezernierten Ionen (H + , Cl - ) zu einer Absenkung des pH-Wertes und damit zur Auflösung des mineralisierten Gewebes. Odontoklasten sind in Herkunft und Funktion eng mit den etwas größeren Osteoklasten verwandt, die zum mononukleär-phagozytären System gehören und an physiologischen Knochenumbauprozessen beteiligt sind. Sie entstehen aus Osteoklasten-Vorläuferzellen, die sich durch Bindung der Signalmoleküle RANKL (Receptor Activator of NF-KB Ligand) und M-CSF (Macrophage Colony-stimulating Factor) an zelleigene Rezeptoren über mehrere Schritte zu aktivierten Osteoklasten differenzieren (Abb. 1 4,5 ). Die Signalmoleküle RANKL und M-CSF sowie der biologische Gegenspieler von RANKL, OPG (Osteoprotegerin), werden von Osteoblasten, den knochenbildenden Zellen, gebildet. Darüber hinaus können auch Zementoblasten und Pulpazellen im Rahmen eines Schutzmechanismus OPG bilden, um die Differenzierung und Aktivierung von klastischen Zellen zu hemmen und Resorptionen zu verhindern 6–9 . Zerstörungen der Schutzbarriere an der Wurzeloberfläche treten oft im Rahmen von Zahntraumata auf. Bei schweren Dislokationsverletzungen wie z. B. Intrusionen kann es zu massiven mechanischen Zerstörungen oder bei unphysiologischer Lagerung nach Avulsionen zu Zellschädigungen an der Wurzeloberfläche durch Austrocknung kommen 10,11 . Häufig werden auch starke kieferorthopädische Belastungen als Ursache für Wurzelresorptionen beobachtet. Weitere mögliche Ursachen sind Verletzungen bei zahnärztlichen Eingriffen wie Zahnextraktionen, parodontalen Reinigungen oder intrakoronalen Zahnaufhellungen. Impaktierte Zähne, Zysten oder
ZBW_2-3/2024 www.zahnaerzteblatt.de 27_FORTBILDUNG 1 Schematische Darstellung. Osteoklastendifferenzierung und -aktivierung durch Osteoblasten. Die Stimulation von Osteoblasten durch beispielsweise Calcitriol (1α,25[OH]2D3), Parathormon (PTH) oder Interleukin 11 (IL-11) induziert die Produktion von Receptor Activator of NF-κB Ligand (RANKL) und Macrophage Colony-stimulating Factor (M-CSF). Diese Signalmoleküle binden an die entsprechenden Rezeptoren der Osteoklastenvorläufer, Receptor Activator of NF-κB (RANK) und Colony-stimulating Factor-1 Receptor (c-FMS), und leiten deren Differenzierung zu Osteoklasten ein. Osteoprotegerin (OPG) kann die Osteoklastendifferenzierung und -aktivierung durch Bindung an RANKL hemmen 4,5 . Tumoren können ebenfalls zu Resorptionen in angrenzenden Regionen führen 12 . Eine Sonderstellung nehmen Resorptionen im Zusammenhang mit systemischen Erkrankungen oder Syndromen ein, die mit Störungen des Knochenstoffwechsels assoziiert sind. Hier treten resorptive Defekte meist bilateral an mehreren Zähnen auf 13 . KLASSIFIKATION In Abhängigkeit vom Ursprungsort der Resorption kann zunächst zwischen internen, das heißt vom Zahninneren ausgehenden Resorptionen, und externen, von der Wurzelaußenseite ausgehenden Resorptionen, unterschieden werden. Auch die Lokalisation der Läsion und der Infektionsstatus spielen bei der systematischen Einteilung, die in Abbildung 2 näher dargestellt ist, eine entscheidende Rolle. Während transiente Resorptionen in der Regel selbstlimitierend verlaufen, erfordern progrediente Prozesse eine therapeutische Intervention 12,14,15 . INTERNE WURZELRESORPTION Interne Wurzelresorptionen verlaufen in der Regel progressiv und können in entzündliche Resorptionen und Ersatzresorptionen unterteilt werden 16,17 . Die entzündliche Resorption wird durch Bakterien aus der nekrotischen koronalen Pulpa stimuliert und durch vitales Pulpagewebe apikal der Resorptionsfront aufrechterhalten (Abb. 3a). Zusätzlich findet sich Granulationsgewebe im Inneren der Zahnwurzel. Wird zusätzlich zum Granulationsgewebe knochenähnliches Hartge- 2 Übersicht. Radiologische Erscheinung der verschiedenen Resorptionsarten modifiziert nach Patel et al. 14 .
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