26 Sonderthema Impfen sorgt für Schutz der Allgemeinheit Herdenimmunität Foto: AdobeStock/stalnyk Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) retten Impfungen jedes Jahr weltweit zwei bis drei Millionen Menschenleben. Dennoch wird eine beträchtliche Anzahl von Kindern und Erwachsenen nicht geimpft. Bis auf die Diskussion um den Klimawandel gibt es wohl kaum eine andere Frage, die die Menschheit so umtreibt, wie jene ob geimpft werden soll oder nicht. Gegenseitige Vorsorge. Impfen gehört zu den einfachsten und wirkungsvollsten Maßnahmen zum Schutz vor Infektionskrankheiten und schützen nicht nur den Geimpften. Beim Thema Impfen gibt es harte Fronten und natürlich wird dabei immer auch das Profitinteresse der Pharmaindustrie erwähnt. Allerdings ist zweifelhaft, ob die Pharmakonzerne tatsächlich an den Impfdosen ihr Geld verdienen, oder vielmehr an den Medikamenten für chronisch Kranke, die ein Leben lang genommen werden müssen und deren Krankheiten sich aufgrund eines fehlenden Impfschutzes entwickelt haben. Zwischen den beiden Polen der Gegner und Befürworter tummelt sich eine große Gruppe Skeptiker, die dem Thema eher unbefangen gegenübersteht und über zu wenig Wissen verfügt. Diese Gruppe versäumt schon mal eine Impfung, reagiert auf das Versäumnis jedoch meistens mit einer nachgeholten Impfung. Strikte Gegner, aber auch überzeugte Befürworter sehen sich hingegen oftmals mit einer herben Kritik ihrer Position, ja teilweise mit der Stigmatisierung ihrer Person konfrontiert. Laute Impfgegner. Als im März dieses Jahres das Masernschutzgesetz eingeführt wurde, das vorsieht, dass alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr beim Eintritt in die Schule oder den Kindergarten die von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfohlenen Masernimpfungen vorweisen müssen, wurde die Diskussion um Impfschutz und Impfpflicht laut, die nun erneut die Gemüter erhitzt: Noch bevor es einen offiziellen und wirksamen Impfstoff gegen COVID-19 gibt, existieren bereits verschiedene Positionspapiere – dafür und dagegen. Dabei ist die Gruppe der aktiven Impfgegner eher klein, – immerhin sind laut Statistischem Bundesamt weit über 90 Prozent der Kinder in Deutschland geimpft – aber sie verschafft sich deutlich Gehör. Dr. Vivian Pasquet, GEO-Redakteurin hat sich in ihrem 2019 erschienenen Artikel „Impfen!? Alle Antworten für die richtige Entscheidung“ mit Cornelia Betsch, Professorin für Psychologie an der Universität Erfurt über dieses Phänomen unterhalten. Die Psychologin zeigte der Redakteurin daraufhin eine fiktive Talkshow, die ein amerikanischer Satire-Sender produziert hatte, um ein Phänomen zu erklären, das Psychologen „false balance“, falsche Gewichtung nennen. Darin behauptet ein Gesprächspartner, dass es den Klimawandel nicht gibt. Ein anderer widerspricht. Bevor beide ihre Argumente vortragen dürfen, bittet der Moderator Wissenschaftler hinzu, die ähnliche Ansichten vertreten. Er wolle, so sagte der Moderator, das Verhältnis herstellen, in dem sich beide Parteien auch abseits der Kamera gegenüberstünden. Hinter den Klimawandel-Leugner würden sich zwei weitere Menschen stellen. Hinter den Wissenschaftler 96. Das, so sagte es Cornelia Betsch im Gespräch mit Vivian Pasquet, wäre eine faire Diskussion, weil diese die tatsächlichen Umstände wiedergibt. Ähnlich sähe es wohl auch bei einer Diskussion zum Thema Impfen aus. Impfgegner seien nur ein kleines Phänomen, bestätigt auch Kate O’Brian, Direktorin der Impfabteilung der WHO in einem Gespräch mit der ARD, „aber sie können ihre Botschaft mit den sozialen Medien heute weiter verbreiten als früher.“ Außerdem haben sie nicht den Anspruch eines Wissenschaftlers, der seine Thesen belegt. Keine Pocken mehr. Durch das Impfen konnten die Pocken weltweit ausgerottet werden und auch ZBW 7/2020 www.zahnaerzteblatt.de
