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Das Schiedsamt hat gesprochen – was nun?

Ausgabe 12/2018

32 Regionen Interview

32 Regionen Interview mit ZA Harald Hoffmann Wir brauchen gute, engagierte Leute Harald Hoffmann könnte sich damit zufriedengeben, dass er als Zahnarzt die Menschen versorgt. Tut er aber nicht. Da ist zum Beispiel die Betreuung von Senioren, das Engagement als Berufsschullehrer, die Funktion als stellvertretender Vorsitzender der Kreisvereinigung, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in seiner Stadt Rottweil. Hoffmann sagt, dass es um mehr geht, dass er den Menschen etwas mitgeben will. Er hat es in seinem Leben selbst so erfahren. Ein Interview mit einem Zahnarzt von der Basis. ZBW: Herr Hoffmann, Sie sind ein erfahrener Zahnarzt, Sie sind sehr engagiert und ehrenamtlich tätig für Ihren Berufsstand. Zahnarzt, Engagement, Ehrenamt: Warum gehört das für Sie zusammen? Hoffmann: Als Zahnarzt muss ich im Grunde das Fachliche herüberbringen, möglichst gut natürlich, dann passt das. Mir reicht das aber nicht. Ich habe in meinem Leben sehr soziale Menschen kennengelernt, die andere unterstützt haben, ihnen geholfen haben, die in der Gesellschaft aktiv sind, die über den Tellerrand hinausschauen. Den Menschen etwas mitzugeben, das hat mich geprägt. Dabei stand es für mich erst gar nicht zur Debatte, Zahnarzt zu werden. Ich komme nicht aus einer Zahnarztdynastie, mein Vater ist Polizeibeamter, meine Mutter ist Krankenschwester. Ich habe dann zunächst Zahnarzthelfer gelernt und erlebt, dass mich die Zahnärzte immer unterstützt und mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden sind. Ich habe beeindruckende Menschen kennengelernt, für die das auch zusammengehört Beruf, Engagement, auch im Ehrenamt. Seit wann sind Sie stellvertretender Vorsitzender der Kreisvereinigung Rottweil? Wie sind Sie zu diesem Ehrenamt gekommen? len an, ein Kollege aus dem Kreis ist dann nicht für den Kreisvorsitz, sondern für die Vertreterversammlung angetreten. Mein Kollege Tom Schlachta, der Vorsitzende der Kreisvereinigung Rottweil und Senioren- und Behindertenbeauftragte, kannte mich von meiner Arbeit in den Seniorenheimen und fragte mich, ob ich Lust habe, mich in Zahnarzt Harald Hoffmann engagiert sich ehrenamtlich für seinen Berufsstand. der Kreisvereinigung zu engagieren und mich als stellvertretender Kreisvorsitzender zur Wahl zu stellen. Und da habe ich gesagt: Ja, das mache ich. An der Basis sind Sie unmittelbar Ansprechpartner Ihrer Kolleginnen und Kollegen für drängende Themen, für Probleme. Was brennt denn den Zahnärzten auf den Nägeln? Da gibt es klassische Themen und auch Aufregerthemen, wie beispielsweise den Verordnungs- Foto: privat Ich bin vor zwei Jahren von den Kolleginnen und Kollegen in unserer Kreisvereinigung gewählt worden und auch ein bisschen hineingerutscht. Damals standen die Wahwahnsinn, die wachsende Bürokratie, unverhältnismäßige politische Forderungen, viel zu viel Gesetzgebung und noch einiges mehr. Es geht eben konkret um die Praxis und die Praxisführung oder um den Nachwuchsmangel bei den Helferinnen. Derzeit ist natürlich die Einführung der neuen TI und die damit verbundenen Aufwendungen ein heißes Thema. Ebenso der Datenschutz, hier gab es eine Übergangsfrist von zwei Jahren, die ungenutzt und unbekannt war. Gelegentlich kommen auch Fragen zu Kooperationsverträgen. Wie ist denn die Diskussion unter den zahnärztlichen Kolleginnen und Kollegen? Sachlich, emotional, kritisch? Auch Zahnärzte können vom Leder ziehen. Über eine politische Diskussion um fünf Stunden mehr Sprechstundenangebot in der Woche, die gerade losgetreten wurde, kann man sich schon mal aufregen und das auch emotional diskutieren. Es geht ja völlig an den Tatsachen vorbei. Nehmen wir die ständig zunehmende Bürokratie in der Praxis, die kostet vor allem wertvolle Zeit. Ich bin in etwa 39 Stunden in der Woche nur für meine Patientinnen und Patienten da und das sehr gerne! Den anderen Aufwand nur für die Praxis packe ich oben drauf, summa summarum sprechen wir von 45 bis 50 Stunden Arbeitszeit pro Woche. Dazu kommt dann noch die Berufsschule. Ich bin da auch nicht allein, salopp gesprochen: Nach der Praxis ist vor der Praxis. Aber das Schöne an unserem Beruf als Zahnarzt ist ja, den Menschen zu helfen, das überwiegt die Belastungen. Die fachlichen Diskussionen in der Kollegenschaft schätze ich sehr, da nimmt man immer etwas mit. Kennen Sie das aus Ihrer Umgebung, dass die Praxis geschlossen wird und man keinen Nachfolger findet? ZBW 12/2018 www.zahnaerzteblatt.de

