26 Fortbildung Herbstkonferenz in Baden-Baden Geplante Zufälle Plan oder Zufall? Das ist eine schwierige Frage. Oder um es mit Friedrich Dürrenmatt zu formulieren: Je planmäßiger ein Mensch vorgeht, desto wirksamer vermag ihn der Zufall zu treffen. Gilt das auch für die zahnärztliche Behandlung? „Wir Zahnärzte sind stolz darauf, planen zu können“, betonen Prof. Dr. Winfried Walther und Dr. Norbert Engel, geben aber zu, „dieser Stolz ist nicht ungefährlich“. Denn: Das Planen löst nicht jedes Problem, das Unerwartete ist allgegenwärtig. Aus diesem Grund haben die Referenten der diesjährigen Herbstkonferenz von Akademie Karlsruhe und BZK Karlsruhe das Verhältnis zwischen Plan und Zufall untersucht. Die DMS V zeigt gegenüber der letzten Mundgesundheitsstudie eine deutliche Reduktion bei den schweren Parodontitisverläufen. Ist die Parodontitis in Deutschland jetzt also ausgerottet? Mitnichten, behauptet PD Dr. Christian Graetz. Sie bleibt Volkskrankheit Nr. 1. Was läuft falsch? Bleibt nur noch die Konkursplanung bei der parodontalen Langzeittherapie? Das klassische Bild der Behandlungsplanung gilt nicht bei der PAR-Behandlung, so Dr. Graetz. Dem entgegen stellte er sein Kieler Konzept, das auf einer risikoorientierten Therapie und Prävention beruht. „Erwarten Sie das Unerwartete“, appellierte er. Nicht immer ist die Extraktion von erkrankten Zähnen und der Ersatz durch Implantate die beste Lösung. „Wir kennen nicht alle Risikofaktoren bei der Parodontitis“. In Absprache mit dem Patienten und bei frühzeides Gesprächs er sich gerade befindet. Trotz aller Planung ist jedes Gespräch ein sich Einlassen auf den Gesprächspartner. Prof. Walther spricht von Demut, „wir wissen nicht im Vorhinein, was unser Gegenüber sagt und wie wir darauf reagieren werden“. Dieser bewusste Einsatz des Unwissens ist eine wichtige Ressource. tiger Sensibilisierung lassen sich Zähne langfristig erhalten. Unwissen als Ressource. Gespräche zwischen Zahnärzten und ihren Patienten zur Behandlungsplanung nehmen eine Schlüsselrolle in der Zahnarztpraxis ein. Lässt sich diese Kommunikation planen? Zur Beantwortung dieser Frage war der Soziologe Dr. Frank Oberzaucher nach Baden-Baden eingeladen. Die Soziologie macht das Selbstverständliche zum Thema – selbstverständlich ist auch die Kommunikation und das Gespräch. Jedes Planungs- und Behandlungsgespräch durchläuft verschiedene Phasen über die Eröffnung, die Klärung der Behandlungsvoraussetzungen, die Schilderung des Vorhabens über die Rückfrageangebote bis zum Gesprächsabschluss. Gesprächskompetent ist derjenige, der sich bewusst ist, in welcher Phase Was denkt der Patient? Ist er zufrieden? Wurden seine Erwartungen erfüllt oder ist er enttäuscht? Das Netzwerk Integrated Dentistry hat nachgefragt und Patienten gebeten, vor und nach der Behandlung über ihr Denken und ihre Erfahrungen der Behandlung Auskunft zu geben. Dr. Steffen Müller berichtete über die Ergebnisse der Netzwerk- Befragung. Ziel der praxisnahen Untersuchung war es, „unsere Patienten besser zu verstehen und zu erfahren, was die Praxis besser machen kann“. Im Allgemeinen gelingt die Erfüllung der Erwartungen in eindrucksvoller Weise. Eine besondere Erfahrung zum Thema nicht erfüllte Erwartungen und Enttäuschungen steuerte Mike Jacob bei: Er berichtet über sein Erleben mit einem syrisch-stämmigen Patienten, bei dessen Behandlung weder die Patientenerwartung noch die Erwartungen des Behandlers erfüllt wurden. Arbeitsteilung. BZK-Vorsitzender Dr. Norbert Engel begrüßte die Teilnehmer/innen der diesjährigen Herbstkonferenz, Akademie- Direktor Prof. Dr. Winfried Walther moderierte die Konferenz. ZBW 12/2018 www.zahnaerzteblatt.de
