14_TITELTHEMA ZBW_2-3/2024 www.zahnaerzteblatt.de damit einhergehen, immer wieder werben muss. Respekt vor den nationalen Besonderheiten im europäischen Kontext ist zentral. Daher setze ich mich dafür ein, dass das besondere System der Freien Berufe sinnvoll in Einklang mit europäischer Politik und den europäischen Zielen gebracht wird. Wie wird mit den Herausforderungen der zunehmenden Bürokratie und Regulierung umgegangen, die die Freiberuflichkeit der Zahnärzteschaft beeinträchtigen? Gibt es Initiativen zur Vereinfachung von Verwaltungsprozessen und zur Verringerung administrativer Belastungen für zahnärztliche Praxen? Zukünftig gilt es, dem Spannungsverhältnis zwischen dem Erhalt nutzenbringender Bürokratie und dem Abbau von unnötiger Bürokratie gerecht zu werden. Diesem Anspruch wollen wir auch auf europäischer Ebene nachgehen. Zwar schaffen enge Regulierungen mitunter Nachvollziehbarkeit und damit Patientensicherheit, Transparenz und die haftungsrechtliche Absicherung der Zahnärzteschaft, nichtsdestotrotz schaden gerade kleinteilige Dokumentationspflichten und Doppelstrukturen, indem sie wichtige Ressourcen binden. Deshalb enthält auch der Koalitionsvertrag der regierenden Ampelkoalition im Bund, der im Rahmen der gesetzgeberischen Kompetenz maßgeblich ist, das Bekenntnis zum Bürokratieabbau als zentrales Projekt der laufenden Legislaturperiode. Entbürokratisierung birgt große Potenziale, um die gesundheitliche Versorgung zu stärken – Vorschläge zu einem umfassenden Gesetzgebungsverfahren zum Bürokratieabbau im Gesundheitswesen wurden Anfang Januar von Bundesgesundheitsminister Lauterbach bei einem Spitzentreffen mit Ärztevertretern vorgelegt. Wie wird sichergestellt, dass die Freiberuflichkeit von Zahnärzt*innen auch in Zeiten des technologischen Wandels und der Digitalisierung erhalten bleibt? Werden Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass sie ihre klinische Entscheidungsfreiheit behalten und nicht von automatisierten oder standardisierten Verfahren abhängig werden? In der bisherigen Legislatur des Europäischen Parlaments wurden bereits wichtige Gesetze zur Bewahrung der Eigenständigkeit der Zahnärzte im digitalen Raum beschlossen. Mit dem Gesetz für digitale Dienste (DSA) werden Regeln für Online-Plattformen, wie diese mit Inhalten umzugehen haben, aufgestellt. Damit werden Qualitätsstandards im Internet sichergestellt, die dazu dienen werden, auch das System der Freien Berufe zu schützen – beispielsweise vor gefährlichen Produktwerbungen auf Online-Markplätzen oder risikoreichen Gesundheitstipps auf Videoplattformen. Derzeit wird aber ebenfalls das grundlegende Gesetz zur Regulierung von künstlicher Intelligenz, das sogenannte KI-Gesetz, verhandelt. Inhärent ist dabei der Ansatz, Systeme künstlicher Intelligenz nach Risiko zu regulieren. Für besonders risikobehaftete Anwendungen wie beispielsweise den Umgang mit sensitiven Patientendaten gelten strenge regulatorische Anforderungen. Für denkbare operative Anwendungen in der Zahnmedizin soll etabliert werden, dass diese als hochriskant gesehen werden und daher unter der Aufsicht des Arztes stehen müssen. Vom Zahnarzt unabhängige Entscheidungen sind also nicht denkbar, die künstliche Intelligenz soll lediglich unterstützend, zum Beispiel bei der Bewertung des Krankheitsbilds oder der Empfehlung der Therapie, eingesetzt werden. Gibt es Maßnahmen der EU, um die Mundgesundheit der Bevölkerung zu verbessern? Gibt es Initiativen der EU zur Förderung von Präventionsprogrammen, Aufklärungskampagnen und Maßnahmen zur