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Das Schiedsamt hat gesprochen – was nun?

Ausgabe 12/2018

8 Berufspolitik Fotos:

8 Berufspolitik Fotos: © KZBV/Michelle Spillner AG KZVen in der KZBV-VV „Selbstverwaltung muss neue Wege gehen“ „Wir wollen uns nicht von der Veränderung treiben lassen, sondern wir wollen mitgestalten“ so brachte Gastgeber Stephan Allroggen den Anspruch vieler Delegierter an die Vertreterversammlung (VV) der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) am 7. und 8. November in Frankfurt auf den Punkt. Damit deutete der Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Hessen in seinen Begrüßungsworten an, was die Vertreterinnen und Vertreter der 17 Länder- KZVen in den folgenden zwei Tagen diskutieren und in verschiedenen inhaltlichen Beschlüssen auf den Weg bringen sollten. Gesundheitspolitische Konzepte, Strukturen im Wandel, veränderte Bedingungen der Berufsausübung, andere Ansprüche der nächsten Generation von Zahnärztinnen und Zahnärzten an den Berufsalltag und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Diese Herausforderungen muss die Selbstverwaltung anerkennen und aktiv gestalten. Das Signal war deutlich: Die Vertreterversammlung der KZBV als oberstes Beschlussorgan der 54.000 Vertragszahnärzte in Deutschland belässt es nicht bei Bitten und Appellen an den Gesetzgeber, im Gegenteil. Sie will aus eigener Kraft die Entwicklung der zahnärztlichen Versorgungsstrukturen im Land in die richtigen Bahnen lenken und Fehlsteuerungen effektiv bekämpfen. Dass die bestehenden Strukturen erheblichen Herausforderungen, ja Bedrohungen ausgesetzt sind, auch darüber herrscht innerhalb der Standespolitik im Wesentlichen Einigkeit. Dieser Tenor zog sich dementsprechend durch die zweitägige Debatte. Gesundheitspolitik. Der Vorsitzende des Vorstands der KZBV Dr. Wolfgang Eßer analysierte in der gegenwärtigen Politik einen Angriff auf die Selbstverwaltung und stellte unter großer Zustimmung fest, dass die Kultur des gemeinsamen Gestaltens und gegenseitigen Vertrauens von Politik und den Körperschaften zunehmend durch einseitiges Verwalten und Misstrauen ersetzt werde. Die im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) vorgesehenen Regelungen zu Vorstandsdienstverträgen etwa wurden einstimmig als ein schwerwiegender Eingriff in die Autonomie der zahnärztlichen Selbstverwaltung gesehen. Dr. Eßer stellte die reichlich rhetorische Frage in den Raum, ob die ZBW 12/2018 www.zahnaerzteblatt.de

