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Ausgabe 7/2020

40 Im Blick 100 Jahre

40 Im Blick 100 Jahre zahnmedizinische Aus- und Fortbildung in Karlsruhe Schwere Zeiten Abbildung: Akademie Karlsruhe Auf eine 100-jährige Geschichte blickt die Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe in diesem Jahr zurück. Aus diesem Anlass erscheinen in regelmäßiger Folge Beiträge zur Geschichte dieser Lehrinstitution. Die Zeiten, die den Lehrbetrieb prägten, waren nicht immer rosig. Es gab auch schwere Zeiten – so wie wir sie auch in diesem Jahr wieder kennenlernen mussten. Schwierig wird es immer dann, wenn eine Gesellschaft in einen Ausnahmezustand gerät. Das ist in unseren Tagen durch die Coronaepidemie geschehen. Vor 100 Jahren litten die Menschen und auch das neue Lehrinstitut in Karlsruhe unter den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges, zu dessen Folgen auch die Inflation gehörte. Mit Ausdauer und Erfindungsgeist wurden diese Situationen gemeistert. Zukunft. Alle schauen etwas angespannt – ist es die Sorge um die Zukunft ihres neuen Instituts? Ein Foto aus der Frühphase des Instituts mit Direktor Emil Kimmich (Mitte vorne) im Hof der Gewerbeschule in der Steinstraße. Schon kurze Zeit nach seiner Gründung im Jahr 1920 hatte das Karlsruher Lehrinstitut mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Es war die erste Institutsgründung nach dem 1. Weltkrieg gewesen. Schon kurz darauf folgten aber Institute in Frankfurt, Kiel, Köln und München. In diesen Städten hatten sich die Gemeinderäte gegenüber den neu gegründeten Lehranstalten sehr großzügig verhalten. Karlsruhe, das sich als das Pionierinstitut betrachtete, hatte hingegen Probleme, den Dienstbetrieb zu finanzieren. Direktor Kimmich beschloss deswegen im Juli 1921 an den Stadtrat der Stadt Karlsruhe heranzutreten. Er beschrieb in einem Brief vom 21. Juli, zehn Monate nach der Institutsgründung, die Situation und bat darum, dem Institut die Räume in der Steinstraße kostenfrei zu überlassen. Als Gegenleistung bot er an, dass die Klinik die Zahnbehandlung der „Ortsarmen“ kostenfrei übernehmen könne. Er wies darauf hin, dass dies „bisher gewiss einen nicht unerheblichen Betrag jährlich erforderte.“ Als mögliche Leistungen nannte er „Zahnziehen, Zahn- und Wurzelbehandlung und Plombieren“. Zahnersatz könne die Klinik zu diesen Bedingungen nicht leisten aber es würden nur „Klinikpreise“ berechnet werden (Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe H-Reg. A2099). Er fügte diesem Brief einen Bericht über das erste Semester (Oktober 1920 bis April 1921) bei, der ausdrücken sollte, dass seine Einrichtung sehr wohl große Leistungen erbringt. 21 von 26 Institutsprüflingen hätten die staatliche Prüfung zum Dentisten bestanden. Der Institutsbetrieb war somit „nach jeder Richtung ordnungsgemäß“ (Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe H-Reg. A2099). Versuch war es wert. Leider war das Ersuchen des Direktors nach der dokumentierten Aktenlage im Stadtarchiv nicht erfolgreich. Ganz im Gegenteil. 1922 wurde die Institutsmiete von der Stadt von 1780 Reichsmark auf 4560 Reichsmark heraufgesetzt. Die Stadt Karlsruhe spürte auch die schweren Zeiten und war nicht bereit, der Institutsleitung entgegenzukommen. ZBW 7/2020 www.zahnaerzteblatt.de

