20_TITELTHEMA ZBW_5-6/2022 www.zahnaerzteblatt.de Zahnmedizinische Patientenberatungsstelle SO LEICHT WIE WHATSAPP „Ich fühle mich, als ob Sie mir gegenübersitzen“, sagt Ulrike Hackenberg. Ihr gegenüber sitzt tatsächlich Dr. Konrad Bühler – allerdings am Bildschirm in der Zahnmedizinischen Patientenberatungsstelle (ZPB) im Zahnärztehaus Stuttgart. Vor einigen Wochen hat Ulrike Hackenberg die Rufnummer 0800 1424340 gewählt. Sie möchte eine fachlich fundierte zweite Meinung zur Behandlungsplanung ihres Zahnarztes einholen. „Dann hat die Leiterin der Patientenberatungsstelle, Simone Khawaja, mir angeboten, dass die Beratung online stattfindet – das Angebot habe ich gerne angenommen, weil es eine enorme Zeitersparnis für mich bedeutet, nicht nach Stuttgart ins Zahnärztehaus fahren zu müssen“. Neu. Seit Januar haben Ratsuchende die Möglichkeit einer Online-Beratung. Die Möglichkeit für eine Online-Beratung bei der Zahnmedizinischen Patientenberatungsstelle Baden-Württemberg gibt es seit 1. Januar 2022. „Seit 2017 möchten wir im Verwaltungsrat das Projekt realisieren“, erzählt Dr. Konrad Bühler, Verwaltungsratsvorsitzender der Zahnmedizinischen Patientenberatungsstelle, „aber die Herausforderungen waren ähnlich groß wie bei der Einführung der elektronischen bundeseinheitlichen Dokumentation“. Die Coronapandemie hat die Einführung des Projektes dann jedoch beschleunigt, da die Beratungen in den Zahnärztehäusern ausgesetzt und die Beratungszahnärztinnen und -zahnärzte die telefonischen Beratungen in ihren Praxen durchgeführt haben. Da die Zweitmeinungsberatungsstellen im gesamten Bundesland verteilt sind, mussten die Ratsuchenden große Strecken zurücklegen, wenn sie eine individuelle Beratung in Anspruch nehmen wollten. „Die Ratsuchenden haben wiederholt bei uns angefragt, warum wir keine Videoberatung anbieten“, berichtet Simone Khawaja. UPLOAD ÜBER DIE CHAT-FUNKTION „Ich bin heute Ihr Beratungszahnarzt“, begrüßt Dr. Bühler Ulrike Hackenberg am PC, „ich freue mich, dass Sie mutig genug waren für die Videoberatung“. Sein Gesicht ist klein im rechten oberen Rand des Bildschirms zu sehen. Groß im Bild ist Ulrike Hackenberg. Sie schildert ihren Fall und berichtet über die Planung ihres Zahnarztes. „Haben Sie Röntgenbilder“, fragt Dr. Bühler und erläutert, wie die Dokumente über die Chat-Funktion des Programms hochgeladen werden können. Es dauert nur wenige Sekunden, dann sieht Dr. Bühler zahlreiche Dokumente auf der rechten Seite seines Bildschirms. Er klickt auf das erste Bild und die Panoramaschichtaufnahme erscheint bildschirmfüllend. Das Bild von Ulrike Hackenberg verschwindet und es ist nur noch ihre Stimme zu hören. Dr. Bühler schaut sich das OPG genau an: „Die Entzündung ist sehr weit fortgeschritten, der Zahn muss definitiv entfernt werden und kann entweder durch ein Implantat oder mit einer Brücke versorgt werden. Ich rate Ihnen, in keinem Fall in der gleichen Sitzung den Zahn entfernen zu lassen und das Implantat zu setzen“. Dr. Bühler trägt seine Beurteilung in ruhigem und sachlichem Ton vor, sie deckt sich mit der Planung des Behandlers von Ulrike Hackenberg. Ulrike Hackenberg ist gut vorbereitet und sie hat mehrere Nachfragen: „Habe ich dann eine Zahnlücke, wenn der Zahn entfernt wird? Wie sieht es mit den Kosten der Versorgung und der Haltbarkeit der beiden Versorgungsalternativen aus?“ ZERTIFIZIERTER VIDEODIENST- ANBIETER Telemedizinische Leistungen und Videosprechstunden sind mittlerweile in Deutschland für alle Krankheitsbilder geöffnet. Die Ärzte sammeln bereits seit 2017 Erfahrungen mit der Telemedizin. Seit 2019 können neben Haus- und Fachärzten auch Psychotherapeuten ihren Patienten eine Fernbehandlung anbieten. Im Oktober 2020 haben dann auch die Zahnärzte nachgezogen. Um eine Videoberatung anbieten zu können, müssen zertifizierte Videodienstleister genutzt werden. Sie sorgen für einen reibungslosen und sicheren technischen Ablauf der Videosprechstunde. Die KZBV führt auf ihrer Homepage
