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Die Seuchen der Menschheit

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Ausgabe 12/2020

Leitartikel 7 Schwierige

Leitartikel 7 Schwierige Zeiten Man kann vieles auf dieser Welt mit gutem Willen, durch Gespräche, durch Verhandlungen und durch Kompromisse lösen: So wurden Kriege beendet, Gerichtsprozesse abgewendet, politische und wirtschaftliche Krisen und Konflikte gelöst. Mit einem Virus kann man jedoch nicht verhandeln. Ein Kompromiss wird in diesem Fall nicht belohnt. Des einen Freiheit bezahlen womöglich andere mit lebenslangen gesundheitlichen Einschränkungen oder sogar mit dem Leben. Gegen das Virus hilft deshalb auch kein Jammern und kein Schimpfen. Dieses Virus kann man auch nicht abwählen. Und es hilft auch nicht, dessen Existenz zu leugnen oder es zu verharmlosen. Derzeit helfen zur Eindämmung der Verbreitung dieses Virus allein Verhaltensweisen, die bei manchen in unserer Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten etwas aus der Mode geraten zu sein scheinen: Vorsicht, Sorgsamkeit und Disziplin, aber auch Rücksichtnahme und Achtsamkeit! Ich bin diesbezüglich ganz eng bei unserem Bundespräsidenten und seiner Bewertung im Zusammenhang mit der Corona-Demo in Leipzig: „Rücksichtslosigkeit ist kein Freiheitsrecht!“ Dabei sind doch die oben genannten Werte für uns als Freiberufler*innen in unserer täglichen Arbeit selbstverständlich und u. a. Grundlage dafür, dass wir erfolgreich eine Praxis führen und unsere Patient*innen versorgen können. Nicht umsonst gelten die Freien Berufe als „Vertrauensberufe“. Ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Patient*in und Zahnärzt*in ist nicht nur wünschenswert, sondern Grundvoraussetzung für eine für beide Seiten zufriedenstellende Behandlung. So können die Patient*innen trotz der Pandemie darauf vertrauen, dass das Risiko, sich in einer Zahnarztpraxis zu infizieren, äußerst gering ist. Dies bestätigte die Weltgesundheitsorganisation den deutschen Zahnärzt*innen bereits im Sommer. Denn Zahnärzt*innen sind und waren schon immer Hygieneprofis. Umso unverständlicher ist es, dass vonseiten der Politik wichtige Signale in Bezug auf die Anerkennung der Leistungen der Zahnärzteschaft in den vergangenen Monaten ausbleiben. In seinem „Dankesbrief“ von Ende Oktober schreibt Minister Spahn zwar richtigerweise, dass „die Zahnärzteschaft einen unverzichtbaren Beitrag zur Daseinsvorsorge“ leistet und er hierfür „sehr dankbar“ ist, durch sein Handeln zeigt er aber auch deutlich, dass wir von Seiten der Politik keine Unterstützung zu erwarten haben. Das ist und war während des gesamten Jahres eine bittere Erkenntnis. Aber es ist sicherlich besser, die Realität in diesem Zusammenhang