44 Einer von uns Hubert Rapp wurde vom Halbgott in Weiß zum König der Autobahn Immer auf Achse Mit 54 Jahren hatte der Zahnarzt Hubert Rapp einen Herzinfarkt und schloss seine Praxis. Sechs Jahre später erfüllte er sich einen Lebenstraum und wurde Brummifahrer. Er kaufte sich eine Zugmaschine und transportierte flüssige Lebensmittel quer durch Europa. Check. Im Fahrerhaus seiner eigenen Zugmaschine kontrolliert Hubert Rapp noch einmal die Route und checkt die Papiere, bevor es losgeht. Zeitmanagement und das Einhalten der Ruhephasen spielen eine wichtige Rolle im Job als Brummifahrer. Es gab eine Zeit, da konnte sich Hubert Rapp keinen schöneren Ort vorstellen als das Bett in seiner Lastwagenkabine, vor allem, wenn der Regen aufs Dach trommelte. Damals spürte er dieses Gefühl von Freiheit trotz des beengten Raums. Es war noch stärker, als er auf seinen Sitz im Fahrerhaus kletterte, einen hydraulisch verstellbaren Thron, 2,80 Meter über der Straße, die wechselnde Landschaft neben sich. Sechs Jahre lang war der heute 69-Jährige als Brummifahrer unterwegs. 2010, in einem Alter, in dem andere erste Gedanken an die Frühpensionierung wagen, hat Hubert Rapp noch mal ganz neu angefangen: Er gründete ein eigenes Transportunternehmen, kaufte eine Zugmaschine und mietete sich einen 30.000-Liter-Tankanhänger, um fortan flüssige Lebensmittel durch Europa zu fahren: Wein aus Spanien oder Sizilien brachte er nach Schweden, Apfelsaft vom Bodensee nach Schottland oder Sahne aus dem Allgäu nach Griechenland. Kehrtwende nach Herzinfarkt. Die eigentliche Kehrtwende in seinem Leben vollzog sich allerdings schon 2005, als der praktizierende Zahnarzt durch einen Herzinfarkt aus heiterem Himmel aus der Bahn geworfen wurde. Davor hatte er jahrelang in seiner Praxis in seinem Heimatort Sulgen, einem Stadtteil von Schramberg gearbei- tet. Hier kennt jeder jeden, und die Patienten lagen dem Schwarzwälder sehr am Herzen. „Zu sehr, denn ich habe die Arbeit im Kopf auch immer mit nach Hause genommen. Das tat mir nicht gut“, sagt Hubert Rapp im Rückblick. Er entschied sich zu einem radikalen Schnitt und verkaufte seine Praxis und erholte sich zunächst beim Motorradfahren. Hubert Rapp sitzt bei einer Tasse Kaffee in seinem lichtdurchfluteten Wintergarten und blickt auf ein bewegtes Leben zurück, das er gerne mit den drei Worten beschreibt: Immer auf Achse. Der Mann mit den wachen blauen Augen stammt aus einfachen Verhältnissen – der Vater war Seiler und brannte Schnaps in Sulgen. Hubert Rapp besuchte das Gymnasium und hatte einen Traum: Er wollte Zahnarzt werden. Doch sein Abiturschnitt war zu schlecht. Deshalb ging er erst vier Jahre zur Bundeswehr und arbeitete dann noch zwei Jahre im Betrieb des Vaters. 1976 erhielt er dann die Zulassung für das Studium. Nach dem Abschluss an der Uni zog es ihn aber nicht gleich in eine Praxis, sondern hinaus in die Welt. „Ich musste mal raus aus der heimischen Idylle“, sagt er. Ein Ziel seiner zweijährigen Weltreise war u. a. Peru. In Lima lernte er seine heutige Frau Judy kennen. Die beiden haben zwei erwachsene Kinder. Sie unterstützte ihn auch bei der Umsetzung seines Lebenstraums. Rapp konnte es sich nämlich nicht vorstellen, nach seinem Abschied vom Zahnarztjob nicht mehr zu arbeiten. Ein Herzchirurg als Vorbild. Ein bisschen ließ sich Hubert Rapp von dem Schweizer Markus Studer inspirieren. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Herzchirurg hatte sich Studer seinen Lebenstraum erfüllt und wurde Lastwagenfahrer. Mit Studer machte Rapp einige Touren, holte sich Infos, ehe er sich selbst einen 40-Tonner ZBW 7/2020 www.zahnaerzteblatt.de
