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Die Seuchen der Menschheit

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Ausgabe 12/2020

Berufspolitik 13 AG

Berufspolitik 13 AG Frauenförderung der KZBV auf der Agenda der VV. Die Vorsitzende der KZV BW, Dr. Ute Maier, stellte als AG-Vorsitzende in ihrem Vortrag insgesamt zehn Bereiche heraus, mit denen die Ansprache und Partizipation junger Kolleginnen und Kollegen für die Standes- politik erhöht werden könnte. Der Wunsch für die Zukunft laute, „in der nächsten Legislatur mindestens eine Frau in jedem Vorstand der KZVen und der KZBV“, auch wenn das angesichts der Vorlaufzeiten sicherlich so schnell nicht möglich sei. Der gemeinsam von KZBV-Vorstand und AG Frauenförderung formulierte Antrag wurde im Anschluss der intensiven Debatte mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen (siehe Interview mit Dr. Ute Maier „Was muss eigentlich noch alles passieren?“ auf S. 14 f.). Florian Wahl Das ist ein Slogan, der normalerweise niemanden vom Hocker reißt, in Pandemiezeiten aber herausfordernd sein kann. Wir haben mit unseren bestehenden Praxisstrukturen erfolgreich die zahnärztliche Versorgung aufrechterhalten können und werden das auch in den nächsten Monaten schaffen. Gerade deswegen könnten wir gegenüber der Politik eigentlich selbstbewusst auftreten. Neben der Forderung nach einer fairen finanziellen Unterstützung durch den Staat, vergleichbar mit den ambulanten Arztpraxen, gibt es noch einige andere Themen, die uns und damit unsere Standesführung im Bund beschäftigen, in Gesprächen mit der Politik zu diskutieren wären und einer Lösung bedürfen. Was uns im letzten Jahr schon umtrieb, war die Thematik um die MVZ. Es ist gut und wichtig, dass man nicht mehr alle MVZ in einen Topf wirft, sondern differenziert zwischen MVZ unter zahnärztlicher Inhaberschaft und solchen unter der Inhaberschaft von Finanzinvestoren, sogenannten iMVZ. Diese standen schon immer im Verdacht, dass die dort tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte im Angestelltenverhältnis nicht unbedingt frei sind in ihren therapeutischen Entscheidungen mit der Folge, dass die reine Renditeorientierung im Vordergrund steht. Wer diese Diskussion führen will, muss sie vor allem ehrlich führen. Hierzu gehört eben auch, dass eine Einzelpraxis, eine Berufsausübungsgemeinschaft oder ein MVZ grundsätzlich renditeorientiert arbeiten. Denn welcher Praxisinhaber möchte kein Geld verdienen? Im Auftrag der KZBV erstellte Gutachten haben nachgewiesen, dass iMVZ in allen Therapiebereichen die höchsten Umsätze und Zuwächse im Abrechnungsverhalten aufweisen außer in den Bereichen Alters- und Behindertenzahnheilkunde sowie bei der Kommentar Strukturen erhalten – Zukunft gestalten Behandlung von Kindern unter 12 Jahren. Diese wissenschaftlich fundierten Fakten sind hilfreich, um die Politik von unseren Forderungen zu überzeugen. Hierzu gehören Transparenz in der Außendarstellung und die damit verbundene Offenlegung der Inhaberschaft aller MVZ. Der Forderung der KZBV nach einer Begrenzung der Zulassung der iMVZ hat die Politik mit dem TSVG schon aufgegriffen. In Baden-Württemberg sind dessen Auswirkungen bereits feststellbar. In Anbetracht der momentanen Lage sind Politiker nicht unbedingt an Gesprächen bezüglich unserer Forderungen interessiert. Zudem muss man feststellen, dass in der Politik bezüglich der MVZ ein eher wirtschaftspolitisch liberales Denken vorherrscht. Lassen wir mal die Pandemiesituation einen Moment außer Betracht. Was ist an einem wirtschaftspolitisch liberalen Denken schlecht? Wir tragen unseren Freiberuflerstatus wie eine Monstranz vor uns her und fordern mehr Freiheit bei der Honorierung unserer Behandlungsleistungen, weniger kleinliche staatliche Vorgaben bei der Praxisführung, weniger Kontrollwahn und damit verbundener Bürokratielast, keine Sanktionierungen. Wir haben Niederlassungsfreiheit erreicht, haben die Möglichkeit, unsere Praxisstruktur frei zu wählen und vieles andere mehr. Ist das kein wirtschaftspolitisch liberales Denken? Man muss aufpassen, nicht „das Kind mit dem Bade auszuschütten“. Wir müssen akzeptieren, dass MVZ heute ein Teil der Versorgungslandschaft sind. Die Politik wird sie nicht abschaffen. Unsere Aufgabe ist, gleiche Bedingungen für Einzelpraxis, Berufsausübungsgemeinschaft und MVZ zu schaffen und dies auch bei der Politik einzufordern. Dazu gehört die Transparenz der Inhaberschaft, aber weniger Einschränkungen, die uns später wieder auf die Füße fallen. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen und den zahnärztlichen Nachwuchs davon überzeugen, vor ihrer Niederlassung in solchen Praxisstrukturen Erfahrungen zu sammeln, wo die Qualität der Behandlung und eine vertrauensvolle Patientenführung im Vordergrund steht. Wir müssen mehr Unterstützung bei der Niederlassung und den ersten Berufsjahren leisten. Das ist die Antwort auf die standespolitischen Herausforderungen dieser Zeit. Und nur dann passt der obige Slogan und nur dann wird uns die Politik auch wieder zuhören. Dr. Hans Hugo Wilms www.zahnaerzteblatt.de ZBW 12/2020

