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EUROPAWAHL 2024

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ZBW 2/3 2024

12_TITELTHEMA

12_TITELTHEMA ZBW_2-3/2024 www.zahnaerzteblatt.de dert, Freiberufler als eine entscheidende Kraft für den wirtschaftlichen Aufschwung anzuerkennen, und forderte, dass Maßnahmen ergriffen werden, um die Regulierungslast zu minimieren und Freiberufler bei der Gründung zu ermutigen. Das Thema hat, nicht zuletzt aufgrund des großen Unmuts über die Flut an Bürokratie, stark an Bedeutung gewonnen und ist weit oben auf der politischen Agenda zu verorten. Es gilt, in Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungsträgern sowie gemeinsam mit Verbänden und zahnärztlichen Organisationen Probleme und Wege aufzuzeigen, die zu einer Erleichterung des täglichen Geschäfts und einer vertretbaren Verhältnismäßigkeit führen. Deshalb setzen wir uns, auch im Austausch mit der zuständigen Kommissarin für Gesundheitsfragen, Stella Kyriakides, für geeignete Maßnahmen zur Verringerung administrativer Belastungen für zahnärztliche Praxen ein. Hierbei nehmen wir insbesondere die Themen „Telematik /EDV-Technik“, „Qualität /Qualitätsmanagement“ und „Hygienevorschriften“ in den Blick und werden versuchen, die EU-verursachten Hemmnisse abzubauen. Wie wird sichergestellt, dass die Freiberuflichkeit von Zahnärzt*innen auch in Zeiten des technologischen Wandels und der Digitalisierung erhalten bleibt? Werden Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass sie ihre klinische Entscheidungsfreiheit behalten und nicht von automatisierten oder standardisierten Verfahren abhängig werden? Die Sicherstellung der Unabhängigkeit ist für uns nicht nur im Hinblick auf die Zahnärzte von großer Bedeutung. Diese angesichts der technologischen und digitalen Entwicklungen zu erhalten, ist eine echte Herausforderung. Denn es bedeutet, einen stets kohärenten und zeitgemäßen Rechtsrahmen zu schaffen, der größtmöglichen Gestaltungsspielraum lässt und Selbstverwaltung ermöglicht. Schon heute kommt es zur Anwendung von Systemen künstlicher Intelligenz (KI) bei einzelnen Freien Berufen. Wir wollen jedoch sicherstellen, dass – egal ob im Gesundheitswesen oder bei der Anwaltschaft – jegliches KI-System transparent, sicher und in seiner Nutzung nachvollziehbar ist und zudem von Menschen, in diesem Falle vom Arzt oder Anwalt, letztinstanzlich überwacht werden. Logischerweise müssen natürlich auch die Freien Berufe in ihrer Arbeit die technologische Entwicklung berücksichtigen und auf der Basis der Selbstverwaltung in Systemen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung integrieren, z. B. bei der digitalen Patientenakte. Ausschlaggebend für das Fortwähren ist auch die stete Fortentwicklung des Berufsstands mittels Fortbildungen, der smarte Einsatz digitaler Technologien beispielsweise. zur Erstellung individueller Behandlungspläne, Datensicherheit und das Schritthalten mit dem Wandel mittels Kooperationen und strategischer Zusammenarbeit. Digitalisierung und künstliche Intelligenz verändern den Arbeitsmarkt. So auch den Beruf des Zahnarztes. Digitale Tools können durchaus hilfreich in der Praxisorganisation, Datenverwaltung oder auch der Diagnose und Prognose sein. Die klinische Entscheidungsfreiheit obliegt weiterhin dem behandelnden Arzt, dem auch die Entscheidung über die Verwendung besagter