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Die Seuchen der Menschheit

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Ausgabe 12/2020

Einer von uns 47 hat er

Einer von uns 47 hat er da ran geschrieben und dabei Musik gehört. Zwei Welten, die für ihn zusammengehören. 2006 wurde es fertig. Im selben Jahr hat er geheiratet. Spannende Geschichte. Doch kein Verlag interessierte sich für das Manuskript, und es verschwand in einer Schublade. 2016 legte er das Buch dann im Selbstverlag in einer Auflage von 1000 Exemplaren auf. Verkauft hat er keines davon. Aus diesem Scheitern entwickelte sich eine spannende Publikationsgeschichte. Blumenberg schickte nach den vielen Absagen dem bekannten Literaturkritiker Denis Scheck einen Brief von seiner Katze Dardini, eine Art Alter Ego und bat um eine Brieffreundschaft mit einem chinesischen Kater. Ganz nebenbei legte er den „Lesebegleiter“ noch in den Umschlag. Scheck gefiel das Buch, und er stellte es im Abspann des SWR-Kulturmagazins „Kunscht!“ vor. Diese 40 Sekunden reichten aus, um binnen zwei Wochen 750 Exemplare zu verkaufen und den Verlag Kiepenheuer & Witsch (KiWi) dafür zu gewinnen. Das war der ersehnte Durchbruch. Der Lesebegleiter ist ein sehr persönliches Buch, der Verfasser duzt den Leser, will ihn aber nicht belehren, sondern ein Stück Abenteuer in sein Leben bringen. Wie viele Exemplare bis jetzt verkauft wurden, weiß Dr. Blumenberg nicht. Es interessiert ihn auch nicht. „Ich schreibe aus Vergnügen, nicht um Geld zu verdienen. Dazu kam mein Durchbruch zu spät.“ Wirklich wichtig sind ihm seine Lesereisen. Er genießt die Nähe zu seinen Fans. „Jeder Abend war ein neues Erlebnis“, sagt er. Liebe zur Literatur verbindet. Doch woher rührt diese Begeisterung für Literatur, quer durch alle Epochen und Genres? Es war sein Freude am Lesen. Die eigene Lesefreunde wollte er gerne an andere weitergeben. Aus diesem Wunsch heraus ist „Der Lesebegleiter“ entstanden – ein Buch über die ihm lieben Werke der Weltliteratur mit fast 800 Seiten. Vater, der die Liebe zu den Büchern wachgeküsst hat. Quasi im Mondschein, auf nächtlichen Wanderungen hielt der Philosoph lange Monologe über Literatur – und der Sohn hörte gebannt zu. Damals bekam er eine Vorstellung davon, wie man sich in der Welt der Bücher zurechtfindet. Besonders beeindruckt war er von Erich Kästners „Konferenz der Tiere.“ Das Verhältnis zu seinem Vater beschreibt er als sehr schwierig, spricht gar von einer unglücklichen Kindheit. Hans Blumenberg war mitunter leicht despotisch. Als „jüdischer Mischling“ eingestuft, wird er Anfang 1945 in ein Zwangsarbeiterlager verschleppt und fand nie eine innige Bindung zu seinem Sohn. Eine Form von Nähe gab es nur bei den nächtlichen Spaziergängen. „Mein Vater litt ein Leben lang an Schlafstörungen, nahm Medikamente“, sagt Dr. Tobias Blumenberg. Aber die gemeinsame Liebe zur Literatur war zeitlebens eine der wichtigsten Verbindungen zwischen Vater und Sohn. Einige Dinge aus dem Nachlass hat er auch für den „Lesebegleiter“ aufgearbeitet. Heute ist er der große Literaturverführer. Leben nach dem Vergnügen. Auch bei der Berufswahl suchte er den Rat des Vaters, der ihm abgeraten hatte „etwas mit Denken“ zu machen. Er studierte Zahnmedizin. Über seinen alten Beruf will er eigentlich gar nicht mehr reden, verrät aber, dass er seinen Patient*innen auf dem Stuhl immer sehr gerne gute Geschichten erzählt hat. „Jetzt lebe ich nach dem Vergnügen“, sagt Dr. Blumenberg. Dazu zählt auch immer noch das Schreiben. Als spätberufener Autor sieht er seine Zukunft aber nicht als Schriftsteller. Die Zusammenarbeit mit KiWi sei inzwischen beendet. Und nun also Sizilien. Da fällt einem doch spontan Goethes Klassiker „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen“ ein. Italien bedeutet für Dr. Blumenberg sehr viel: Kunst und Kultur, Sprache und Literatur, Lebensart und Lebensgefühl, Sehnsucht und Leidenschaft, Ankunft und Abschied. Und wer weiß, vielleicht gibt es doch noch einen Nachfolger für den „Lesebegleiter“. Elke Rutschmann Foto: E. Rutschmann www.zahnaerzteblatt.de ZBW 12/2020