ZBW_5-6/2022 www.zahnaerzteblatt.de 21_TITELTHEMA Upload. Röntgenbilder und andere Dokumente können in der webbasierten Anwendung über die Chat-Funktion hochgeladen werden. Blickdiagnostik. Ein Blick genügt um eine Faltenzunge zu erkennen. Fotos: A. Mader eine Liste der Anbieter, die ein gültiges Zertifikat vorgelegt haben. Der Anbieter, für den sich der Verwaltungsrat der Patientenberatungsstelle schlussendlich entschieden hat, ist nach den KBV-Richtlinien zertifiziert, DSGVO-konform, trägt das ips-Gütesigel der Datenschutz cert GmbH und wird in Deutschland entwickelt und gehostet. „Die Entscheidungsfindung wurde uns sehr erleichtert durch die umfangreichen Vorarbeiten von Dr. Bach und den sehr hilfreichen Tipp von Dr. Tomppert“, betont Dr. Bühler. „Entscheidend war dann darüber hinaus für uns, dass das Programm anwenderfreundlich sowohl für unsere Beratenden als auch für unsere Ratsuchenden ist“, berichtet Dr. Bühler weiter und ergänzt „das funktioniert so einfach wie WhatsApp!“. Die Anwendung ist webbasiert und kann von jedem Endgerät gestartet werden. PC, Laptop, Tablet oder Mobiltelefon – vorausgesetzt, das Gerät hat eine Kamera, Mikrofon und Lautsprecher oder Kopfhörer. Ruft eine Patientin oder ein Patient in der Patientenberatungsstelle bei Simone Khawaja oder ihrer Mitarbeiterin Janine Weise an und bittet um einen individuellen Beratungstermin, kann er oder sie entscheiden, ob der Termin persönlich stattfindet oder als Online-Beratung. „Selbstverständlich filtern wir im Vorfeld, welche Patienten für eine Online-Beratung in Frage kommen“, ergänzt Simone Khawaja, „je konkreter die Fragestellung und umso umfangreicher die Unterlagen, desto eher ist der Ratsuchende für eine Online-Beratung geeignet“. Wer sich für die Online-Beratung entscheidet, erhält im Vorfeld der Videoberatung eine E-Mail-Einladung, in der sich alle Informationen und der Zugangslink für den vereinbarten Termin befinden. KOMPLETT HARMLOS Auch Ulrike Hackenberg hat den Zugangslink angeklickt und hat dann im virtuellen Wartezimmer gewartet bis sich ihr Beratungszahnarzt zugeschaltet hat. Gleich zu Beginn der Beratung hat sie angekündigt, dass sie mehrere Fragen mit Dr. Bühler im Beratungsgespräch erörtern möchte. „Ich habe Veränderungen an meiner Zunge festgestellt, sie ist an den Rändern eingedrückt, rissig und hat viele Furchen. Jetzt habe ich große Angst, dass das Mundschleimhaut-Krebs ist“. Dr. Bühler öffnet ein weiteres Dokument, das von Ulrike Hackenberg upgeloaded wurde. Dr. Bühler genügt ein kurzer Blick: „Das ist nicht besorgniserregend“, gibt er Entwarnung. „Sie pressen die Zunge an die Zähne und Sie haben eine Faltenzunge, das ist komplett harmlos – möglicherweise hatten Sie auch einen kleinen Infekt, aber alles nichts, was uns Sorgen bereiten müsste!“ WIEDER GANZ VORNE Aktuell befindet sich das neue Serviceangebot der Patientenberatungsstelle in einer Testphase mit zwei Beratungszahnärzten, dem stv. Verwaltungsratsvorsitzenden Dr. Georg Bach und Dr. Jochen Oswald. Langfristig plant der Verwaltungsrat jedoch, dass weitere Beratungszahnärztinnen und -zahnärzte in Baden- Württemberg mit der Anwendung des Anbieters vertraut gemacht werden und eine Schulung erhalten. „In der Testphase hat uns der Anbieter eine kostenfreie Lizenz zur Verfügung gestellt, die von bis zu zehn Beratern genutzt werden kann. In der Folge würden wir dann unsere Lizenzen erweitern“, erläutert Dr. Bühler. Baden-Württemberg ist die erste Patientenberatungsstelle im gesamten Bundesgebiet, die die Videoberatung anbietet. „Wir sind mal wieder vorne dran“, betont Dr. Bühler und kann seinen Stolz nur schwer verbergen. „Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich dem Verwaltungsrat und den beiden Trägern der Patientenberatungsstelle – KZV und LZK – für ihre Unterstützung und ihre Begleitung danken.“ POTENTIAL Konrad Bühler sieht in der Telemedizin und der Videoberatung enormes Potential für die Zukunft. „Ich muss unumwunden zugeben, ich habe meine ursprünglich konservativ-skeptische Meinung komplett geändert.“ Dr. Bühler sieht zum einen Ansätze in der zugehenden Betreuung und als Kooperationszahnarzt wird er demnächst auf die Heimleitung der von ihm betreuten Einrichtung zugehen und ein Videokonsil vorschlagen. „Auch Fall- und Kostenbesprechungen in der Praxis ließen sich ohne Probleme online machen“, ist er überzeugt. In diesem Fall müssten sich die Zahnärzte nur selbst um die Lizenz kümmern. ZUFRIEDEN Ulrike Hackenberg ist vollauf zufrieden mit ihrer ersten Online-Beratung. „Zum ersten Mal eine Beratung bei der Zahnmedizinischen Patientenberatungsstelle und zum ersten Mal online – also, wenn das demnächst von einem meiner Fachärzte angeboten wird, nehme ich das in jedem Fall in Anspruch.“ Andrea Mader
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