Berufspolitik 9 Selbstverwaltung etwas so grundlegend falsch mache, dass dies gesetzliche Maßnahmen provoziere, oder ob nicht die Politik komplett in die falsche Richtung unterwegs sei und dadurch kein Platz mehr für Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung bliebe. Die Antwort war eindeutig: Die Selbstverwaltung ist auf dem richtigen Weg, dies zeige sich an den Spitzenwerten bei der Mundgesundheit im internationalen Vergleich, der erfolgreichen Entwicklung bedarfsgerechter und qualitätsorientierter Versorgungskonzepte sowie höchster Werte bei der Patientenzufriedenheit. Z-MVZ. Unter den verschiedenen Entwicklungen, die die bewährte zahnärztliche Versorgung auf die Probe stellen, nahm die Debatte um die zahnmedizinischen MVZ den prominentesten Platz ein. Die flächendeckende, wohnortnahe und qualitätsgesicherte Versorgung wird nur durch freie Zahnarztwahl und freiberufliche Berufsausübung der Zahnärzteschaft und nicht durch große, fremdkapitalgesteuerte und auf Gewinnmaximierung getrimmte „Zahnfabriken“ langfristig sichergestellt werden können. Allerdings hat das Thema in der Realität natürlich weit mehr Facetten und Schattierungen, auf die es standespolitisch gleichwohl zu reagieren gilt. Vehement forderten die Delegierten Maßnahmen gegen den Eintritt versorgungsfremder Investoren in die zahnärztliche Versorgung (Dr. Eßer: „Renditeträchtige Kapitalanlage für Scheichs und Kaffeeröster“). Im TSVG solle ausdrücklich geregelt werden, dass die Gründungsberechtigung von Krankenhäusern für Z-MVZ auf räumlich-regionale sowie medizinisch-fachliche Bezüge beschränkt wird. Damit könnte ein zentrales Einfallstor für Kapitalinvestoren in die Versorgung geschlossen werden. Selbstverwaltung. Eine Botschaft der Vertreterversammlung war das Bekenntnis zur eigenen Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit. Man dürfe nicht nur nach der Politik rufen, um Fehlentwicklungen zu begegnen. „Die Selbstverwaltung ist selbst in der Lage, etwas zu tun, und das sollten wir tun“, so der Tenor. Dazu müsse man den veränderten Berufsausübungsbedingungen Rechnung tragen. Denn während die Zahl der niedergelassenen Zahnärztin- Bereits seit einigen Jahren ringen die 17 KZVen darum, entweder die Begrenzung der Anzahl der angestellten Zahnärzte (AGZ) in Einzeloder Mehrbehandlerpraxen anzuheben oder es bei der bestehenden Regelung im Bundesmantelvertrag (BMV-Z) mit zwei je niedergelassenem Zahnarzt zu belassen. Einig war man sich darin, dass aus Qualitätssicherungsgründen die Aufsichtspflicht der Praxisinhaber gegenüber den AGZ bei einer völligen Freigabe der Anzahl der AGZ nicht mehr gegeben sein kann. Es ging letztendlich um zwei oder bis zu vier AGZ pro niedergelassenem Zahnarzt, zumal im Bundesmantelvertrag für die Ärzte schon länger die Anzahl von drei und in begründeten Ausnahmefällen von bis zu vier angestellten Ärzten geregelt ist. Einige KZVen fürchteten aber die Zunahme von sog. Großpraxen zulasten der klassischen Einzelpraxen und eine schwierigere Kontrollmöglichkeit über solche Praxisstrukturen. Die KZV BW sprach sich schon immer klar und deutlich für die Anhebung auf bis zu vier AGZ aus. Seitdem die Anzahl der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und parallel dazu die Anzahl der AGZ stark zunimmt, steigt der Druck auf die KZVen, sich dem „Markt“ zu stellen oder weiter auf traditionellen Strukturen zu beharren. Tatsache ist, dass die MVZ politisch gewollt und nicht mehr wegzudiskutieren sind. Die Politik dazu zu bewegen, auch in den MVZ die Anzahl der AGZ zu begrenzen und damit gleiche Bedingungen für alle Praxisstrukturen zu schaffen, ist aussichtslos. Man weiß Kommentar Zwei AGZ, drei, vier? Frage lösen! inzwischen, dass mindestens 50 Prozent der MVZ vormals Mehrbehandlerpraxen waren, die nur wegen der Begrenzung auf zwei AGZ in MVZ umgewandelt wurden. Um die Initiative wiederzugewinnen, sind die KZVen quasi gezwungen, endlich die Anzahl auf bis zu vier AGZ zu erhöhen. Das ist ohne die Politik möglich, indem der BMV-Z im Einvernehmen mit den GKV- Kassen entsprechend angepasst wird. 16 KZVen haben folglich klar dafür gestimmt, dass die KZBV beauftragt wird, entsprechende Ver- handlungen mit den GKV-Kassen aufzunehmen. Das ist auch ein Zeichen an die Politik, dass die Selbstverwaltung funktioniert. Und es ist ein Signal an die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte, dass sie in bewährten Praxisstrukturen nach ihrer Ausbildungszeit als AGZ bleiben können mit der Option, in die Praxis als Teilhaber einzusteigen und in die Niederlassung zu gehen. Praxen brauchen bei geplanter Vergrößerung nun nicht mehr zwangsweise in ein MVZ umgewandelt werden. Rein statistisch gesehen sind in der überwiegenden Mehrzahl der MVZ drei bis vier angestellte Zahnärzte tätig. Natürlich ist damit die Problematik der Zunahme von fremdkapitalgesteuerten MVZ nicht gelöst. Deshalb ist es richtig und notwendig, die Gründungen von MVZ über den Aufkauf von maroden Krankenhäusern zu begrenzen, indem ein fachlicher und räumlicher zahnärztlicher Bezug zur Bedingung gemacht wird. Aber dafür gilt es, bei der Politik noch manch dickes Brett zu bohren, damit diese Bedingung noch in das geplante Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) einfließen kann. Dr. Hans Hugo Wilms www.zahnaerzteblatt.de ZBW 12/2018

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