36_POLITIK alles und sofort. [...] Wenn wir die Digitalisierung im Gesundheitswesen nicht umsetzen können, dann werden Konzerne, die nicht hier ansässig sind, diese Dinge übernehmen und uns zeigen wie es geht. Und möglicherweise verlieren wir dann Patientinnen und Patienten aus unserem bestehenden Gesundheitswesen. Und deswegen ist es keine Frage, ob Digitalisierung ja oder nein, denn wir wollen keine Konzernstrukturen schaffen. Dazu gehört im Übrigen auch der Erhalt der Freiberuflichkeit als eines der wichtigsten Ziele im Gesundheitswesen. ZBW_5-6/2022 www.zahnaerzteblatt.de » Die letzten zwei Jahre waren eine schwierige Situation und ich war unwahrscheinlich beeindruckt davon, wie Sie sich diesem Thema gestellt haben. Und Sie haben ja einen Beruf, der beim Thema Corona nicht ganz risikolos ist, aber Sie haben die Versorgung aufrechterhalten.« Jochen Haußmann MdL Dr. Torsten Tomppert: [...] Erhalt der Dualität-, ich springe eben auf die erste Frage zurück, ist sehr gut. Sowohl ich da manchmal auch meine Zweifel habe, vor allem bei Nacht, weil die PKVen im Moment sehr sperrig sind.[...] Ich erinnere an dieser Stelle an unsere Privatgebührenordnung, die aktuell ihren 34. Geburtstag feiert, manche sagen auch den 57. Und das ist natürlich ein Unding. Wir wissen, dass wir erhöhen müssten, aber wir haben keine Lust, das zu zahlen. Wenn ich sieben Prozent Inflation in der Spitze sehe, vielleicht fünf im Durchschnitt und zudem die Hygieneanforderungen, zu denen die PKV zwar einen Zuschlag gezahlt hat, der aber im März ausgelaufen ist, dann finde ich das eine ganz schwierige Geschichte. [...] Stichwort TI, beziehungsweise digitaler Workflow in der Praxis. Natürlich wollen wir da hin, um unsere so oft postulierte Spitzenposition in Europa zu halten. Dieser kostet richtig Geld und muss deshalb auch eine echte Erleichterung für uns bringen. [...] Jetzt kommt ja der Konnektor 2.0, die Online Lösung ist schon in der Pipeline. Und die Kollegen leiden gewaltig darunter, weil wir eben auch keine ITler sind. Daher muss man Firmen beauftragen, die das alles für einen umsetzen und das kostet dann wieder richtig Geld. Digitalisierung ja, aber ich bin der Meinung, mit Augenmaß. Dr. Ute Maier: [...] Im Bereich TI ist das BMG in der Gematik mit 51 Prozent beteiligt. Sie haben das argumentativ dahingehend aufbereitet, dass die Selbstverwaltung selber nicht in der Lage sei, die Dinge entsprechend schnell und zielgerichtet umzusetzen. Ich muss allerdings sagen, dass seit das BMG die Mehrheit hat und auch unter der aktuellen politischen Führung, sich auf diesem Feld nicht gerade viel geändert hat. [...] Viele der TI-Anwendungen mussten verschoben werden, weil die Voraussetzungen an den verschiedensten Stellen überhaupt nicht vorhanden waren. Und dann wurden die Zahnarztpraxen teilweise dafür in Haftung genommen, weil sie eine Vorgabe nicht umsetzten, die gar nicht umzusetzen war. [...] Daher an dieser Stelle meine Bitte um Unterstützung in diesen Bereichen, denn für die Kollegenschaft draußen ist es teilweise unerträglich. [...] Ich denke, wir haben da wirklich Handlungsbedarf und ich habe das auch bereits in Richtung Gesundheitsminister formuliert. Cornelia Schwarz: Welche weiteren gesundheitspolitischen Aspekte stehen denn aktuell auf der Agenda der FDP? Wir haben vorher die Bundesebene gestreift. Wie sieht es im Land aus? Wir haben aktuell noch die Enquete- Kommission. Wir als FDP-Landtagsfraktion hätten gerne noch etwas stärker den Blick auf eine Analyse der Coronasituation gerichtet. [...] Wir haben mit 12 Millionen Euro Bundesgelder Strukturen geschaffen, damit wir hier in Deutschland stabil sind. Im Moment entwickelt sich die Situation jedoch dahingehend, dass durch Ausschreibungen günstigere Hersteller im Ausland wieder die Nase vorne haben. Hier versprechen wir uns, dass wir resilienter werden. Der