38_FORTBILDUNG ZBW_4/2022 www.zahnaerzteblatt.de Bildgebende Diagnostik in der Zahnmedizin BESSERE THERAPIE DURCH DIE DIGITALE TECHNIK? Foto: AdobeStock/phonlamaiphoto Das Wort „digital“ hielt Einzug in die zahnärztliche Bildgebung Ende der 1980er-Jahre mit dem damals als „Radiovisiographie“ bezeichneten System der französischen Firma Trophy 1, 2 . Niemand wird heute noch analoge filmbasierte Fotografie als den Stand der Technik im Jahre 2022 bezeichnen. Ähnlich verhält es sich in der (zahnärztlichen) Radiologie, wo neben digitalen zweidimensionalen (2D) auch dreidimensionale (3D) Techniken mittlerweile etabliert sind. Zusätzlich etablierten sich die Magnetresonanztomographie (MRT), die digitale Fotografie, Oberflächenscans, digitale Abformungen und andere bildgebende Verfahren auch in der Zahnheilkunde. Anwendungen künstlicher Intelligenz (KI) sind im Moment, u. a. auch im Rahmen zahnmedizinischer Fragestellungen in aller Munde. Dieser Beitrag fasst den derzeitigen Kenntnisstand über digitale bildgebende diagnostische Verfahren in der Zahnmedizin zusammen und versucht auch die schwierige Frage zu beleuchten, inwieweit in der wissenschaftlichen Literatur wirklich ein Benefit für den Patienten durch deren Anwendung erkennbar ist. Dabei beschränkt sich der Beitrag auf digitale Röntgentechniken und MRT, wohl wissend, dass diese nur einen sehr kleinen Teil aller digitalen Techniken in unserem Fachgebiet repräsentieren. WIRKSAMKEIT DIAGNOSTISCHER BILDGEBUNG Wenn man sich über potenziell bessere Erkenntnisse und Therapien für Patienten durch Bildgebung unterhält, kommt man nicht an einer grundsätzlichen Diskussion der Wirksamkeit medizinischer Bildgebung vorbei, wie sie bereits 1991 von Fryback und Thornbury definiert wurde 3 . (Abb. 1). Leider stellt sich bei näherer Betrachtung der wissenschaftlichen Literatur heraus, dass die allermeisten Publikationen lediglich die Stufen 1 und 2 der insgesamt von den Autoren definierten 6 möglichen Wirksamkeitsstufen erreichen 4 . Diese beiden untersten Stufen werden als „technische Qualität“ 1 bzw. „diagnostische Validi- tät“ bezeichnet 3 . Da erst ab Stufe 3 („Wirksamkeit auf diagnostische Denkweise“) überhaupt eine patientenbezogene Wirksamkeit untersucht wird, sind Schlussfolgerungen auf patientenbezogene Ergebnisse leider häufig nicht evidenzbasiert möglich. Es sollte hierbei immer beachtet werden, dass selbst der valideste Test dem Patienten unter Umständen mehr Schaden als Nutzen bringen kann 5 . Unter diesen Voraussetzungen sollten die im Folgenden angesprochenen einzelnen digitalen bildgebenden Techniken betrachtet werden. DIGITALE ZWEIDIMENSIONALE RÖNTGENAUFNAHMEN Intraorale Tubusaufnahmen (früher „Zahnfilme“), Panoramaschichtaufnahmen und auch Fernröntgenaufnahmen bilden immer noch das Grundgerüst der Röntgentechniken in unserem Fach. Alle sind mittlerweile digital, die letzteren beiden Großaufnahmearten in der Regel bei aktuellen Geräten auch unter Verwendung digitaler Sensoren als Bildempfänger. Intraorale Tubusaufnahmen werden meist noch mit dem (eigentlich primär analogen) Speicherfoliensystem angefertigt, jedoch scheint der Anteil an Festkörpersensoren insgesamt zuzunehmen. Technisch korrekt, werden Speicherfo-
ZBW_4/2022 www.zahnaerzteblatt.de 39_FORTBILDUNG liensysteme international als „computed radiography“ bezeichnet, Sensorsysteme jedoch als „digital radiography“ 6 . Digitale Bildrezeptoren ermöglichen in ihrer Gesamtheit eine Dosisreduktion um ungefähr 40 bis 50 Prozent, wenn man sie mit Filmsystemen vergleicht 7 ; 8 . Diese Aussage ist viel einfacher zu untermauern als ein evidenzbasiertes Statement über den Patientennutzen dieser modernen digitalen zahnärztlichen Röntgensysteme abzugeben. Allerdings ist es auch unbestritten, dass viele zahnärztliche Prozeduren (etwa endodontische Therapien, Implantationsplanungen, andere oralchirurgische Eingriffe, kieferorthopädische Behandlungsplanungen etc.) ohne Röntgenaufnahmen gar nicht oder nur unter extrem erschwerten Umständen denkbar wären (Abb. 2). Man kann also implizit davon ausgehen, dass viele Patienten tatsächlich einen