Einer von uns 45 kaufte. Er war also gut vorbereitet, als er umstieg. In seiner Praxis galt stets die maximale Konzentration auf einen kleinen Ausschnitt des menschlichen Körpers. Den guten Lkw-Fahrer zeichnet indes aus, dass er nach vorne schaut und das Ganze im Blick hat. Der Spätberufene lernte, mit welchen Kniffen man sich Zeit und Arbeit am Zoll erspart, und wie man Ruhe findet in diesen verqueren Rhythmen aus Einladen, Ausladen und Ruhezeiten. Er durfte nur neun Stunden am Tag fahren, nie mehr als viereinhalb Stunden am Stück, und eine neunstündige Pause war ebenfalls vorgeschrieben. „Und ab 14 Uhr hat man sich schon Gedanken gemacht, auf welchem Rastplatz man übernachten kann“, sagt Rapp. Zeitdruck kannte er als Selbständiger nicht. Seine Kollegen schon. Vor allem, wenn sie von ihren Chefs gehetzt wurden. In einen Unfall war er selbst nie verwickelt. Auf seinen Touren merkte er, dass es wichtig ist, mit Menschen umgehen zu können und sich Zeit für sie zu nehmen. Motto. Die Weltkarte hinter dem Schreibtisch in seinem Büro in Sulgen spiegelt das Lebensmotto des 69-jährigen ehemaligen Zahnmediziners wider: Immer auf Achse. Auch ohne seinen Truck ist der Weltenbummler mit seiner Frau Judy noch immer viel auf unserem Planeten unterwegs. Befüllung. Hubert Rapp hatte sich in den sechs Jahren auf Achse auf den Transport flüssiger Lebensmittel wie Wein, Sahne und Apfelsaft durch ganz Europa spezialisiert. Hier überprüft er die Befüllung des Tankanhängers, der rund 30 000 Liter fasst. Horizonterweiterung. Hubert Rapp erkannte auch, welche gewaltigen Warenströme es innerhalb Europas gibt und welche teilweise sinnlosen Strecken die flüssigen Lebensmittel zurücklegen. „Da hinterfragt man natürlich so manches, und der Job hat natürlich meinen Horizont in vielerlei Hinsicht erweitert“, erzählt Hubert Rapp. Seine Routen führten ihn nicht nur über die Autobahnen Europas – durch seine Panoramascheibe blickte er auch auf Täler, Brücken, Weinberge und die schönen Landschaften des Kontinents. Wieviele Kilometer er in den sechs Jahren zurücklegte, weiß er gar nicht. Sechs Jahre lang lebte er diesen Traum – hatte eine unwiderruflich schöne Zeit. Er suchte das Risiko, fand sein Glück und bereute den Schritt nie. Inzwischen hat er seinen Truck verkauft. Seiner Frau zuliebe erkundet er den Schwarzwald jetzt mit dem Motorrad. Doch hin und wieder ist er noch für eine Spedition unterwegs. „Es ist wie ein Virus – wenn man es einmal gemacht hat, lässt es einen nicht mehr los.“ Immer auf Entdeckungsreise. An der Wand hinter dem Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer hängt eine große Weltkarte. Rapp hat schon viele Länderpunkte gesammelt. Nicht nur als Brummifahrer. „Bei meinen Zahnarztkollegen hieß ich immer nur der Urlaubsrapp“, sagt er und lacht. 2008 reiste er in der Eignerkabine eines Frachtschiffs von Frankreich nach New York und über den Panamakanal bis nach Australien. Einige Jahre hatten die Rapps auch ein Ferienhaus in Cape Coral in Florida. Gerade kommt er mit seiner Frau von einer Mexikoreise zurück. Es gibt noch so viel zu entdecken – Japan fehlt ihm noch oder Neuseeland. Hubert Rapp wird auch weiter auf Achse sein. Elke Rutschmann Fotos: E. Rutschmann www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2020
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