Pandemie-Plan gehört dazu, ebenso der öffentliche Gesundheitsdienst. Wir alle wissen, welche Bedeutung der öffentliche Gesundheitsdienst beispielsweise für die Zahnpflege hatte und hat. Und das ist in den letzten Jahren nicht mehr in dieser Form vorgenommen worden. Also wir müssen den öffentlichen Gesundheitsdienst entsprechend stärken. [...] Wir haben Bereiche unserer klinischen Versorgung, ich nenne es durchaus auch Herausforderungen, wo wir uns als FDP schon lange wünschen, dass wir die Dinge nicht von Landkreis zu Landkreis optimieren, sondern dass wir unseren Blick etwas weiter nach vorne werfen. [...] In vielen Bereichen des Gesundheitswesens besteht Handlungsbedarf – von den Apotheken bis zur Zahnärzteschaft, über die Heilmittelerbringer in den klinischen Bereich bis hin zu Pflegeheimen. Hier werden wir uns die nächsten zwei Jahre einsetzen und unsere Ideen mit einbringen und auch in der Enquete-Kommission intensiv darüber diskutieren. Dr. Torsten Tomppert: [...] Zum Stichwort Prüfbürokratie [...] Also die Begehungen haben jetzt wieder volle Fahrt aufgenommen. Zunächst war ich sehr erstaunt, denn ich dachte, das sei deutscher Goldstandard, aber leider musste ich feststellen, dass es baden-württembergischer Goldstandard ist. [...] Diese nicht anlassbezogenen Begehungen schaffen nicht nur Unmut, sie sind wirklich zu hinterfragen. Sollte es anlassbezogen sein, wenn etwas nicht stimmt, dann ist das keine Diskussion. Aber ich meine, Frau Dr. Maier und ich kommen politisch ja ebenfalls durch die Praxen und der Standard ist, ich sage mal, erschreckend hoch. [...] Aber dies ist ein Thema, bei dem ich denke, das wäre gelebte Entbürokratisierung, wenn nur noch anlassbezogen begangen werden würde. Das wäre mein Wunsch. Cornelia Schwarz: Herr Haußmann, Sie hatten vorhin bereits die flächendeckende Versorgung angesprochen. Sollte man eine gute flächendeckende medizinische Versorgung wollen, so muss man diese entsprechend steuern. Auf der Homepage der Bundes-FDP wird dieser Wunsch ebenfalls formuliert [...] Welche Ansätze zur Umsetzung hat die FDP zu diesem Thema konkret? [...] Wir alle wissen, es gibt kein Patentrezept, bei dem wir sagen können, wenn wir jetzt das machen, dann haben wir das
ZBW_5-6/2022 www.zahnaerzteblatt.de 37_POLITIK gelöst. [...] Wir sehen die Möglichkeit, von Landesseite des Förderprogramms Landärzte ein Stückweit weiterzuentwickeln, auch neue Angebotsformen zu schaffen. Im ärztlichen Bereich [...] haben wir die Tendenz zu verstärkter Teilzeit und verstärkter Anstellung. Das heißt, ich brauche neue Angebotsformen, um die Möglichkeit auch zu bieten. Nach unserem Wunsch sollten das nach Möglichkeit in erster Linie Formen sein, die von Ärztinnen und Ärzten geleitet werden. Wenn wir jetzt an Ärztehäuser oder andere Modelle denken, wäre das der erste Schritt. Wir erleben im klinischen Bereich die Weiterentwicklung von MVZ aus Krankenhäusern heraus. Ich glaube, dass dies ein wichtiger Bereich ist, bei dem wir Modellprojekte noch stärker unterstützen, damit neue Angebotsstrukturen möglich sind. Weil wir eben leider nicht überall, so wie wir es gewohnt sind, wir es kennen und auch schätzen, die Einzelpraxen so sicherstellen können. Was wir abgelehnt haben ist die sogenannte Landarztquote. [...] [...] Cornelia Schwarz: [...] Stichwort: Prävention. Unterstützen Sie den Gedanken, das tägliches Zähneputzen mit fluoridierter Zahnpasta in Kindergärten, Kitas und Grundschulen verbindlich im Kinderschutzgesetz des Landes Baden- Württemberg zu verankern? Das ist ein Thema, das bereits auf der Gesundheitsministerkonferenz thematisiert wurde. Für uns wäre es hier wichtig zu hinterfragen, inwieweit diese Empfehlung, die aus der Konferenz heraus entwickelt wurde, bereits in Baden-Württemberg übernommen wurde. Natürlich stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob wir das Thema