Fortbildung 27 Parodontale Langzeittherapie. „Planen wir den Konkurs?“ fragte PD Dr. Christian Graetz. Kommunikation. Die Grenzen der Planbarkeit der Arzt-Patienten-Kommunikation zeigte Soziologe Dr. Frank Oberzaucher auf. Mehr als Bürokratie. Die Meinungen zum Qualitätsmanagement reichen von „langweilig“ über „kaum zu bewältigen“ bis „ermöglicht Struktur und Führung für die Praxis“. Auf jeden Fall bietet Qualitätsmanagement den zahnärztlichen Praxen umfangreiche und interessante Methoden und Werkzeuge. Und die stellte Daniela Söhner bei der Herbstkonferenz vor. Die ärztliche Dienstleistung ist für den Patienten eine Black Box, d. h. schwer beurteilbar. Er schließt deshalb aufgrund anderer Dinge wie Ausstattung der Praxis, Freundlichkeit des Teams oder Erreichbarkeit auf die Qualität der Dienstleistung. Daniela Söhner machte das Auditorium mit den verschiedenen Qualitäts- Dimensionen, dem Plan-Do-Check- Act-Zyklus, dem Kano- und GAP- Modell vertraut. All diese Werkzeuge helfen dabei, das Praxisangebot spezifischer auszurichten und die Kommunikation mit den Patienten zu verbessern. Ein gutes Beispiel ist das Beschwerdemanagement. „Viele Kunden oder Patienten beschweren sich nicht, sie kommen einfach nicht mehr“, erläutert Daniela Söhner, „dabei sind Beschwerden ein Geschenk zur Optimierung der Abläufe und Strukturen in der Praxis“. Zurück auf Anfang. Eigentlich lässt Albrecht Kresse am Schluss den Fortbildungstag Revue passieren. In diesem Jahr folgte ihm mit Vince Ebert noch ein letzter Referent. Das tat jedoch der guten Stimmung keinen Abbruch, die er mit seinem ironischen Resümee der wichtigsten Inhalte aller Vorträge per Flipchart-Skizze gab. Zufällig erfolgreich. Als „zufällig erfolgreich“ kann man Vince Ebert nicht gerade bezeichnen. Der aus dem bayerischen Odenwald stammende Diplom-Physiker ist Bestseller-Autor, TV-Moderator und Kabarettist. Sein Konzept: Wissenschaft mit Humor verbinden. Zum Tagungsthema Zufall oder Planung konnte Vince Ebert einiges beitragen, schließlich spielt auch in der Wissenschaft der Faktor Zufall eine wesentliche Rolle: Tesafilm sollte ursprünglich Heftpflaster werden und Viagra wurde entdeckt, weil männliche Versuchspersonen ein Herzmedikament in der Testphase partout nicht mehr absetzen wollten. Zufälle sind absolut notwendige Bedingungen für Fortschritt und Innovation – und natürlich Menschen, Menschen mit Humor, mit Fantasie und Vorstellungskraft, Menschen, die Ideen produzieren und damit zu begeistern wissen und die auch den Mut zu Fehlern haben. Vince Ebert appellierte an sein Baden-Badener Auditorium: „Brechen Sie ab und zu auch mal die Regeln – und pinkeln Sie ins Schwimmbad!“ » mader@lzk-bw.de Qualitätsmanagement. Daniela Söhner verdeutlichte den Zusammenhang zwischen Behandlungserfolg und QM. Zufällig erfolgreich. Physiker Vince Ebert begeisterte das Auditorium mit seinen humorvollen Betrachtungen zur Wissenschaft. Fotos: Markus Lehr www.zahnaerzteblatt.de ZBW 12/2018
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