klar und schonungslos zu sehen, als falschen Hoffnungen nachzuhängen. Wir wurden als nicht-systemrelevant in die Ecke geschoben, mit harten Konsequenzen u. a. in Bezug auf den Anspruch auf Kinderbetreuung. Beim ersten Schutzschirm wurden wir zunächst nicht berücksichtigt, dann hieß es, wir bekämen einen mit Verspätung. Diese Zusage wurde wieder zurückgenommen und am Ende gab es lediglich eine Liquiditätshilfe, die nicht mehr ist als ein zinsloses Darlehen. Obwohl offen mangelnder Respekt unserem Berufsstand gegenüber gezeigt wurde, haben Sie mit Vorsicht, Sorgsamkeit und Disziplin in Ihren Praxen weitergearbeitet und die zahnmedizinische Versorgung der Menschen im Land sichergestellt. Dafür möchte ich Ihnen zum Ende dieses Jahres nochmals ausdrücklich danken! Corona ist nicht weg und wird uns sicherlich auch noch weiterhin in Atem halten. Eine Änderung des politischen Klimas ist trotz der anstehenden Wahlen in 2021 ebenfalls nicht in Sicht. Aus diesem Grund werden in den kommenden Wochen und Monaten zwei Dinge entscheidend sein, damit wir durch diese Zeiten so unbeschadet wie möglich durchkommen. 1. Einen nochmaligen Lockdown wie an Ostern darf es nicht noch einmal geben. Hier sind wir im engen, sehr konstruktiven Austausch mit dem Sozialministerium. 2. Wir müssen dafür sorgen, dass die Patient*innen nicht aus Verunsicherung wieder – wie im Frühjahr – ihre Behandlungstermine absagen. Die Vorstände von KZV BW und LZK BW haben deshalb aktuell eine breit angelegte Informationskampagne gestartet. Über ganz Baden-Württemberg verteilt erschienen in der zweiten Novemberwoche Anzeigen in regionalen Zeitungen sowie Gemeinde-, Amts- und Wochenblättern mit dem Ziel, die Patient*innen darüber aufzuklären, dass sie während ihres Aufenthalts in der Zahnarztpraxis sicher sind, in den Zahnarztpraxen hohe Hygienestandards eingehalten werden und Termine nicht abgesagt und Vorsorgetermine eingehalten werden sollten, da dies dauerhafte Folgen für die Mundgesundheit haben kann. Um alle Zielgruppen zu erreichen, laufen zudem noch im ganzen Land Radiospots. Wichtig ist aber auch, dass die Zahnärzteschaft sich nicht auseinanderdividieren lässt und die Forderungen nach mehr Unterstützung geschlossen in die Politik trägt. Eine starke Selbstverwaltung ist gerade jetzt unerlässlich. Sie ist nicht nur ein Garant für das exzellente Niveau der zahnärztlichen Versorgung hierzulande, sie ist zugleich ein Schutzwall vor weiteren politischen Übergriffen in dieser Zeit. Unser Anspruch ist selbst zu handeln und unsere Angelegenheiten selbst zu regeln. Denn in den Händen der Selbstverwaltung sind sie immer noch am besten aufgehoben. Dr. Ute Maier, Vorsitzende des Vorstands der KZV Baden-Württemberg www.zahnaerzteblatt.de ZBW 12/2020