14 Berufspolitik Interview mit Dr. Ute Maier „Was muss eigentlich noch alles passieren?“ Frauen haben es weiterhin schwer, nach oben zu kommen, das ist auch in der zahnärztlichen Standespolitik nicht anders. Egal wie gut sie qualifiziert sind, egal wieviel Erfahrung sie mitbringen – sie werden von den Männern abgeblockt. Dr. Ute Maier, Vorsitzende der KZV Baden-Württemberg und Leiterin der AG Frauenförderung der KZBV, macht eine Bestandsaufnahme. Meinung und werden nicht wahrgenommen. Ein Argument ist immer, dass der Nachwuchs fehlt. Aber erfahrene Standespolitikerinnen kommen ab einem bestimmten Punkt ja auch nicht weiter, oder? ZBW: Frau Dr. Maier, Sie sind die einzige Frau, die einer KZV vorsteht. Wie haben Sie das geschafft? Und was machen andere Kolleginnen vielleicht falsch? Dr. Ute Maier: Ich hatte in meiner gesamten standespolitischen Karriere immer Menschen um mich herum, die an mich glaubten, mich unterstützten und mir etwas zutrauten. Ich bin sicherlich eher ein Arbeitstier, bin Konflikten nicht aus dem Weg gegangen, habe mich vor allem nicht durch dumme Sprüche, Anmache und Vorurteile abschrecken lassen. Aktiv hat mich zu Beginn meiner Karriere der damalige KZV-Vorsitzende von Tübingen, Kollege Rumetsch, mehr in das Vorstandsamt geschubst, als ich selbst gehen wollte. Vielleicht war ich aber auch einfach manchmal zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und ein Quäntchen Glück gehört immer auch dazu. Zu Ihrer Frage, was Kolleginnen falsch machen, eine klare Antwort: Nichts. Die Frage ist doch vielmehr: Was muss eigentlich noch alles passieren, damit Frauen mit derselben Qualifikation wie die standespolitischen Kollegen auch dieselben Chancen bekommen und wir nicht solche Kommentare und Redebeiträge von männlichen Kollegen über uns ergehen lassen müssen wie in der KZBV-VV. Was sind denn die größten Hürden, die Frauen überwinden müssen, um in der Standespolitik nach vorne zu kommen? Sie müssen als kompetente Frau wahrgenommen werden, es schaffen, dass man ihnen überhaupt zuhört und sie müssen gleichzeitig den Spagat schaffen, nicht in die Schiene des „Hätteles“ (freundlicher schwäbischer Ausdruck Dr. Ute Maier für eine etwas dumme, ungelenke Person) oder der frustrierten Kampfhenne abgeschoben zu werden. An Frauen werden meiner Erfahrung nach viel höhere Maßstäbe angesetzt als an Männer. Das wurde ja auch in der Diskussion in der KZBV-VV deutlich. Bei Frauen wird heftig über die notwendige Qualifikation und ihr Auftreten diskutiert. Bei Männern nicht. Frauen werden immer – unabhängig von ihrer Sachkenntnis – auch nach dem Äußeren und ihrem Auftreten beurteilt. Es wird registriert, ob sie ein Kleid oder eine Lederhose anhaben. Diskutieren sie engagiert, wirft man ihnen vor, sie seien zu emotional. Sind sie zurückhaltend, dann haben sie in den Augen der anderen keine Foto: Stollberg Meiner Erfahrung nach kann man junge Kolleginnen und Kollegen durchaus zur Mitarbeit bewegen. Man muss auf diese aber eben auch ernsthaft zugehen. Wenn Mann von vornherein als Vorstand alles als Chefsache deklariert, muss man sich nicht wundern, wenn es keinen Nachwuchs gibt. Und man muss als alter Hase in dem Geschäft auch mal etwas abgeben, den jungen Kolleginnen und Kollegen Aufgaben übertragen und vielleicht auch irgendwann den Platz räumen. Spontan fallen mir sogar mindestens zwei tolle Kolleginnen ein, die gerne in ein Vorstandsamt gehen würden, aber mit fadenscheinigen Argumenten ausgebremst werden. Wer die Diskussion auf der Vertreterversammlung verfolgte, hatte mitunter den Eindruck, dass an einigen männlichen Delegierten die Emanzipation vorbeigegangen ist. Wenn sich die Kollegen nicht bewegen wollen, muss man nicht dann zu dem Schluss kommen, dass es ohne Quote nicht geht? Zum Teil fühlte man sich echt ins vergangene Jahrhundert zurückversetzt. Es fehlten nur noch so Sprüche wie „Frauen gehören doch an den Herd“. Ich war allerdings immer gegen eine Quote, da es mir persönlich immer wichtig war, aufgrund meiner Expertise ein Amt zu begleiten und nicht aufgrund einer Quote. Allerdings haben wir ja auch im jetzigen System quasi Quoten, sei es dass die Verbandszugehörigkeit darüber entscheidet, ob jemand in ein Amt gewählt wird oder ZBW 12/2020 www.zahnaerzteblatt.de

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