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Ausgabe 7/2020

38 Fortbildung Vorher.

38 Fortbildung Vorher. Fotodokumentation der intraoralen Situation vor Beginn der restaurativen Therapie. Diverse unzureichende okklusale Füllungen sowie generalisierte erosive Defekte an allen Flächen. Verlust der vertikalen Dimension mit Anpassung der Frontzahnkronen auf die reduzierte Bisshöhe (Abbildung 2). mit einem großen Substanzverlust assoziiert und sollte bei Erosionen, vor allem bei jungen Patienten, nicht zur Anwendung kommen, da die noch vorhandene Zahnhartsubstanz in der Regel kariesfrei ist. Doch nicht nur der große Verlust an gesunder Zahnhartsubstanz stellt vor allem bei jungen Menschen ein Problem dar, sondern auch die Tatsache, dass, rein statistisch gesehen, nach einem Zeitraum von etwa 20 Jahren rund fünfzig Prozent der bestehenden Restaurationen erneuert werden müssten 3 , was einen erneuten Zahnhartsubstanzverlust bedeuten würde. Eine Versorgung wird so immer schwieriger, da die verbleibende Restzahnhartsubstanz stetig geringer wird 4,5 . Bei indirekten Restaurationen, welche adhäsiv befestigt werden, entfällt zwar die retentive Präparation, jedoch benötigt die indirekte Herstellung material- und fertigungsprozessgeschuldete Mindestschichtstärken, welche oftmals trotz der adhäsiven Befestigung eine Präparation der Zähne voraussetzen. Im vorgestellten Fall wurde daher eine Entscheidung zugunsten einer direkten Bisshebung mit Komposit getroffen. Der Vorteil dieser Therapie liegt in der Möglichkeit, die Funktion und Form der Zähne minimalinvasiv, ohne weitere Substanzverluste, wiederherstellen zu können. Hinsichtlich der Kosten müssen verschiedene Aspekte gegeneinander abgewogen werden. Während indirekte Restaurationen sowohl mit Labor- als auch mit Zahnarztkosten verbunden sind, entstehen bei der direkten Methode ausschließlich Kosten auf der Zahnarztseite. Je nachdem, wie geübt der Behandler ist, müssen hier mehrere Stunden eingerechnet werden. Diese Kalkulation muss individuell je Praxis erfolgen und mit dem Patienten besprochen werden. Eine Hebung des Bisses mit Kompositmaterial kann nur bis zu einer gewissen Dimension erfolgen. Hebungen bis zu 3 oder 4 mm sind in der Regel mit gutem Erfolg zu realisieren. Darüber hinaus sind entweder Formhilfen notwendig oder die Hebung sollte mit indirekten Verfahren erfolgen. Hierbei sind aus der Literatur suffiziente Bisshebungen von bis zu 6 mm auch ohne vorherige Schienentherapie bekannt 6 . Auch wenn bei sehr ausgeprägten Defekten indirekte Restaurationen aus Vollkeramik eine sehr gute Therapieoption mit 90 Prozent 10-Jahres-Überlebensraten darstellen 7–10 , so zeigen sie jedoch auch neben den bereits genannten noch weitere Nachteile. Kompositmaterialien sind weicher als keramische und metallische Werkstoffe, zeigen ähnliche Abrasionswerte wie die Zahnhartsubstanz und verschleißen somit vergleichbar zum natürlichen Zahn. Keramische Restaurationen können hingegen am Antagonisten durchaus zu attritiven Schäden führen. Sehr dünne indirekte Restaurationen, vor allem aus Keramik, zeigen zudem eine erhöhte Frakturanfälligkeit. Daher ist die Langlebigkeit direkter adhäsiv befestigter Versorgungen aus Komposit gegenüber dünner indirekter adhäsiv befestigter Restau- ZBW 7/2020 www.zahnaerzteblatt.de

Fortbildung 39 Fotos: ZÄ Maxi Müller Nachher. Fotodokumentation der intraoralen Situation nach Abschluss der restaurativen Therapie. Wiederherstellung der vertikalen Dimension durch direkte Bisshebung um 1,5 mm. Überschichtung der bukkalen und palatinalen Defekte (Abbildung 3). rationen (bis 1,3 mm) mitunter sogar überlegen 11 . Direkte Kompositrestaurationen im Seitenzahnbereich zeigen somit bei richtiger Indikationsstellung gute Langzeitergebnisse mit Überlebensraten von über 75 Prozent für zehn Jahre und stellen eine empfehlenswerte Therapieoption im Erosionsgebiss dar 12–16 . Die Wahl des Adhäsivs stellt in diesem Zusammenhang einen weiteren wichtigen Erfolgsfaktor dar 17 . Ein Standard in der Therapie von Erosionen ist die Anwendung zinnhaltiger Präparate 18 . Zinn ist in der Lage, in die Zahnhartsubstanz inkorporiert zu werden. Dadurch verändert sich die Säurelöslichkeit der Zahnhartsubstanz. Die Therapie mit zinnhaltigen Mundhygieneprodukten hat dadurch direkten Einfluss auf die Wahl von Adhäsiven zur Verankerung von Füllungen. Während Fluoride nur einen eingeschränkten Einfluss auf die Haftkraft moderner Adhäsive haben, kann die Anreicherung von Oberflächen mit Zinn zu einer Reduktion der Haftkraft von konventionellen Adhäsiven führen. Die Haftkraft anderer Adhäsive, wie beispielsweise von Produkten mit sogenannten multifunktionalen Monomeren (MDP), kann hingegen positiv durch die Anreicherung mit Zinn beeinflusst werden. Da dem Patienten im vorliegenden Fall zinnhaltige Produkte zur symptomatischen Therapie empfohlen wurden, wurde ein MDP-haltiges Adhäsiv verwendet 19 . Insgesamt setzte der Patient die empfohlenen Ernährungsempfehlungen sowie die Empfehlungen zur symptomatischen Therapie sehr gut um. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Erosionen vor Beginn der Rehabilitation der Defekte keine Progredienz mehr zeigten, was eine wesentliche Voraussetzung für einen Langzeiterfolg darstellt. Nach der Fertigstellung aller Rekonstruktionen gewöhnte sich der Patient nach anfänglichen leichten Lautbildungsschwierigkeiten schnell an die neue intraorale Situation und war sowohl mit der Ästhetik als auch der Funktion der Restauration sehr zufrieden. Das Literaturverzeichnis finden Sie unter www.zahnaerzteblatt.de oder kann beim IZZ bestellt werden unter Tel: 0711/222966-14 oder E-Mail: info@zahnaertzeblatt.de. ZÄ Maxi Müller, Prof. Dr. Nadine Schlüter, Stiftungsprofessur für Kariesforschung, Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Department f. Zahn-, Mund- u. Kieferheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland ZÄ Maxi Müller Zahnärztin Maxi Müller, Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Universitätsklinikum Freiburg www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2020

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