42_FORTBILDUNG ZBW_5-6/2022 www.zahnaerzteblatt.de Fotos: C. Schwarz Klimawandel und Gesundheit. Die Karlsruher Konferenz 2022 stand ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit: Gastgeber Dr. Daniel Hellmann (r.) und Prof. Dr. Stefan Zimmer. Karlsruher Konferenz 2022 NACHHALTIGE ZAHNMEDIZIN „Wir brauchen ein Leitbild für die Nachhaltigkeit, um die zahlreichen Herausforderungen zu meistern“, betonte Dr. Daniel Hellmann, als er die Teilnehmer*innen der Karlsruher Konferenz begrüßte. Um den Umwelt- und Klimaschutz noch mehr ins Bewusstsein zu rücken, lautete das diesjährige Tagungsthema „Nachhaltige Zahnmedizin – Von Prävention bis Klimaschutz“. Da diese Vorträge für Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie ZFA gleichermaßen relevant sind, nahmen sie am Programm nach der Mittagspause gemeinsam teil. Dr. Daniel Hellmann, Direktor der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe, griff zu Beginn mehrere Ziele aus dem Katalog der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung auf. Richtungsweisend im Hinblick auf eine nachhaltige Zahnmedizin seien insbesondere „Gesundheit und Wohlergehen“, die „Maßnahmen zum Klimaschutz“ und der in verschiedenen Zielen zum Ausdruck kommende Wille zum Umwelt- und Naturschutz. Dementsprechend griffen die Referent*innen diese Themen in ihren zahnmedizinischen Fachvorträgen auf. PRÄVENTION Prof. Dr. Stefan Zimmer, Universität Witten/Herdecke, räumte in seinem Referat mit Mythen und Fakten der häuslichen Mundhygiene auf. „Prävention ist einer der Grundsteine für nachhaltige Zahnmedizin“, betonte er und Zähneputzen ist eine der am häufigsten durchgeführten täglichen Hygienemaßnahmen weltweit. Deshalb liege in der Optimierung dieser Präventionsmaßnahme großes Potenzial zum nachhaltigen Erhalt der Mundgesundheit vieler Menschen. Entgegen aktueller Trends riet Prof. Zimmer bei der Handzahnbürste aus Hygienegründen von Naturborsten ab. Er empfahl ein der Form des Zahnes angepasstes Borstenfeld. Harte Borsten seien im Blick auf die Plaqueentfernung zwar besser, könnten aber auch mehr Schäden am Weichgewebe verursachen. Deshalb sei bei Patient*innen mit Putzdefekten hier Vorsicht geboten. Bei elektrischen Zahnbürsten seien die Nebenwirkungen geringer, jedoch müsse hier die Putztechnik umgestellt werden und „jeder Zahn wie bei der PZR einzeln gereinigt werden“. Um den Patient*innen ein Gefühl für den richtigen Anpressdruck von einem Newton zu geben empfahl er, sie an der Küchenwaage üben zu lassen. „Dass man in zwei oder drei Minuten die Zähne sauber kriegt ist eine Illusion“. Deshalb müsse die optimale Putzdauer individuell festgelegt werden, „das ist genau wie beim Fensterputzen“. Deshalb empfiehlt er seinen Patient*innen, zuhause die Beläge einzufärben, danach die Zähne zu putzen und dabei die Zeit zu stoppen. ENDODONTIE PD Dr. Andreas Bartols, M.A., stv. Direktor der Akademie für Zahnärztliche
ZBW_5-6/2022 www.zahnaerzteblatt.de 43_FORTBILDUNG Fortbildung Karlsruhe, erläuterte Wege in die Nachhaltigkeit im Bereich der Endodontie. Dabei stellte er als wichtigsten Baustein zur CO 2 -Einsparung die Therapie nach dem Single-Visit-Konzept vor. Grundsätzlich liegen bereits aus anderen Untersuchungen Daten vor, die zeigen, dass die Anfahrtswege der Patient*innen den größten Teil des CO 2 - Ausstoßes im Rahmen der endodontischen Therapie verursachen. Auf Grundlage seines überwiegend auf externen Überweisungen basierenden Patientengutes errechnete er, wie viel CO 2 durch seine zu 90 Prozent als Single-Visit durchgeführten endodontischen Behandlungen eingespart werden konnte. Dazu zog er die konkreten Anfahrtswege der Patient*innen heran und veranschaulichte die Verteilung anhand einer 10-Felder-Matrix. Das Ergebnis: Im Laufe der Jahre wurden rund 32 Tonnen CO 2 eingespart, was einer jährlichen Reduktion um ca. 1,9 Tonnen im Beobachtungszeitraum entsprach. PARODONTOLOGIE Unter dem Titel „Mit strukturierter UPT zum parodontologischen Langzeiterfolg“ zeigte Prof. Dr. Nicole Arweiler, Marburg, am Beispiel des Marburger Parokonzepts nachhaltige Ansätze im Bereich der Parodontologie. „Alle Wege führen in die präventive Langzeitbetreuung“ betonte Prof. Arweiler, „hier liegt der Schlüssel zum parodontologischen Langzeiterfolg“. PROTHETIK Die sieben Schritte der evidenzbasierten Therapieplanung im parodontal vorgeschädigten Gebiss präsentierte Prof. Dr. Sven Rinke, M.Sc., Hanau, in seinem Vortrag. Der Schlüssel zu einer nachhaltigen Behandlung liege in solchen Fällen laut Prof. Rinke in einer langzeitprovisorischen Versorgung