breiter aufstellen und wie wir zum Beispiel mit Schulkindergärten und Horteinrichtungen umgehen. Gerade dort wäre es natürlich sinnvoll, die Zahnhygiene in den Blick zu nehmen. Wir könnten uns vorstellen, das Thema gemeinsam mit unserem Arbeitskreis Bildung aufzugreifen und die Situationen in Baden-Württemberg einmal genauer in den Blick zu nehmen. Nicht zu unterschätzen ist dabei, dass es im Augenblick einen enormen Fachkräftemangel in diesem Bereich gibt. Es hilft ja nicht, wenn ein solches Thema gesetzlich verankert wird und es dann nicht richtig umgesetzt oder finanziert werden kann. [...] Kommunikation. Es gibt vielfältige Formate, Tools und Methoden, um den Austausch auch im digitalen Raum zu gestalten und virtuelle Begegnungen zu ermöglichen. Dr. Torsten Tomppert: [...] Wir befürchten tatsächlich, dass sich die Werte verschlechtert haben, die natürlich bis vor Corona noch hervorragend waren. Da geht es zum einen um die Fluoridierung, und zum anderen um das regelmäßige Zähneputzen in Kindergärten und Schulen. [...] Uns geht es darum, dass wir bestimmte Kinder und Jugendliche durch dieses Implementierung erreichen, die wir sonst nicht erreichen würden. Das ist das, worum es uns in dieser Geschichte geht. Dr. Ute Maier: [...] Es wurden ja auch die Früherkennungsuntersuchungen in den vertragszahnärztlichen Bereich aufgenommen. Und dabei hat man natürlich gesehen, dass es 2020, bedingt durch Corona, einen Einbruch gab. Wir haben aber auch gesehen, dass es sich 2021 wieder normalisiert beziehungsweise wieder zugenommen hat. Das heißt, was im Bereich LAGZ und der Gruppenprophylaxe nicht durchführbar war, konnte sowohl 2020 und 2021 durch die niedergelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzte etwas aufgefangen werden. [...] Auf Bundesebene wird im gemeinsamen Bundesausschuss angestrebt, dass man die Kinderuntersuchungshefte zusammenführt. Also das zahnärztliche und das ärztliche Untersuchungsheft, wovon ich mir verspreche, dass man dann alles in einem dokumentiert hat und mit gegenseitigen Verweisen, nochmals mehr erreicht. Aber trotzdem und unabhängig davon wäre ein zweigleisiger Ansatz der Königsweg. [...] Cornelia Schwarz: [...] Über die Details einer Entbürokratisierung wird nur gestritten, nichts aber entschieden. Wo sehen Sie einen wirklichen Ansatz, um Praxen zu entlasten? [...] Das Thema Begehungen wäre für mich so ein Beispiel, bei dem man vom Sozialministerium her ansetzen könnte. [...] Neben Bürokratieabbau spielt auch das Thema des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit mittlerweile eine Rolle. Wir sind gerade mit unserem Bundesfachausschuss Gesundheit daran, einen Antrag vorzubereiten, der das Thema Nachhaltigkeit im Gesundheitsbereich unter die Lupe nimmt. [...] Aktuell haben wir als FDP-Landtagsfraktion eine Aktion, die sich „Bürokratieabbau jetzt“ nennt. Dabei fragen wir ganz konkret ab, wo es Dinge gibt, die man angehen könnte. Hierzu freuen wir uns über Rückmeldungen, die wir gerne prüfen und aufgreifen. [...] An dieser Stelle passt es gut, dass ich im Namen unserer Fraktion allen Zahnärztinnen und Zahnärzten danke. Die letzten zwei Jahre waren eine schwierige Situation und ich war unwahrscheinlich beeindruckt davon, wie Zahnärztinnen und Zahnärzte sich diesem Thema gestellt haben. Und Sie haben ja einen Beruf, der beim Thema Corona nicht ganz risikolos ist, aber Sie haben die Versorgung aufrechterhalten. Sie haben dafür gesorgt, dass man weiterhin alle Untersuchungen wahrnehmen konnte. Und dies mit einer Selbstverständlichkeit, die eben aus unserer Sicht alles andere als selbstverständlich war. [...] INFO Das Dialoggespräch ist im Textumfang gekürzt. Die gekürzten Stellen haben wir gekennzeichnet: [...]. Sie finden die Dialoggespräche in vollem Wortlaut unter www.izzbw.de/ im-dialog.
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