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Digitalisierung in der Zahnmedizin

Ausgabe 5-6/2022

28_BERUFSPOLITIK

28_BERUFSPOLITIK ZBW_5-6/2022 www.zahnaerzteblatt.de Vertreterversammlung der BZK Tübingen CHANCEN UND RISIKEN VON ZAHNÄRZTLICHEN MVZ In der Zahnärzteschaft gibt es in Bezug auf die steigende Zahl der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) – insbesondere mit Fremdinvestoren – viele kritische Stimmen. Um diese Thematik im Blick auf die Praxisabgabe zu diskutieren, trafen sich die Delegierten der BZK Tübingen Anfang April in Friedrichshafen zur Vertreterversammlung. Ass. jur. Jochen Herion, KZV BW, BD Freiburg, präsentierte in seinem Vortrag Zahlen und Fakten und gab wertvolle Einblicke. Der Bürgermeister der Stadt Friedrichshafen Andreas Köster beleuchtete in seiner Begrüßung die Entwicklung im Bereich der zahnärztlichen Versorgung kritisch und hob hervor, dass diese sich durch die aktuelle geopolitische Situation noch verschärft habe. Dennoch zeigte er sich zuversichtlich, dass auch diese Herausforderung gestemmt werden könne. Dr. Wilfried Forschner, Vorsitzender der BZK Tübingen, berichtete in seiner Einführung, dass derzeit viele in der Kollegenschaft vor der Frage ständen, an wen sie ihre Praxis abgeben sollen. Es bestehe eine Vielzahl von Möglichkeiten, oftmals sei es jedoch schwierig jemand zu finden, der die Praxis übernimmt, weshalb der Trend zum Verkauf an Investoren zunehme. Insbesondere im ländlichen Raum gestalte sich die Praxisübergabe problematisch. MVZ-ZULASSUNGEN Jochen Herion lieferte ausführliche Zahlen und Fakten zur Entwicklung der MVZ. Mittlerweile gebe es in Baden-Württemberg 200 MVZ. Davon seien 55 MVZ durch Investoren getragen (IMVZ). Bundesweit seien es 1289 MVZ, davon 351 IMVZ. Mehr denn je sei der zahnärztliche Bereich ein sicherer Hafen für Investoren. Diese sind insbesondere in den Ballungsgebieten Stuttgart, Karlsruhe und Mannheim zu finden. Bis zum Inkrafttreten des Terminservice- und Versorgungsgesetz im Jahr 2019 sei der Trend besonders stark gewesen, danach haben die Regulierungsmaßnahmen die Neugründungen eingedämmt, so Herion. Bundesweit gebe es 14 Investorengruppen, sogenannte Private- Equity-Gesellschaften. Mit Abstand die größte sei die Jacobs Holding AG, die mit mehr als 800 Zahnarztpraxen in 11 europäischen Ländern vertreten sei. Sie besitze 73 MVZ in Deutschland, davon 19 in Baden-Württemberg. Weitere seien Zahneins mit 72 MVZ in Deutschland, davon 10 in Baden-Württemberg, Acura mit 9 MVZ in Baden-Württemberg und 65 bundesweit, Pai Partners aus Frankreich sowie Investcorp, eine Private-Equity-Gesellschaft aus Bahrein. PRAXISÜBERGABE Im Vorfeld einer Praxisübergabe an ein IMVZ finde eine Due-Diligence-Prüfung statt, erläuterte Herion, bei der Aspekte wie Hygiene und Compliance überprüft werden. Beim Verkauf der Praxis an Investorengesellschaften sei mit einem höheren Preis zu rechnen, dieser könne das 2,5- bis 6-fache betragen. Mit der Übernahme sei immer eine weitere Tätigkeit im Anstellungsverhältnis verbunden, die vertraglich über einen Zeitraum von mindestens drei, häufig auch vier oder fünf Jahren festgelegt sei. Marketing, Abrechnung und Verwaltungsaufgaben werden von der Investorengesellschaft übernommen. Nach dem Verkauf erfolge eine Umsatzbeteiligung und bei Überschreitung des vorher festgelegten Referenzwerts seien Bonuszahlungen fällig. Gesellschaftliche Entwicklungen. „MVZ haben den Vorteil der Berufsausübung im Angestelltenverhältnis“, so Jochen Herion. ZAHNÄRZTLICHE MVZ Die Gründung eines MVZ ist laut Herion attraktiv für alle, die expandieren wollen. Vorteile seien ein höheres Optimierungspotential, die Erweiterung der Standorte und die Anstellung weiteren Personals sowie Synergieeffekte im Blick auf Fixkosten, Personal, Verwaltung, Qualitätsmanagement und Hygiene. Allerdings könne der spätere Verkauf an eine Kollegin oder einen Kollegen aufgrund der Praxisgröße scheitern und auch an Investoren aufgrund der Quote, die nicht ausreichend Gewinn zulasse. Darüber hinaus bestehe immer die Gefahr von unvorhergesehenen rechtlichen Beschränkungen wie der Wegfall von steuerlichen Vorteilen, die die Anstellung in einem MVZ unattraktiv machen. VERSORGUNGSSTRUKTUR Versorgungspolitisch sei vor allem problematisch, dass Angestellte in MVZ renditeorientiert arbeiten, was häufig die Therapieentscheidungen beeinflusse. Dies gehe häufig mit mangelnder Transparenz einher. Die MVZ tragen nicht zur flächendeckenden Versorgung bei, da sie sich auf Ballungsräume konzentrierten, wo sie mit örtlichen Praxen in Konkurrenz treten und diese verdrängen. Einig waren sich die Delegierten abschließend darüber, dass der Erhalt der Freiberuflichkeit unabdingbar sei und die Kollegenschaft motiviert werden sollte, dies bei der Praxisabgabe zu bedenken und die Praxis nicht an eine Investmentgesellschaft abzugeben. Gabriele Billischek Foto: G. Billischek