8 Titelthema Corona – Spanische Grippe – Pest Die Seuchen der Menschheit Seit Menschengedenken gibt es Krankheiten, die sich seuchenartig über Regionen und ganze Kontinente ausbreiteten. Ob der Schwarze Tod, wie die Pest auch genannt wird, das Flandern- Fieber, ebenfalls bekannt als Spanische Grippe, oder jetzt Corona – sie alle stellten die Betroffenen vor große Herausforderungen. Dabei waren die Maßnahmen zur Bekämpfung schon vor Jahrhunderten gar nicht so anders als heute. Mit Tüchern und mit Masken vor dem Mund versuchten sich die Menschen im Mittelalter bereits vor der Ansteckung mit der Pest zu schützen. Leider blieben diese Bemühungen ohne Wirkung. In Coronazeiten hingegen gelten Masken als Mittel der Wahl, um sich vor Ansteckung zu schützen. Unter welchen Aspekten gleichen sich die Pandemien, wo unterscheiden sie sich? Entstehung. Der Ursprung des Coronavirus ist derzeit noch nicht wissenschaftlich geklärt: Einige Indizien weisen in Richtung eines Bio-Labors in Wuhan. Andere nehmen an, dass das Virus eine natürliche Herkunft hat. Einig ist man sich in Wissenschaftskreisen hingegen bei der Verbreitung des Virus über ein Schuppentier, das als Zwischenwirt fungierte und es schließlich an den menschlichen Organismus weitergab. Diese Vermutung wird auch durch den Umstand bekräftigt, dass die ersten Coronafälle von einem mittlerweile geschlossenen Markt in der chinesischen Stadt Wuhan gemeldet wurden, auf dem Fledermäuse verkauft worden sind. Diese Infektionskette erinnert an den Ausbruch der Pest im Mittelalter. Leider lässt sich dies nicht wissenschaftlich belegen, doch wahrscheinlich ist, dass damals der Floh einer Springmaus den bakteriellen Erreger Yersinia pestis auf eine Ratte übertrug, diese den Erreger an ihre Flöhe weitergab, das Bakterium über diesen Weg an den Menschen gelangte. In der Forschung dominiert die These, dass das Virus der Spanischen Grippe im Mittleren Westen der USA, in Kansas, seinen Ursprung genommen hatte. Von Schweinen oder Geflügel, soll es auf einen amerikanischen Rekruten übergegangen sein. Dieser schleppte die heute als Influenza- A-Virus H1N1 bezeichnete Seuche als Patient Null in ein Lager der US-Armee ein, von wo aus es über Truppentransporte nach Frankreich und in den Rest der Welt gelangte. An der Westfront infizierten sich schließlich auch deutsche Soldaten. Da im neutralen Spanien zur damaligen Zeit keine Pressezensur herrschte, konnte dort sehr offen über die Pandemie berichtet werden, die seither den irreführenden iberischen Namen trägt. Verbreitung. Am 31. Dezember 2019 meldete China die ersten Krankheitsfälle an die WHO. Zu diesem Zeitpunkt waren in Wuhan 27 Infektionen bekannt. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch schloss die Wissenschaft zunächst aus. Im Januar 2020 gaben chinesische Stellen jedoch bekannt, dass es sich um ein neuartiges Coronavirus handle und die Situation ernst zu nehmen sei. Zwei Wochen später wurde Wuhan unter Quarantäne gestellt, da über 600 Menschen erkrankt und 18 Todesfälle bekannt waren. Als auch die umliegenden Städte Fälle gemeldet hatten, wurden Bahnhöfe und Flughäfen geschlossen. Um sich vor dem Virus vermeintlich in Sicherheit zu bringen, verließen zahlreiche Menschen die Städte und zogen aufs Land. Dadurch breitete sich das Virus weiter aus. Nahezu zeitgleich meldete Frankreich die ersten beiden Fälle. Deutschland, Finnland, Italien, Spanien und die USA mussten in den darauffolgenden Tagen nachziehen. Innerhalb kürzester Zeit stiegen die Zahlen weltweit drastisch an und viele Länder reagierten mit Ausgangsbeschränkungen. Mit Stand vom 11. November 2020 vermeldet die Johns Hopkins University weltweit 50.479.163 Erkrankte und 1.257.253 Todesfälle. Ähnlich wie Corona verlief auch die Spanische Grippe in unterschiedlich starken Wellen. Vor allem im Oktober und November 1918 flammte die Seuche stark auf und legte das gesellschaftliche Leben zweitweise komplett lahm. Zwischen 1918 und 1919 überrollte die Spanische Grippe den gesamten Globus in drei Wellen und forderte den meisten Schätzungen zufolge zwischen 25 und 50 Millionen Menschenleben. Manche Historiker gehen sogar von mehr als 100 Millionen Toten aus, da für die hart betroffenen Teile Afrikas, Asiens und Ozeaniens kaum valide Statistiken verfügbar sind. Sowohl die Pest als auch das COVID-19-Virus haben den asiatischen Großraum als Ursprung der Ausbreitung der Pandemien. Die Pest kam über die Seidenstraße ans Mittelmeer, erreichte 1348 Marseille, Venedig und Pisa und 1353 schließlich Moskau. Die bereits gut ausgebaute Infrastruktur und die zunehmende Mobilität der Menschen Europas unterstützte die Ausbreitung des Schwarzen Tods. Hinzu kam das Pilgerjahr 1350, in dem Papst Clemens VI. besonders „wirkungsvolle Ablässe“ in Aussicht gestellt hatte, wenn die Gläubigen möglichst viele der heiligen Orte des Christentums besuchen würden. Allein in Europa tötete die Pest zwischen 1346 und 1353 rund 25 Millionen Menschen – ein Drittel der Bevölkerung. ZBW 12/2020 www.zahnaerzteblatt.de

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