40_FORTBILDUNG ZBW_5-6/2022 www.zahnaerzteblatt.de 3 Weisheitszähne. Komplex zu entfernender retinierter und verlagerter Zahn 38, der mit seinen Wurzeln partiell um den Canalis mandibularis greift. In den multiplanaren Rekonstruktionen des DVT-Datensatzes ist dies gut erkennbar in den beiden sagittalen Schnitten oben/unten rechts im Bild. enten eine relativ hohe Strahlenbelastung jedoch ohne das entsprechende Benefit bedeuten. (Abb. 3). Generell kann man aus logischen Überlegungen davon ausgehen, dass die DVT immer dann substanzielle Informationen liefert, wenn es um räumliche Zusammenhänge und Dimensionsmessungen geht. Ihre Nachteile im Vergleich zu zweidimensionalen Röntgenaufnahmen liegt in ihrer substanziell niedrigeren Ortsauflösung, d. h. Detailgenauigkeit sowie auch in der Artefaktanfälligkeit bei metallischen Restaurationen und anderen Versorgungen. Weichteile können in der DVT in ihren derzeitigen Ausführungen nicht gut abgebildet und insbesondere nicht differenziert werden. MRT Die Magnetresonanztomographie (MRT) erlebt in den letzten zwei Jahrzehnten einen Boom durch Entwicklung vielfältiger neuer Sequenzen. So wurde die funktionelle Bildgebung von Stoffwechseltätigkeit – und damit Aktivität – von Hirnarealen möglich 19 oder auch die Abbildung von Diffusion von Wassermolekülen im Gehirn 20 . Da die Physik hinter der MRT wesentlich komplexer ist als die bei der CT/DVT, ergeben sich nahezu automatisch auch mehr Möglichkeiten der Gewebedifferenzierung und damit für die Abbildung biologischer Strukturen 21 . Dies gilt selbstverständlich auch für die zahnmedizinische Bildgebung, wo es in der Zeit vor der Jahrtausendwende eigentlich nahezu ausschließlich um die Abbildung der Kiefergelenksweichteile und insbesondere des Discus articularis ging 22 . (Abb. 4). Für diese Bildgebung wird zumeist eine T1-Gewichtung verwendet. Obwohl physikalisch bedingt das MRT-Signal mangels der normalerweise detektierten Protonen in Hartgeweben sehr gering ist, wurde durch Entwicklung neuer Sequenzen wie „sweep imaging with Fourier transformation (SWIFT), „ultrashort“ (UTE) oder „zero echo time“ (ZTE) neue Möglichkeiten der Abbildung von Hartgeweben geschaffen 23, 24 . Die Darstellung des Nervus alveolaris inferior 25, 26, 27 Auch wurden intraorale Spulen entwickelt, um in vivo Knochen und Zähne im Patienten abbilden zu können 28 . All diese neuen Entwicklungen zusammen mit Verkleinerungen und Simplifizierung der notwendigen Hardware deuten darauf hin, dass das MRT zukünftig in einigen Bereichen in der Zahnmedizin Anwendung finden wird. Allerdings ist das volle Potenzial noch völlig unbekannt, da man diesbezüglich erst am Anfang der Erforschung steht 21 . Eine grundlegende Frage werden die Kosten für ein Dental-MRT sein. Da die hardwareseitige Technik sehr komplex ist und auch die Bilderstellung und -verarbeitung einen hohen Aufwand darstellt, ist ein entsprechend spezifisch auf Fragestellungen der Zahnheilkunde zugeschnittenes MRT sicherlich auch nicht ganz billig zu realisieren. Wenn dann tatsächlich derartige Geräte auf dem Markt sind, wird sich auch zeigen müssen, ob durch den Zugewinn einer MRT-Bildgebung in der Zahnheilkunde tatsächlich auch ein Gewinn für die Patienten entstehen wird. KÜNSTLICHE INTELLIGENZ (KI) Künstliche Intelligenz wird auch in der zahnärztlichen Bildgebung immer wichtiger. Die automatische Erkennung („Seg- 4 5 Biologische Strukturen. Sagittales MRT des Kiefergelenks in T1-Gewichtung und ungefähr Schlussbisslage. Gut erkennbar ist der signalarm imponierende Kortikalis des Gelenkkopfs und der Gelenkpfanne. Weichgewebe. MRT eines Kiefergelenks mit anteriorer Diskusverlagerung mit Reposition in T1-Gewichtung.