Sonderthema 27 die Verdrängung der Kinderlähmung aus Europa geht auf konsequentes Impfen zurück. Dennoch wird es wohl kaum ein Elternteil geben, das sich in den ersten Lebensmonaten seines Kindes nicht damit auseinandersetzt, was dran ist an den Geschichten über Impfschäden. Greifende Argumente? Es sollen nach dem Stich mit der Nadel mehr Allergien und Unverträglichkeiten auftreten, so eines der Hauptargumente. Wissenschaftlich belegt wurde dies jedoch bislang nicht. Gegen das Argument der Allergien und Unverträglichkeiten spricht zudem der Umstand, dass die Allergiekurve in der DDR, wo es bis zum Mauerfall eine Impfpflicht gab, erst nach der Wiedervereinigung nach oben schoss – als die Impfbereitschaft bereits etwas nachgelassen hat. Impfschäden. Noch schwerer als Unverträglichkeiten wiegt hingegen die Angst vor einem Impfschaden. Im Nationalen Impfplan, der zur Förderung des Impfwesens in Deutschland beschlossen und durch intensive Abstimmung unter den Gesundheitsministerien der Länder, den Bundesbehörden, dem Spitzenverband der Krankenkassen, der STIKO, der Bundesärztekammer, wissenschaftlichen Instituten und weiteren Experten ausgestaltet wurde, ist nachzulesen, was aus den mehr als 10.600 Verdachtsfällen eines Jahres wurde: 1036 Mal wurde die Anerkennung als Impfschaden beantragt, bewilligt wurden 169. Im gleichen Zeitraum wurden über 211 Millionen Impfungen verabreicht. Dennoch relativieren sich die Zahlen und auch die vernünftigen Argumente weichen, wenn eines der 169 Kinder das eigene Kind ist. Ein weiteres Argument gegen eine Impfung bezieht sich auf Chemikalien und Giftstoffe, die in den Seren enthalten sein sollen. Tatsächlich sind in einigen Impfstoffen Formaldehyd, Aluminium, Phenol oder Quecksilberanteile enthalten, – allerdings in äußerst geringen Konzentrationen, die sich unterhalb der toxikologischen Grenzwerte befinden und nur oral eingenommen Schäden verursachen würden. So dient Formaldehyd dazu Impfviren Fieber Erythem Kopfschmerz Schmerz in einer Extremität Übelkeit Ermüdung Erbrechen Schüttelfrost Schwindelgefühl Myalgie Parästhesie Schmerzen an der Impfstelle Schmerz Schmerzen an der Injektionsstelle Diarrhoe Asthenie Unwohlsein Krampfanfall Schwellung Schwellung an der Injektionsstelle Arthritis Urtikaria Ausschlag generalisiert Pruritus Schwellung an der Impfstelle Lokale Reaktion Grippeähnliche Erkrankung Überempfindlichkeit Ausschlag Husten Hypoästhesie Weinen Dyspnoe Ödem peripher Lymphadenopathie Arthralgie Synkope Hyperhidrosis Abdominalschmerz Impfversagen Symptome auf einen Blick. Diagramm der ersten 40 Impfreaktionen. abzutöten, Aluminiumhydroxid die Immunantwort zu verstärken und Phenol dazu den Impfstoff haltbar zu machen. Seit 2007 stellt das Paul-Ehrlich- Institut (PEI), das Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, alle gemeldeten Impfnebenwirkungen in einer Datenbank zur Einsichtnahme zur Verfügung. Seit dem 1. Januar 2000 bis zum 31. März dieses Jahres – also innerhalb von 20 Jahren – wurden dem Paul- Ehrlich-Institut insgesamt 49.565 Verdachtsfälle nach Impfungen gemeldet. Davon gingen 432 (0,9 Prozent) tödlich aus und 846 (1,7 Prozent) behielten einen bleibenden Schaden. 20.863 (42,1 Prozent) wurden wiederhergestellt. 1,51 1,50 1,42 1,30 1,28 1,25 1,12 1,12 1,03 1,01 1,01 0,99 0,98 0,97 0,97 0,93 0,90 0,89 0,87 0,87 0,85 0,81 0,72 0,68 0,63 0,62 0,60 0,57 0,56 0,55 0,54 0,52 0,50 0,47 0,44 0,43 2,11 2,86 2,79 5,63 Wahrheitsverzerrung. Was allerdings in keiner Statistik Erwähnung findet, sind all jene Erkrankungen, Behinderungen oder gar Todesfälle, die aufgrund einer nicht erfolgten Impfung aufgetreten sind. Eine Untersuchung, abgebildet in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Lancet Infectious Diseases“ aus dem Jahr 2016, verzeichnet, dass Impfungen gegen Kinderkrankheiten im letzten Jahrhundert zwischen 6.000 und 12.000 Kindern allein in den Niederlanden das Leben gerettet habe. Im selben Jahr berichtete die Ärztezeitung, anlässlich der Veröffentlichung des damaligen Masernreports, dass zwischen 2000 und 2015 durch die erfolgte Impfung 79 Prozent weniger Todesfäl- Quelle: Paul-Ehrlich-Institut; Abbildung: IZZ www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2020
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