ZBW_5-6/2022 www.zahnaerzteblatt.de 29_BERUFSPOLITIK Neue Niederlassungsberatung der LZK BW EIGENE PRAXIS: STIMMT DIE RICHTUNG? Viele frisch Approbierte haben nach dem Studium ähnliche Fragen wie Alice im Wunderland, die sich ratsuchend an die Katze wendet: „Würdest du mir bitte sagen, wie ich von hier aus weitergehen soll?“ „Das hängt zum großen Teil davon ab, wohin du möchtest“, antwortet die Katze. Die Antwort ist natürlich richtig, aber anders als die Katze steht die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg ihren jungen Mitgliedern mit Rat und Tat zur Seite. Eine wertvolle Hilfe beim Start in die eigene Praxis ist die neue Niederlassungsberatung. Kammermitgliedern mit Niederlassungswunsch bietet die LZK BW vielfältige Informationen und Hilfen. Dabei spielt es keine Rolle, wann der Schritt in die eigene Praxis ansteht – ob gleich nach dem Studium oder später auf dem beruflichen Lebensweg. Eine hilfreiche Zusammenstellung für Studierende, junge und angestellte Kammermitglieder stellt die LZK auf ihrer Webseite bereit. Neu im Angebot ist die Niederlassungsberatung, die es in zwei Varianten gibt. ALLGEMEINE BERATUNG Die allgemeine kostenlose Beratung besteht in einem ersten Gespräch mit Lotsenfunktion, das online oder in Präsenz stattfindet. Dabei wird gemeinsam der aktuelle Stand auf dem individuellen Karriereweg ermittelt: Wo stehe ich jetzt und wo sehe ich mich in zehn Jahren? Was muss ich heute dafür tun? Mit welchen Kosten muss ich rechnen? Unter Beachtung solcher Überlegungen werden gemeinsam wichtige Schritte in Richtung auf das Ziel definiert, zeitlich strukturiert und geplant. So erhalten angehende Praxisinhaberinnen und -inhaber einen strukturierten Überblick zum Niederlassungsmanagement. INDIVIDUELLE BERATUNG Am konkreten Einzelfall ausgerichtet ist die individuelle Niederlassungsberatung, die von der Abteilung Studierende, junge und angestellte Kammermitglieder organisiert wird. Gemeinsam wird der individuelle Niederlassungswunsch besprochen und auf Denkfehler und Fallstricke geprüft. Abhängig vom Planungsstand stehen dabei Mitarbeiter aller Abteilungen der Landeszahnärztekammer mit ihrem umfangreichen Fachwissen zur Seite. Eine Einbindung von externen Unternehmen wie Depots, Qualitätsmanagement-Berater, Dental-Fachplaner oder Schreiner ist nicht möglich, was sich dafür positiv auf die Kosten für die individuelle Niederlassungsberatung auswirkt. Adobe Stock/AustralianImages.com 1000 Fragen. Eine strukturierte Bedarfsplanung erleichtert vieles – vor allem wenn es um langfristige Entscheidungen geht. ZAHNÄRZTLICHE SICHT Natürlich fließt auch die zahnärztliche Perspektive in die individuelle Beratung ein, da bei den Gesprächen auch niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte teilnehmen. Auf der Grundlage ihrer Erfahrungen berichten sie aus dem Praxisalltag und tragen so dazu bei, ein realistisches Bild der Tätigkeit in eigener Praxis zu zeichnen. Gerade die direkte Kommunikation zwischen Berufsanfängerinnen und -anfängern und erfahrenen Praxisinhaberinnen und -inhabern kann dazu beitragen, vermutete oder bestehende Risiken realistischer zu bewerten. Nicht zuletzt werden im interkollegialen Gespräch die eigenen Wünsche und Visionen besser greifbar und oft auch gefestigt, was einen wertvollen Beitrag zum Gelingen des Niederlassungsvorhabens darstellen kann. INFO Kerstin Sigle Das Dienstleistungsangebot der LZK BW für Praxisgründerinnen und -gründer sowie die Beauftragung für eine Niederlassungsberatung finden sich auf der Webseite der LZK BW: https://lzk-bw.de/ zahnaerzte/junge-und-angestellte-kammermitglieder/niederlassungsberatung

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