28 Sonderthema Quelle: Paul-Ehrlich-Institut; Abbildung: IZZ Auswertung aller Meldungen seit 01.01.2020 Verdachtsfälle. Meldungen nach Impfungen. le durch Masern aufgetreten seien. „Insgesamt haben Impfkampagnen und die weltweite Verbesserung der Impfraten zwischen 2000 und 2015 rund 20 Millionen Menschenleben gerettet“, heißt es in dem Bericht. Interessant wäre es zudem, die Inhaltsstoffe einer Impfdosis neben den Beipackzettel eines gängigen Schmerzmittels zu stellen, das in nahezu jeder Hausapotheke zu finden ist und regelmäßig und bedenkenlos eingenommen wird. Alle Fälle Erwachsene Kinder Fälle (gesamt)* bis 31.03.2020 49.565 24.583 21.033 Fälle schwerwiegend (nach Arzneimittelgesetz) Alter Mittelwert (Jahre) und Bereich 23.419 (47,2 %) 10.824 (44,0 %) 11.426 (54,3 %) 28,2 (0,02 – 100) 47,9 (18 – 100) 5,2 (0,02 – 17) Alter Median (Jahre) 22 49 2 Geschlecht Geschlecht (keine Angaben) 4.659 (9,4 %) 1.450 (5,9 %) 2.283 (10,9 %) Geschlecht (weiblich) 27.076 (54,6 %) 15.017 (61,1 %) 10.079 (47,9 %) Geschlecht (männlich) 17.830 (36,0 %) 8.116 (33,0 %) 8.671 (41,2 %) Fallausgang Todesfälle 432 (0,9 %) 194 (0,8 %) 225 (1,1 %) bleibender Schaden 846 (1,7 %) 418 (1,7 %) 408 (1,9 %) Allgemeinzustand verbessert 2.237 (4,5 %) 1.377 (5,6 %) 745 (3,5 %) wiederhergestellt 20.863 (42,1 %) 9.073 (36,9 %) 10.700 (50,9 %) nicht wiederhergestellt (zum Zeitpunkt der Meldung) 10.286 (20,8 %) 6.408 (26,1 %) 3.453 (16,4 %) Fallausgang unbekannt 14900 (30,1 %) 7.113 (28,9 %) 5.501 (26,2 %) *Differenz ergibt sich aus Verdachtsmeldungen ohne Altersangabe Expertengruppe entscheidet. In Deutschland gibt es mit der STIKO eine Einrichtung, die auf der Basis der jeweils bestverfügbaren Evidenz per Mehrheitsentscheidung darüber entscheidet, welche Impfung empfohlen wird. Die derzeit 18 Mitglieder der Expertengruppe werden vom Bundesministerium für Gesundheit im Benehmen mit den Landesgesundheitsministerien berufen und arbeiten ehrenamtlich. Das Gremium trifft sich zweimal jährlich, um sich mit den gesundheitspolitisch wichtigen Fragen zu Schutzimpfungen und Infektionskrankheiten in Forschung und Praxis zu beschäftigen und entsprechende Empfehlungen – darunter auch den jeweils gültigen Impfkalender – herauszugeben. Auch in anderen europäischen Ländern gibt es ähnliche Kommissionen. Bei Impfungen gegen Tetanus, Masern, Kinderlähmung und Diphtherie vertreten sie alle die gleiche Überzeugung. Aber andere Länder, andere Impfempfehlungen – während Österreich beispielsweise weniger Auffrischungsimpfungen als Deutschland empfiehlt, hat sich Frankreich gegen die Windpockenimpfung ausgesprochen. Neben den von der STIKO empfohlenen Standardimpfungen gegen Rotaviren, Tetanus, Diphtherie, Masern, Mumps und Röteln gibt es hierzulande weitere sogenannte Indikationsimpfungen. Diese erfolgen auf Empfehlung (FSME, Typhus, Gelbfieber etc.). Darunter fällt auch die Humane Papillom- Viren-Impfung (HPV) bei Jugendlichen. Für Mädchen und Jungen von neun bis 14 Jahren bezahlen die Krankenkassen, wer älter ist als 18 Jahre und den Impfschutz nachholen möchte, muss die Kosten dafür selber tragen. Studie aus Erfurt. Wissenschaftler der Universität Erfurt und der RWTH Aachen begegneten der Frage, warum Menschen sich nicht impfen lassen 2018 mit einer Studie und entwickelten dafür sogar ein eigenes Messinstrument. Darin wird deutlich, dass sich viele Menschen nicht bewusst gegen das Impfen entscheiden, sondern es schlicht vergessen oder nicht wissen, wann die nächste Impfung fällig sei. Grundlage für das neue Messinstrument sind zahlreiche Vorarbeiten der Wissenschaftler, in denen sie fünf wesentliche Gründe für die Entscheidung für oder gegen Impfungen identifiziert haben: Vertrauen in die Impfung, Risikowahrnehmung rund um die Erkrankungen, Barrieren in der Ausführung, das Ausmaß der Informationssuche und Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft. Studien mit dem neu entwickelten Messinstrument zeigen, dass in Deutschland nicht primär Impfgegner für zu geringe Impfraten bei der Masernimpfung für Kinder verantwortlich sind – tatsächlich war die Zustimmung zur Aussage „Alltagsstress hält mich vom Impfen ab“ und eine übermäßige Informationssuche der Eltern ausschlaggebend für die Auslassung der Masernimpfung. Impfen gegen COVID-19. In einer Pressemitteilung zum