Mittel freisteht. Der Berufsstand an sich ist auf Bundesebene detailreich geregelt und geschützt. Kritisch wird es, wenn seitens der EU gesundheitspolitische Initiativen kommen, die die auf nationaler Ebene geltenden Besonderheiten außer Acht lassen. Wir stellen hierbei die Expertise der in Deutschland exzellent ausgebildeten Zahnärzte in den Mittelpunkt und werden uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass die klinische Entscheidungsfreiheit beibehalten wird und es keine zu starken Abhängigkeiten von automatisierten oder standardisierten Verfahren geben wird. Gibt es Maßnahmen der EU, um die Mundgesundheit der Bevölkerung zu verbessern? Gibt es Initiativen der EU zur Förderung von Präventionsprogrammen, Aufklärungskampagnen und Maßnahmen zur Reduzierung von Mundkrankheiten wie Karies und Parodontitis? Die EU hat verschiedene allgemeine Gesundheitsstrategien und -programme wie EU4Health oder das EU-Gesundheitsprogramm entwickelt, die auch auf die Mundgesundheit der europäischen Bevölkerung abzielen. Dadurch soll die Prävention von Krankheiten und die Förderung der Mundgesundheit in allen Lebensphasen gestärkt werden. Darüber hinaus unterstützt die EU Informationskampagnen und Aufklärungsmaßnahmen zur Förderung einer guten Mundgesundheit wie den jährlichen Europäischen Tag der Mundgesundheit, der am 12. September stattfindet. An diesem Tag werden verschiedene Veranstaltungen und Aufklärungskampagnen durchgeführt, um das Bewusstsein für die Bedeutung der Mundgesundheit zu erhöhen und die Menschen zu ermutigen, gute Mundhygienepraktiken zu entwickeln. Kampagnen wie diese schaffen, das Bewusstsein für die Bedeutung der Mundgesundheit zu erhöhen und die Menschen zu ermutigen, eine gute Mundhygiene zu praktizieren. Zudem stellt die EU finanzielle Mittel zur Prävention von Karies, Förderung von Mundhygiene und die Bereitstellung von zahnmedizinischer Versorgung in benachteiligten Gemeinschaften zur Verfügung. Wie gedenken Sie als EU-Politiker, auf die Bedenken der Zahnärzteschaft hinsichtlich des geplanten Verbots der Verwendung von Amalgam ab 2025 sowie des Verbots der Herstellung in der EU und des Exports in Drittstaaten aus Umweltschutzgründen einzugehen und möglicherweise Anpassungen oder Lösungen zu finden, die sowohl die Umwelt schützen als auch die Interessen der Zahnärzteschaft berücksichtigen? Das Verfahren befindet sich noch ganz am Anfang. Berichterstatterin im Mitentscheidungsverfahren wird die CSU-Kollegin Marlene Mortler. Wir haben uns in der Fraktion noch keine Meinung gebildet. Grundsätzlich kann man aber sagen: Der Ersatz von Quecksilber durch weniger schädliche Stoffe ist ein erstrebenswertes Ziel. Bei der Beleuchtung ist das jetzt ohne Probleme möglich, da LED in allen Bereichen die quecksilberhaltigen Kompaktleuchtstoffröhren ersetzen kann. Im Bereich der Zahnmedizin müssen wir die Sache noch genau prüfen. Wir nehmen die Bedenken der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) natürlich ernst, aber es scheint so zu sein, dass Proteste gegen den Vorschlag vor allem von deutschen Zahnärzten kommen. Wir werden uns genau ansehen, wie die Situation in den Ländern wie zum Beispiel Schweden, Norwegen und der Schweiz ist, in denen Amalgam schon gar nicht mehr verwendet wird. Einen Zeitplan gibt es noch nicht, weil, wie oben gesagt, das Verfahren noch ganz am Anfang steht.