Nutzen von den Röntgenbildern haben werden, auch wenn dieser nicht direkt beweisbar ist. Die Frage, wie viele und welche Aufnahmen genau benötigt werden, um einen bestimmten messbaren Nutzen des Patienten zu erzielen, kann leider nicht beantwortet werden. Wichtig erscheint hierbei der Hinweis auf das international im medizinischen Röntgen/Strahlenschutz etablierte Prinzip der „Justification“, in der deutschen Gesetzgebung als „Rechtfertigung“ bezeichnet. Hierbei muss bei der Anfertigung einer Röntgenaufnahme im speziellen Patientenfall (Einzelfallentscheidung!) festgestellt werden, dass die Aufnahme einen Benefit für den Patienten erbringt, der das potentielle Risiko durch die Aufnahme übertrifft 9 . Durch Übertragung der Verantwortung zur jeweiligen Einzelfallentscheidung auf denjenigen, der die Aufnahme anfertigt, will der Gesetzgeber erreichen, dass eben nur sinnvolle Röntgenaufnahmen angefertigt werden. Moderne digitale Panoramaschichtgeräte sind heute bereits sehr ausgereift und weisen eine sehr hohe Bildqualität auf. In den letzten Jahren wird von einigen Herstellern auch noch die Zusatzoption der „automatischen Nachschärfung“ oder „automatischen Fokussierung“ angeboten. Technisch gesehen wird hier das Prinzip der Tomosynthese verwendet 10, 11 , um aus den vorhandenen vielen Streifenprojektionen für jeden abgebildeten Bereich mehrere Tiefenlayer zu rekonstruieren, aus denen dann entweder automatisch oder visuell vom Anwender die schärfste Abbildung selektiert wird. Da für dieses Verfahren keine zusätzliche Dosis notwendig ist, sondern die Rekonstruktionen aus dem regulären Umlauf der Panoramaschichtaufnahmen errechnet werden, ist dies für die Praxis eine interessante Neuerung. Es sind noch nicht viele wissenschaftliche Publikationen zu dieser Technik verfügbar, allerdings gibt es Hinweise, dass diese Technik für die Erkennung artifizieller Wurzelresorptionen eine signifikant höhere Sensitivität aufweist als die normale Panoramaschichtaufnahme 12 . 1 gesellschaftlicher Nutzen Patienten- Nutzen therapeutischer Impact diagnostischer Impact diagnostische Validität technische Genauigkeit Bildgebende Techniken. Wirksamkeitsstufen diagnostischer Verfahren gemäß der Einteilung nach Fryback und Thornbury (3). In den meisten Stufen werden lediglich die unteren beiden Aspekte („technische Qualität" bzw. "diagnostische Validität") erreicht bzw. untersucht. in der Implantologie beispielsweise deutliche Hinweise aus der Literatur ergeben, dass Patienten potentiell durch eine geringere Invasivität und bessere Planung der Implantation im Vorfeld von der DVT-Bildgebung profitieren, ist dies für die operative Entfernung unterer Weisheitszähne nicht der Fall. Hier zeige mehrere randomisierte doppelblinde Studien 14, 15, 16, 17, dass ein präoperatives DVT keinen Einfluss auf die intraoperativen Nervschäden oder die Operationszeit haben 18 . Leider werden dennoch, vielleicht in Unkenntnis dieser recht klaren Datenlage, bei den vorwiegend jungen Patienten und meist einfachen unteren Weisheitszähnen häufig präoperativ DVTs angefertigt, die dann für die Pati- DENTALE DIGITALE VOLUMENTOMOGRAPHIE (DVT) Als dreidimensionales Verfahren hat sich die DVT zunehmend in vielen Gebieten der Zahnheilkunde etabliert. Der international gängige Begriff „Cone Beam Computed Tomography“ zeigt die technische Zugehörigkeit zur Technik der Computertomographie CT. Tatsächlich unterscheidet sich die DVT nicht fundamental von der CT, sondern nur in der Ausführung und Hardware. Physikalisch handelt es sich um dasselbe Mess- und Bildrekonstruktionsprinzip. Die DVT wird vorwiegend genutzt in der Implantologie und der maxillofazialen Traumatologie. Aber selbstverständlich auch in der Endodontie, bei verlagerten Zähnen und anderen OP-Planungen und einigen anderen typischen Anwendungen mehr. Der aktuelle Stand der sinnvollen Indikationen wird in aktuellen Leitlinien abgebildet 4, 13 Obwohl sich 2 Nutzen von Röntgensystemen. Intraorale Tubusaufnahme der endodontisch gefüllten Zähne 14 und 16 mit Festkörper-Sensor aufgenommen.
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