Im Blick 41 Dentistenausweis. Schreiben des Ministeriums des Inneren vom 10. Oktober 1923 (Abb. 2). Abbildung: Generallandesarchiv Baden-Württemberg 236 28534 Gebühr. Beleg vom 24. Oktober 1923. Gebühr für die Ausstellung des Dentistenausweises: 1.100.000.000 Mark (Abb. 3). Abbildung: Generallandesarchiv Baden-Württemberg 236 28534 Verrückte Zeiten. Wie ging es weiter im Institut? Wirtschaftsdaten aus diesen Jahren sind nicht erhalten, aber der Bestand der Institution konnte offensichtlich gesichert werden. Das galt auch für die 1923 auf volle Touren kommende Krisenzeit der Inflation. Ein Dokument vom 10. Oktober dieses Jahres dokumentiert Zustände, die für uns unvorstellbar sind (Abb. 2). Der Dentist Oskar Regelmann aus Pforzheim hatte die Gebühr für seinen Dentistenausweis bezahlt. Von der „Steuereinnehmerei“ der Stadt Karlsruhe erhielt er seinen Beleg. Der quittierte Betrag betrug „Eine Milliarde Einhundert Millionen Mark“ (Abb. 3). Einen Monat später, am 15. November 1923, war dieser Spuk zu Ende. Die Reichsregierung führte die Rentenmark ein. Öffentlichkeit suchen. Schon kurze Zeit nach Überwindung der Inflation gelang dem Institut eine Aktion, die offensichtlich eine nachhaltige Bedeutung hatte. Es suchte die Öffentlichkeit und wählte dazu das Mittel einer öffentlichen Ausstellung mit dem Thema „Unsere Zähne“ (Abb. 4). Alle waren eingeladen: die Politik, das Fachpublikum und die interessierten Laien. Auch vonseiten der Schulen bestand lebhaftes Interesse. Für fachkundige Führung war gesorgt. Die Ausstellung öffnete am 5. September 1925 ihre Tore. Im Festakt ergriff Ausstellung. Die zahnhygienische Ausstellung „UNSERE ZÄHNE“. Anzeige in der Badischen Presse (Abb. 4). Abbildung: Badische Landesbibliothek der erste Vorsitzende des Reichsverbandes deutscher Dentisten, Herr Diebecke aus München das Wort und versicherte, sein Stand werde einen Beitrag leisten für die „Aufklärung und Belehrung unseres Volkes über den Wert und die Notwendigkeit einer vernünftigen Zahnpflege und Zahnbehandlung“ (Quelle: Karlsruher Tagblatt vom 5. September 1925). Heute benutzen wir in diesem Zusammenhang andere Worte – Intention und Ziel der Aufklärung sind jedoch erstaunlich konstant geblieben. Insgesamt machen die Wortbeiträge des damaligen Festaktes deutlich, dass es dem Institut fünf Jahre nach seiner Gründung gelungen war, in Karlsruhe „anzukommen“. In der Sprache der Zeit, hier in den Worten von Direktor Emil Kimmich, klang das so: „Wenn aber nun die Dentisten durch die- ses Vertrauen der gesetzgebenden Körperschaften als tätige Mitarbeiter in der sozialen Fürsorge anerkannt, ihre Pflicht der Allgemeinheit gegenüber restlos und einwandfrei erfüllen, dann darf ausschließlich der Wunsch und die Bitte als gerechtfertigt erscheinen, dass die maßgebenden Stellen ihnen auch den Schutz angedeihen lassen, der allein ein ruhiges und sicheres vor allem aber berufsfreudiges Arbeiten ermöglicht.“ (Quelle: Karlsruher Tagblatt vom 5. September 1925). Auch hier hätten wir vermutlich heute eine andere Wortwahl. Das zur Sprache gebrachte Anliegen ist jedoch aktuell wie eh und je. Dr. Dr. Hans Ulrich Brauer, M.A., Prof. Dr. Winfried Walther, Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe Info Den Jubiläums-Beitrag „Schwere Zeiten“ finden Sie auf der Website der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe. Scannen Sie einfach den QR-Code! www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2020

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