ZBW_5-6/2022 www.zahnaerzteblatt.de 41_FORTBILDUNG 6 Details. Der Vergleich zwischen einer intraoralen Tubusaufnahme (links) und einem kleinvolumigen DVT (rechts) zeigt deutlich die wesentlich geringere Ortsauflösung des DVTs, d. h. die geringe Detailgenauigkeit der Aufnahmen. mentierung“) von Zähnen auf Röntgenbildern, von Pathologien, Karies oder auch die KI-basierte automatisierte kieferorthopädische Referenzpunkterkennung bilden hier die bisher wesentlichen Zielpunkte KI-basierter Bildauswertung 29 . Maschinelles Lernen, zu dem KI gehört, basiert auf einem selbstlernenden System das mit vielen Datensätzen gefüttert wird und die Regeln vom Input (den Bildern) zum Output (z. B. eine Klassifizierung von Zähnen) selbsttätig lernt. Diese Netze lernen also innerhalb der Statistik der Daten, die ihnen zum Lernen zur Verfügung gestellt werden. Je größer diese Datenbasis ist, desto besser wird auch das Netz in der Beantwortung der entsprechenden Fragestellung. In der Bildverarbeitung werden hauptsächlich tiefe „Convolutional Neural Networks (CNN)“ verwendet, die viele Layer ( „deep“) an einzelnen Verarbeitungsschichten aufweisen. Diese CNNs sind künstliche neuronale Netze mit großem Potential für die Diagnostik in der Radiologie 30 . Auch wenn die Zahnheilkunde in diesem Gebiet um Jahre hinter der Medizin liegt 29 , so ist gilt dasselbe auch für die zahnärztliche Radiologie. Zudem ist ihr Einsatz kosteneffizient 31 und KI-Systeme arbeiten ermüdungsfrei. Es ist mit hoher Sicherheit zu erwarten, dass derartige Systeme zukünftig auch die zahnärztliche Radiologie revolutionieren wird. FAZIT Trotz einer immer größer werdenden Anzahl an möglichen bildgebenden Verfahren auch in der Zahnheilkunde ist der Nachweis einer dadurch bedingten Verbesserung der Patientenversorgung bisher in weiten Teilen nicht erbracht. Das liegt zum einen in der relativ komplexen Fragestellung derartiger Forschungsansätze, aber sicherlich auch langen notwendigen Beobachtungszeiträumen der Patienten. Für die KI wäre es ohnehin wohl, trotz des enormen Potenzials, noch zu früh für derartige Antworten. Somit kann die Fragestellung im Titel dieses Beitrags nur sehr unvollständig beantwortet werden. Eine reine evidenzbasierte Aussage ist leider nicht möglich, stattdessen müssen indirekte Schlussfolgerungen angewandt werden. So kann durchaus in einigen Bereichen behauptet werden, dass Bildgebung manche Techniken überhaupt erst ermöglicht (beispielsweise die navigierte Implantologie). Und wenn sich dort ein Nutzen für die Patienten zeigt, so ist dieser indirekt auch auf die zugrundeliegende Bildgebung zurückzuführen. Insgesamt fehlt es aber dennoch an Studien, die eine Patienten-Wirksamkeit 3 erforschen. Beispielsweise kam ein recht aktueller Systematic Review zu Indikationen und Kontraindikationen bei pädiatrischen Panoramaschichtaufnahmen zu der Schlussfolgerung, dass es einen klaren Mangel an Evidenz für diese auch bei Kindern häufig angefertigten Aufnahmen gibt 32 . Es bleibt zu hoffen, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft auch in der Zahnmedizin zukünftig vermehrt in diesem Aufgabenbereich forscht. Bis dahin werden sicherlich weitere bildgebende Verfahren und vor allem Methoden der künstlichen Intelligenz in der Zahnmedizin Einzug halten, mit all den Vor- und Nachteilen, die damit verbunden sein mögen. Prof. Dr. Ralf Schulze, Zahnmedizinische Kliniken, Universität Bern Das Literaturverzeichnis kann beim IZZ bestellt werden unter Tel: 0711/222966-14 oder E-Mail: infozahnarzteblatt.de. Abbildungen: Prof. Dr. R. Schulze 7 www.zahnaerzteblatt.de 0711/222966-14 info@zahnaertzeblatt.de Standard. Normale, nicht kompliziert verlagerte Weisheitszähne 28, 38 und 48, wo ein DVT nachweislich keinen Benefit für den Patienten bringt und daher die Panoramaschichtaufnahme auch evidenzbasiert die Standardaufnahme bildet. Prof. Dr. Ralf Schulze, Abteilung Oral Diagnostic Sciences, Zahnmedizinische Kliniken, Universität Bern
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