Reduzierung von Mundkrankheiten wie Karies und Parodontitis? Die Mundgesundheit steht ebenfalls im Blickfeld der EU. Immerhin ist sie wesentlicher Bestandteil des körperlichen Wohlbefindens. Wechselwirkungen zwischen zahnmedizinischer Prophylaxe und allgemeiner Gesundheit sind nachgewiesen. In der Vergangenheit hat sich die EU daher bereits an verschiedenen Stellen eingebracht, beispielsweise mit rund 13,5 Mio. Euro in Forschungsprojekten unter dem Förderprogramm „Horizon 2020“. Auch mit dem Programm „EU4Health“ wird die Prävention von Krankheiten, die im Zusammenhang zur Mundgesundheit stehen, angegangen. Aufklärungskampagnen zu Krankheiten im Mundraum werden bislang vorrangig subsidiär in den Mitgliedstaaten initiiert. Wie gedenken Sie als EU-Politiker, auf die Bedenken der Zahnärzteschaft hinsichtlich des geplanten Verbots der Verwendung von Amalgam ab 2025 sowie des Verbots der Herstellung in der EU und des Exports in Drittstaaten aus Umweltschutzgründen einzugehen und möglicherweise Anpassungen oder Lösungen zu finden, die sowohl die Umwelt schützen als auch die Interessen der Zahnärzteschaft berücksichtigen? Zahnfüllungen müssen sicher, langlebig und erschwinglich sein. Dennoch hat Quecksilber keine Zukunft in der zahnmedizinischen Versorgung der EU. Ich setze mich dafür ein, dass sowohl die Zielvorgaben für den Umweltschutz als auch die Versorgung von Patientinnen und Patienten im Europäischen Parlament präzise und angemessen überprüft werden. Im Vorfeld der Umsetzung des Verbots muss Letztere sichergestellt sein und gewährleistet werden, dass Material- innovationen kosteneffizient und gesundheitlich unbedenklich sind. Eine Verlängerung der Frist des Verbots von Amalgam bis 2027 mit entsprechenden Ausnahmeregelungen für unbedingt notwendige Verfahren ist daher zu begrüßen.
ZBW_2-3/2024 www.zahnaerzteblatt.de 15_TITELTHEMA Foto: michaelbloss.eu Michael Bloss Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ZBW: Wie bewerten Sie den EHDS und welche politischen Forderungen vertreten Sie in diesem Zusammenhang? Michael Bloss: Generell ist eine einheitliche und digitale Dokumentierung von Krankenakten zu begrüßen. Allerdings müssen Patient*innen über ihre eigenen Daten bestimmen können. Sie sollten individuell entscheiden können, ob ihre Gesundheitsdaten geteilt werden. Wie wird gewährleistet, dass der EHDS nicht zu einer Überlastung der Zahnärzteschaft führt, insbesondere in Bezug auf den erhöhten Zeitaufwand für die Dokumentation und die Nutzung elektronischer Systeme? Sind finanzielle Anreize vorgesehen, um sicherzustellen, dass Zahnärzt*innen angemessen für die Verwendung des EHDS kompensiert werden? Bei neuen Regelungen ist es immer wichtig, den Mehrwert des Gesetzes (hier die Möglichkeit für Patient*innen, auch im europäischen Ausland darauf zu vertrauen, dass ein Arzt ihre Krankheitsgeschichte einfach einsehen kann) mit dem Mehraufwand für Professionelle abzuwägen. Es ist wichtig, dass sich unser Gesundheitssystem weiterentwickelt, aber gleichzeitig muss darauf geachtet werden, dass Gesundheitsfachleute keinen unverhältnismäßigen Mehraufwand leisten müssen. Es obliegt den Mitgliedstaaten, und somit Deutschland, sicherzustellen, dass die neue Regelung keine Überlastung für Gesundheitsfachleute darstellen. Auch finanzielle Mittel könnten vom deutschen Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellt werden. Gibt es geplante Evaluierungen, um die Effektivität und Effizienz des Systems zu überprüfen? Gibt es Pläne für eine kontinuierliche Überprüfung und Aktualisierung