Regionen 33 Ja, das gibt es. Bei mir ums Eck in einer Nachbargemeinde hat ein sehr netter Kollege vor Kurzem seine Praxis geschlossen, er hatte keinen Nachfolger gefunden. Die Ortschaft hat händeringend danach gesucht. Da überlegt man sich schon, ob man vielleicht einen zweiten Standort aufmacht, noch jemanden anstellt aber das Problem ist einfach die Zeit, die man dafür mehr aufwenden müsste, ohne den Stammsitz zu vernachlässigen. Mir geht es nicht darum, eine Kette zu eröffnen, sondern um die Versorgung gerade im ländlichen Raum für die Leute vor Ort sicherzustellen. Das Ehrenamt braucht zahnärztlichen Nachwuchs. Aus Ihrer Sicht: Wie kann man junge Leute gewinnen, was kann man konkret tun? Als ich an der Uni war, habe ich von den Körperschaften überhaupt nichts mitbekommen. Wir waren im Studium ziemlich abgeschottet. Ich erinnere mich aber sehr gerne an unsere Fußballspiele zwischen Assistenten und Zahnärzten, das war eine gute Gelegenheit, in Kontakt zu kommen. Heute ist es anders, da wird einiges gemacht, es gibt auch direkten Kontakt zu den Fachschaften. Nachwuchs für das Ehrenamt zu finden, klappt vor allem über den direkten Kontakt mit den Menschen. Wenn die jungen Kollegen in den Assistenzbereich reingehen, kommen sie auch mit Kammer und KZV in Kontakt. In der Kreisversammlung lernt man sich kennen, da kann man die jungen Kollegen ansprechen. Wir brauchen gute Leute, die sich einsetzen, die über den Tellerrand „Zahnarztpraxis“ hinausschauen und die Betätigungsfelder abdecken. Es stimmt, es gibt viele Baustellen, weil oftmals keiner da ist, der etwas unternimmt. Sie betreuen zum Beispiel viele ältere Menschen, machen Hausbesuche, behandeln in Seniorenheimen. Salopp gefragt: Schließen Sie hier eine Baustelle? Zumindest einen Teil davon hier in meiner Heimatstadt und in der Umgebung. Ich habe schon gesagt, dass ich einige Seniorenheime betreue und auch Hausbesuche mache. Man darf sich das nicht so vorstellen wie in der Praxis: Patient sitzt, alles klar, Mund auf, Licht rein. Gerade bei den Älteren braucht man sehr viel mehr Zeit, man hat nur eine begrenzte Möglichkeit an Eingriffen. Unser Gesundheitswesen ist da etwas auf dem Holzweg, weil es immer schneller gehen muss, immer mehr Patienten in der gleichen Zeit, dabei soll immer weniger bezahlt werden. Es geht bei uns nicht ausschließlich um Zähne, sondern es geht um die Menschen. Gesund beginnt nun mal im Mund! Sie unterrichten auch in der Berufsschule im Fachbereich für die Zahnarzthelferinnen … Ja, es macht mir einfach Spaß, den jungen Menschen Wissen und Erfahrungen zu vermitteln, ihnen etwas mitzugeben. Da geht’s durchaus auch darum, dass mal eine Helferin Stress hat mit ihrem Chef