48 Kultur Zu Besuch im Atelier des Stuttgarter Illustrators Michael Luz Um die Ecke gemalt – Irrsinn in Wort & Bild Seine Illustrationen sind witzig, hintergründig, irreführend und technisch sehr gut gemacht. Sie landen in Tageszeitungen, in der Werbung, auf Kalendern, hängen gerahmt in unzähligen Wohnungen oder werden im ZBW gedruckt. Michael Luz lebt und arbeitet in Stuttgart oder am Lago di Lugano. Er zeichnet und malt. Seit Jahrzehnten. Täglich. Bekannt ist er für seine Freude am Verdrehen von Buchstaben, Wortsinn und dem Bild, das wir vor Augen haben, sobald wir einen Begriff hören. In seinem Atelier erhaschen wir einen Blick auf und in seine Arbeits- und Denkweise. Seine Botschaften bringt er auf den Punkt. Kurz und knapp. Diesbezüglich bleibt er sich auch beim Beantworten der Fragen treu – den Schalk immer im Nacken und doch gleichzeitig mit großer Ernsthaftigkeit! ZBW: Das zahnmedizinische Personal muss sich permanent weiterbilden, um nach den Standards der aktuellen Forschung behandeln zu können. Stillstand und mangelnde Weiterentwicklung wäre für die Arbeit in einer zahnmedizinischen Praxis der Anfang vom Ende. Herr Luz, wie ist das bei Ihnen, in Ihrem Metier? Michael Luz: Technisch sollte ich selbstverständlich auf dem neuesten Stand sein. In dieser Hinsicht nutze ich zusätzlich zur Hand am Arm und allen Farben und Stiften, die mir in die Finger kommen, allerlei technische Möglichkeiten, zum Beispiel Scanner, iPhone, Wacom- Tablet, Kamera und andere. Foto: Anna Wertenauer Durch das ständige Zeichnen und Malen entwickle ich mich weiter, ohne dass ich bewusst etwas dafür mache. Trotzdem kommt manchmal der Punkt, an dem ich nicht mehr weiterkomme. Dazu gibt es ein schönes Beispiel: Wenn Du auf einem Baum einen Ast entlang kletterst und nicht mehr weiterweißt, dann gehst Du zurück zum Stamm und erklimmst einen neuen Ast. Im Übertragenen bedeutet das für mich: Ich wechsle die Technik. Nach längeren Zeichenphasen Mit Spaß bei der Arbeit. Meist in Bewegung. Angetreten um den Leuten ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. mal wieder malen, das hilft. Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückschauen, wie entwickelte sich Ihre Arbeit? Am Anfang wurde ich nicht wegen meines Stils gebucht, den es auch noch nicht gab. Ich sollte immer „wie die oder der“ zeichnen. Erst in den Nullerjahren schwamm ich mich frei. Und heute wird nicht mehr über den Zeichenstil diskutiert. Zu Beginn Ihres Arbeitslebens nahmen Sie viele Auftragsarbeiten für die Werbung an. Dann begannen Sie vor zehn Jahren, die Tagesillus zu zeichnen. Gibt es inzwischen wieder ein neues Tätigkeitsfeld? Tatsächlich hat sich ein komplett neues Genre für mich ergeben. Leute kommen zu mir und erzählen mir aus ihrem Leben. Daraus entstehen Wimmelbilder unterschiedlichster Formate mit den wichtigsten Stationen ihres Lebens, die oft zu Jubiläen verschenkt werden. Das ist aktuell der Renner. Was gefährdet die Qualität Ihrer Arbeit? Wie Tomi Ungerer sagte: Wenn das Gleichgewicht von Kreativität, Pragmatismus und Disziplin nicht mehr im Verhältnis steht. Wie halten Sie Ihr Niveau? Gar nicht. Manchmal versuche ich bewusst, es zu brechen. Nur so entsteht Neues. Andererseits: Disziplin ist wichtig. Ohne, geht nichts. Auch ich steh morgens um sieben Uhr auf, um mich an einen Auftrag zu machen. Ist es Talent und einmal gelerntes, perfektioniertes Handwerk, von dem Sie nun ein Leben lang profitieren? Oder ist es tägliche Übung, Herausforderung, Weiterentwicklung? An Talent glaube ich nicht. Der Spaß an der Arbeit ist der Antrieb. Was bedeutet für Sie eine gute Zeichnung? So eine Art Kribbeln im Bauch. Wie beim Verliebtsein. Eigene Zeichnungen sind irgendwann fertig – im Gegensatz zur Malerei – und werden von mir nicht bewertet. ZBW 12/2020 www.zahnaerzteblatt.de

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