der MDR, um sicherzustellen, dass sie den Bedürfnissen von Zahnärzt*innen und auch Patient*innen gerecht wird? Wie werden Feedback und Erkenntnisse aus der Praxis in die Überarbeitung der Verordnung einbezogen? Europäische Gesetzgebung ist immer so konzipiert, dass eine exante und eine ex-post Evaluierung stattfindet. Die Kommission hat vorgeschlagen, dass die nächste Evaluierung fünf Jahre nach dem Inkrafttreten der neuen Regelung stattfinden soll, eine zweite umfangreichere Evaluierung soll sieben Jahre nach dem Inkrafttreten von der Kommission ausgeführt werden. Die finale Einigung zu der Evaluierung zwischen Parlament und Rat steht noch aus, aber grundsätzlich sind Evaluierungen wichtig, vor allem wenn ganz neue Regelungen eingeführt werden. Wie wird die neue MDR die Verfügbarkeit und den Zugang zu zahnärztlichen Medizinprodukten beeinflussen? Gibt es Bedenken hinsichtlich einer möglichen Verknappung bestimmter Produkte und wie werden diese angegangen? Es darf nicht sein, dass die gleichen Produktionsauflagen für Spezialgeräte, die in kleiner Stückzahl hergestellt werden, und für Massenware gelten. Dies geht zu Lasten der Hersteller und kann dazu führen, dass sich die Herstellung von Spezialgeräten nicht mehr lohnt. Aus diesem Grund muss die verlängerte Übergangsfrist genutzt werden, um Ausnahmen für entsprechende Produkte einzuführen und die Versorgung von Patienten und Patientinnen zu sichern. Kann eine gezielte Aufklärung auf EU-Ebene über die Konzepte der Freiberuflichkeit und Verkammerung dazu beitragen, ein besseres Verständnis für die Vorteile dieses Systems zu schaffen und potenzielle Synergien innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums zu fördern? Austausch und Kooperation zwischen Gesundheitsfachleuten in ganz Europa ist nur zu begrüßen. Deutsche Gesundheitsfachleute haben bei sie betreffenden Gesetzesvorhaben die Gelegenheit, während der öffentlichen Konsultation im Vorlauf des Gesetzes das deutsche Modell zu erklären und Besonderheiten herauszustellen. Wie wird mit den Herausforderungen der zunehmenden Bürokratie und Regulierung umgegangen, die die Freiberuflichkeit der Zahnärzteschaft beeinträchtigen? Gibt es Initiativen zur Vereinfachung von Verwaltungsprozessen und zur Verringerung administrativer Belastungen für zahnärztliche Praxen? Wie wird sichergestellt, dass die Freiberuflichkeit von Zahnärzt*innen auch in Zeiten des technologischen Wandels und der Digitalisierung erhalten bleibt? Werden Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass sie ihre klinische Entscheidungsfreiheit behalten und nicht von automatisierten oder standardisierten Verfahren abhängig werden? Auch hier ist maßgeblich das deutsche Gesundheitsministerium gefragt. Es sollte den Verwaltungsaufwand für Gesundheitsfachleute so gut wie möglich reduzieren und wo nötig kompensieren. Gibt es Maßnahmen der EU, um die Mundgesundheit der Bevölkerung zu verbessern? Gibt es Initiativen der EU zur Förderung von Präventionsprogrammen, Aufklärungskampagnen und Maßnahmen zur Reduzierung von Mundkrankheiten wie Karies und Parodontitis? Vorsorge und Aufklärung sind eine sehr wichtige Komponente der Zahnmedizin und sollten auch weiterhin national unterstützt werden. Die EU hat allerdings im Gesundheitswesen nur begrenzte Kompetenzen. Aufklärungskampagnen zu spezifischen Themen in der Medizin sind nicht Teil der Kernkompetenzen der EU, da bei der Zahnmedizin nicht zwingend ein Mehrwert durch eine europaweite Kampagne zu erwarten wäre.
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