ZBW_2-3/2024 www.zahnaerzteblatt.de 13_TITELTHEMA Foto: Waldemar Salesski René Repasi Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz ZBW: Wie bewerten Sie den EHDS und welche politischen Forderungen vertreten Sie in diesem Zusammenhang? René Repasi: Die EHDS-Verordnung ist ein zentraler Bestandteil der europäischen Gesundheitsunion. Sie schafft echte Chancen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung für Patientinnen und Patienten, der Stärkung ihrer Rechte sowie die Nachnutzung von Gesundheitsdaten für die medizinische Forschung. Klar ist: Eine Verwässerung der DSGVO darf es nicht geben. Patientinnen und Patienten müssen die volle Kontrolle über hochsensible Gesundheitsdaten behalten. Im britischen System sehe ich ein Negativbeispiel. Die EU muss daher sicherstellen, dass die angedachten Sicherheitsvorkehrungen unbedingt halten – mit einer klar definierten Aufsicht sowie strengen Regeln zur Datenweitergabe, Interoperabilität und Qualität der Patientendaten. Wie wird gewährleistet, dass der EHDS nicht zu einer Überlastung der Zahnärzteschaft führt, insbesondere in Bezug auf den erhöhten Zeitaufwand für die Dokumentation und die Nutzung elektronischer Systeme? Sind finanzielle Anreize vorgesehen, um sicherzustellen, dass Zahnärzt*innen angemessen für die Verwendung des EHDS kompensiert werden? Gerade für Deutschland birgt der EHDS die Gelegenheit, bisherige Defizite bei der Nutzung von Gesundheitsdaten aufzuholen und im europaweiten Verbund echte Fortschritte zu erzielen. Natürlich müssen die neuen Vorschriften aber auch praktisch umsetzbar sein. Hier gilt es, die richtige Balance zu finden: Nicht die Masse der vor Ort einzuspeisenden Daten ist entscheidend, sondern vielmehr deren Zielrichtung. Hier braucht es eine übersichtliche Kategorisierung. Der EHDS sieht ebenfalls finanzielle Unterstützung für die Umsetzung vor Ort vor, gerade die Mitgliedstaaten erkennen diese Priorität. Mit Abschluss des Mandats ist jedoch nicht vor der Europawahl 2024 zu rechnen. Gibt es geplante Evaluierungen, um die Effektivität und Effizienz des Systems zu überprüfen? Bereits im Vorfeld der Verhandlungen hat die EU-Kommission entsprechende Konsultationsverfahren veranlasst. Natürlich ist ein Projekt dieser Größenordnung ohne kontinuierliche Evaluierung undenkbar. Darüber hinaus lässt der Vorschlag noch Spielraum für den EDHS ergänzende nationale Gesetzgebung. Gibt es Pläne für eine kontinuierliche Überprüfung und Aktualisierung der MDR, um sicherzustellen, dass sie den Bedürfnissen von Zahnärzt*innen und auch Patient*innen gerecht wird? Wie werden Feedback und Erkenntnisse aus der Praxis in die Überarbeitung der Verordnung einbezogen? Der Beschluss sieht vor, die Auswirkungen der Medizinprodukteverordnung (MDR) kontinuierlich zu überprüfen. Die Evaluierung der Verordnung ist dabei spätestens auf das Jahr 2027 datiert. Anhand der bisherigen Debatte rund um die MDR sollte diese jedoch nicht bis zuletzt aufgeschoben werden. Wie wird die neue MDR die Verfügbarkeit und den Zugang zu zahnärztlichen Medizinprodukten beeinflussen? Gibt es Bedenken hinsichtlich einer möglichen Verknappung bestimmter Produkte und wie werden diese angegangen? Grundsätzlich ist die Medizinprodukteverordnung für den Gesundheitsstandort Baden-Württemberg als hochrelevant einzustufen, aus wirtschaftlich-industrieller Sicht, aber natürlich ebenso mit Hinblick auf die Patientinnen und Patienten. Im Rahmen der Neuzertifizierung von Bestandsprodukten sind aufgrund geringerer Personalkapazitäten und Finanzierungsmöglichkeiten vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KUM) von den Anforderungen betroffen. Infolge des zunehmenden Aufwands ist eine Verkleinerung der medizintechnologischen Produktvielfalt denkbar, besonders bei Nischenprodukten und Spezialanfertigungen. Die Institutionen haben hierauf bereits reagiert und die Zertifizierungsfristen verlängert. Darüber hinaus können zusätzliche Kapazitäten bei den sog. „Benannten Stellen“ helfen, Beratungsgutscheine für KUM sowie Durchführungsrechtsakte und -leitfäden vonseiten der EU-Kommission. Nicht zuletzt gilt es, Schnellverfahren nach nordrhein-westfälischem Vorbild bei den landeseigenen Regierungspräsidien umzusetzen. Hier muss sich auch die Landesregierung an die eigene Nase fassen. Kann eine gezielte Aufklärung auf EU-Ebene über die Konzepte der Freiberuflichkeit und Verkammerung dazu beitragen, ein besseres Verständnis für die Vorteile dieses Systems zu schaffen und potenzielle Synergien innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums zu fördern? Der Zahnarztberuf ist als Freier Beruf Teil eines besonderen Wertekontexts und Verständnisses, das zur Erbringung von dem Gemeinwohl dienenden Dienstleistungen notwendig ist. Dabei sollte Europa und sein gemeinsamer integrierter Markt mit freiem Dienstleistungszugang erst einmal keinen Widerspruch darstellen. Allerdings kenne ich die vielen Diskussionen rund um die Dienstleistungsrichtlinie und die weiteren implementierenden Gesetze, wie beispielsweise die Berufsqualifikationsrichtlinie, und setze mich in meiner Tätigkeit als Abgeordneter des Europäischen Parlaments im Binnenmarktausschuss für die Anerkennung und Notwendigkeit des Systems der Freiberuflichkeit ein. Dabei fällt natürlich auf, dass man für das System der Freien Berufe und den Werten und Aufgaben, die

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