oder mit Kolleginnen hat und nicht weiß, was sie tun soll. Ich habe es schon erlebt, dass eine Auszubildende kurzfristig auf den Flughafen verfrachtet wurde zur Abschiebung. Das sind echte, handfeste Probleme, die ein junger Mensch hat. Wir Zahnärzte regen uns über vieles in der Praxis auf, was für junge Menschen, insbesondere Auszubildende und noch dazu mit nicht badenwürttembergischen Wurzeln, sehr weit weg ist. Man wird durch diese anderen existenziellen Probleme wieder geerdet. Die Zahnärzteschaft ist ein umtriebiger, ideenreicher Berufsstand, das wird die junge Generation auch in sich tragen. Das stimmt, aber über Pauschalveranstaltungen erreicht man sie nicht. Das Angebot heute ist ja schon besser geworden, auch die Körperschaften leisten einen Beitrag, man geht zum Skifahren, feiert Feste, macht spezielle Fortbildungen und vieles mehr. Vielleicht muss man die junge Generation noch besser und für sie passender ansprechen. Zahnmedizinstudierende sind alles Abiturienten, die ihr Abi mit sehr guten Noten gemacht haben, die sehr intelligent sind und vielfältige Interessen haben. Das sind natürlich beste Voraussetzungen, auch ins Ehrenamt einzusteigen Gesetzt den Fall, Sozialminister Manne Lucha würde Ihnen einen Tag lang die Dienstgeschäfte übertragen. Was würden Sie sofort umsetzen? Ich würde als allererstes ein Qualitätsmanagement für Beschlüsse und Gesetze einführen. Was bringt ein Gesetz konkret für die Betroffenen, Vorteile und Nachteile, am Besten unabhängig von der Couleur der Parteien geprüft, das ist das Qualitätskriterium. Vieles bringt gar nichts, auch dem Patienten nicht. Exemplarisch das Terminbeschleunigungsgesetz, es wird sich nichts ändern, weil nicht mehr Ärzte da sind und weil man die, die da sind, nicht zu 90 Stunden in der Woche verdonnern kann. Der Brandschutzbeauftragte ist von der Theorie her gut, aber ich kenne keine Praxis, in der es während der Sprechstunde gebrannt hat. So ein Minister muss rausgehen an die Basis und fragen: Wo sind die Probleme? Herzlichen Dank für das Gespräch! Info Die Fragen stellte Guido Reiter Harald Hoffmann verheiratet, drei Kinder 1992 bis 1999 Studium der Zahnmedizin an den Universitäten Würzburg und Tübingen 1998 bis 2000 Studium der Medizin an der Universität Tübingen 2000 bis 2004 Assistenzzahnarzt an der Zahnklinik der Universität Würzburg, Abteilung für Parodontologie unter Prof. Schlagenhauf seit 2004 selbstständig in eigener Praxis seit 2006 Betreuung von Seniorenheimen seit 2008 Berufsschullehrer für Abrechnung und Behandlungsassistenz seit 2016 Stellv. Vorsitzender der Kreisvereinigung Rottweil www.zahnaerzteblatt.de ZBW 12/2018

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