mittels Schalenprovisorium. Der Nachhaltigkeitsaspekt komme hier besonders zur Geltung, da es zu einer Einsparung von Behandlungsterminen, Materialeinsatz (keine weitere Abformung nötig) und Fahrkosten komme. Die lange Tragedauer des Schalenprovisoriums ermögliche eine prospektive Einschätzung der Compliance, der Mundhygiene, die Entwicklung der Risikofaktoren und die Einhaltung der Termine. KLIMASCHUTZ Wie die Klimakrise unsere Gesundheit gefährdet, veranschaulichte Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, Fachärztin für Dermatologie, Lehrstuhlinhaberin für Umweltmedizin und Institutsdirektorin in Augsburg. Sie stellte in ihrem Vortrag fünf Fakten zum Klimawandel voran: Klimawandel ist real, wir sind schuld, er ist gefährlich, Fachleute sind sich einig und wir können etwas tun. Die Konsequenzen der Erderwärmung für Gesundheit und Wohlbefinden insbesondere in Europa beschrieb sie treffend: „Klimawandel macht krank von Kopf bis Fuß“. Neben Erkrankungen der Atemwege und der Haut könne ein verändertes Klima auch Einfluss auf Stoffwechselfaktoren und Diabetes nehmen. Sie forderte die Erstellung von Hitzeschutzplänen, da die steigenden Temperaturen negative Auswirkungen auf die Gesundheit und auch auf die Ökonomie haben. „Das Bruttoinlandsprodukt sinkt um fünf Prozent, wenn wir Klimaschutz betreiben. Wenn wir nichts tun, sinkt es um 20 Prozent“. Die häufigste Todesursache im Zusammenhang mit Hitze sei das Lungenversagen und hier seien die Zahlen mittlerweile stark angestiegen. Auch sei Neurodermitis bei Kindern häufig eine Folge von Umweltverschmutzung. „Es ist statistisch belegt“, so Prof. Traidl-Hoffmann, „dass Personen, die in der Nähe stark befahrener Straßen aufgewachsen sind, in der Folge mehr Allergien entwickeln“. ÖKOBILANZ Prof. Dr. Brett Duane vom Trinity College in Dublin beleuchtete in seinem Vortrag „Sustainability in Dentistry“ zahlreiche Aspekte, die den CO 2 -Fußabdruck rund um eine zahnmedizinische Behandlung beeinflussen. Einen großen Anteil nehme mit fast 60 Prozent die Mobilität von Patient*innen und Praxispersonal ein. Darüber hinaus legte er sein Augenmerk neben elektrischen und Handzahnbürsten auch auf zahnmedizinisches Verbrauchsmaterial sowie Instrumente. Seine Empfehlung für die tägliche Praxis lautete „reduce (reduzieren), reuse (wiederverwenden), recycle (wiederverwerten)!“ INITIATIVEN In einem weiteren Vortrag stellte der Anästhesist PD Dr. Christian Schulz das Netzwerk der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V. (KLUG) und deren Arbeitsgruppen vor. Peter Frieß vom Unternehmen Fokus Zukunft, Starnberg, berichtete unter dem Titel „CO 2 einsparen und ausgleichen – Mit System in die Klimaneutralität“ über Möglichkeiten zur Kompensation von am Ende unvermeidbaren Emissionen. Klimawandel. Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann erläuterte wie die Klimakrise unsere Gesundheit gefährdet. PODIUMSDISKUSSION Den Abschluss der Karlsruher Konferenz bildete ein Podiumsgespräch mit einigen der Referent*innen sowie weiteren Gästen. Sie griffen die Themen des Tages nochmals auf und waren sich einig darüber, dass Klimawandel eine bedeutende Gefahr für die Gesundheit und die Zukunft der Menschheit bedeute. Ein stärkerer Fokus auf Nachhaltigkeit, gerade auch in der Zahnmedizin, sei deshalb oberstes Gebot. Gabriele Billischek INFO PROF. DR. ZIEBOLZ ERSTER EXZELLENZ-PREISTRÄGER In diesem Jahr wurde erstmals der Exzellenz-Preis der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe vergeben. Der Preisträger ist Prof. Dr. Dirk Ziebolz, M.Sc., Universität Leipzig. Dr. Hellmann beschrieb ihn in seiner Laudatio mit den Worten „verbindlich und verlässlich, sympathisch, schnörkellos und ohne Eitelkeiten“. Prof. Ziebolz wurde geehrt für seine herausragenden Verdienste um die zahnmedizinische Wissenschaft sowie seine exzellente Lehre innerhalb und außerhalb der Universität, mit der er einen mehr als wertvollen Beitrag zur Entwicklung der zahnärztlichen Profession vorantreibt. Der Präsident der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg, Dr. Torsten Tomppert, überbrachte die Glückwünsche des LZK- Vorstandes.
Laden...
Laden...
Informationszentrum Zahn- und Mundgesundheit Baden-Württemberg (IZZ)
Haus: Heßbrühlstraße 7, 70565 Stuttgart
Post: Postfach 10 24 33, 70200 Stuttgart
Telefon: 0711 222 966 0
Fax: 0711 222 966 20
presse@izzbw.de
Eine Einrichtung der Kassenzahnärztlichen
Vereinigung Baden-Württemberg
& der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg
© by IZZ Baden-Württemberg - Impressum - Datenschutz