Thema Impfschutz in Coronazeiten betont die Landesgeschäftsführerin der Barmer in Thüringen Birgit Dziuk, dass es gelebte Solidarität sei, sich impfen zu lassen, weil damit auch Mitmenschen vor einer Ansteckung geschützt werden können. „Ältere Menschen werden auch in Zukunft zur Risikogruppe zählen, die es zu schützen gilt. Sowohl vor Coronaviren als auch vor Erregern, die den Verlauf einer COVID-19-Infektion verschlimmern können. Zu diesem Schutz können wir alle beitragen“, so Dziuk. Das bleibt Fakt: Impfungen nutzen nicht nur dem Einzelnen, sondern können maßgeblich zum Schutz der ganzen Bevölkerung beitragen. Das System ist nicht perfekt und wie jedes Medikament haben auch Schutzimpfungen Nebenwirkungen. Aber ist es nicht kurios, dass die Angst vor dem Impfstoff größer ist, als die vor dem Erreger? Cornelia Schwarz ZBW 7/2020 www.zahnaerzteblatt.de
Sonderthema 29 Geo-Redakteurin recherchierte monatelang zum Thema Impfung Impfgegner gibt es wenige, aber sie sind laut Vivian Pasquet ist promovierte Ärztin und recherchierte im Auftrag des Reportagemagazins Geo im Jahr 2018 das Thema „Impfen“. Dafür legte sie über 10.000 Kilometer durch Deutschland, Belgien und Schweden zurück, sprach mit rund 40 verschiedenen Interviewpartnern und suchte dabei Antworten auf die Fragen, die das Thema von beiden Seiten betrachten. ZBW: Frau Pasquet, in Ihrem Artikel schrieben Sie, dass Sie als promovierte Ärztin selbst hundertfach geimpft haben. Würde sich jetzt, mit dem Wissen der Recherche, Ihre Einstellung dazu ändern? Dr. Vivian Pasquet: Zu Beginn des Artikels habe ich mir als Medizinerin dazu viele Gedanken gemacht. Inzwischen kann ich klar sagen, dass ich auf alle Fälle impfen würde, auch nach Vorgaben der STIKO. Allerdings würde ich versuchen, die Menschen besser aufzuklären. Denn es würde vielen Menschen helfen, wenn sie bessere Antworten auf ihre Fragen und Unsicherheiten bekämen. Foto: Benne Ochs Finden Sie die individuelle Impfentscheidung nachvollziehbar? Zu Beginn meiner Recherche fand ich diese schlüssig. Bei der weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema habe ich aber verstanden, dass ein Land nur gemeinsam funktioniert und sich auf eine Art Volksgesundheit einigen muss. Nicht jeder kann einschätzen, was auf ein Leben betrachtet gut und richtig für ihn und seine Kinder ist. Auch deshalb braucht es meines Erachtens einen Konsens, der das ganze Land gesund hält. Geo-Redakteurin Dr. Vivian Pasquet. Sie brachten in Ihrem Beitrag die Bezeichnung „Impfmobbing“ ins Spiel. Es gibt zahlreiche offene und wahrscheinlich noch viel mehr geschlossene Foren im Internet, unzählige Verschwörungstheorien, Bücher und teilweise groteske Behauptungen zum Thema. Warum denken Sie, kann ein solcher Hype um dieses Thema entstehen? Die harten Impfgegner – eine sehr kleine Minderheit, die sehr laut ist –, ist der Wissenschaft in der Kommunikation oft haushoch überlegen, da sie einfache Behauptungen in den Raum stellen, die nicht belegt und begründet sind. Die Wissenschaft ist hier klar im Nachteil, da sie sich nicht mit ein, zwei Schlagworten erklären lässt. Diese unbelegten, teilweise absurden Argumente der Impfgegner haben eine verbale Macht und verunsichern dann vor allem die Impfskeptiker und das ist die Gefahr. Viele Menschen suchen die hundertprozentige Sicherheit, die es bei keinem Medikament gibt. Damit ist aber der Nährboden für eine Unsicherheit gelegt, die sich Gegner zunutze machen. Bei der Arbeit am Artikel waren Sie mit einem „Trommelfeuer aus Thesen und Gegenthesen“ konfrontiert. Ließen sich diese schlussendlich ordnen? Ja, denn auch wenn das System nicht perfekt ist, so genügt doch der Blick in andere Länder, beispielsweise nach Indien, wo nicht dieser Impfstatus vorherrscht, wie bei uns. Die Kinder dort haben zum Beispiel vorgeburtliche Schädigungen, weil die Mütter während der Schwangerschaft Krankheiten hatten, gegen die es eine Impfung gibt. Man vergisst einfach, wie es sonst sein kann. Sind Sie geimpft – und noch viel interessanter lassen Sie diese Impfung auffrischen, wenn es notwendig wird? Ja, ich bin geimpft und ich werde auch alle Impfungen auffrischen lassen. Das Gespräch führte Cornelia Schwarz www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2020
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