22 Fortbildung Ein Fall aus der Poliklinik der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe 3D-Augmentation von komplexen Knochendefekten Der vorliegende Fall beschreibt die Situation einer Patientin mit ausgedehnten Knochendefekten, verursacht durch eine Parodontitis sowie eine Periimplantitis. Diese entzündlichen Prozesse haben zum Teil- sowie Komplettverlust des Alveolarfortsatzes geführt. Die horizontale und vertikale Rekonstruktion der komplexen Kieferkammdefekte erfolgte durch eine 3D-Augmentation. Für dieses Vorgehen wurde die Schalentechnik nach Khoury angewandt. Nach Abschluss der chirurgischen Therapiephase erfolgte die prothetische Rehabilitation durch einen festsitzenden Zahnersatz. Ein ideales Implantatlager fehlt häufig aufgrund von vorangegangenen parodontalen Entzündungsprozessen. Wenn man sich die Prävalenz von chronischen Parodontalerkrankungen vor Augen hält, so erklärt dies die Tatsache, dass der implantologisch tätige Zahnarzt häufig vor der Frage steht, wie derartige Knochendefekte sicher und vorhersagbar zu regenerieren sind. Kleine Defekte können meist mit Knochenersatzmaterialien, gegebenenfalls in Kombination mit Eigenknochen und Membrantechniken [1-3], augmentiert werden. Bei komplexen Knochendefekten, bei denen sowohl die Knochenhöhe als auch die -breite rekonstruiert werden müssen, gelangen solche Techniken an ihre mechanischen und biologischen Grenzen. In diesen Fällen müssen 3D-Augmentationstechniken angewandt werden [3], die zu vorhersagbaren Ergebnissen führen. Befund. Klinischer Befund bei der Erstvorstellung. Die Abbildung stellt außerdem die geplanten Extraktionen sowie die Explantation regio 31 dar (Abb. 1). Abb. 2a Abb. 2b Frontalansicht. Klinischer Befund in der Frontalansicht bei der Erstvorstellung (Abb. 2a). Okklusalansicht des Unterkiefers bei der Erstvorstellung - massive Zahnsteinbildung in der Unterkieferfront (Abb. 2b). Kasuistik. Der vorliegende Fall beinhaltet eine Situation mit komplexen Knochendefekten, die durch entzündliche Prozesse entstanden sind. Es soll beispielhaft eine Möglichkeit der 3D-Augmentation vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen Limitationen gängiger Augmentationstechniken dargestellt werden. Anamnese. Eine damals 43-jährige Patientin stellte sich im Jahr 2014 in der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe vor. Die Allgemeinanamnese war unauffällig. Die Patientin gab an, zwei Zigaretten täglich zu rauchen. Grund für ihre Vorstellung waren rezidivierende Beschwerden am Implantat regio 31, das vor ca. 30 Jahren inseriert wurde, sowie ihr ästhetisch unzufriedenstellendes Erscheinungsbild. Aufgrund einer Zahnarztphobie war die Patientin über einen längeren Zeitraum nicht mehr in zahnärztlicher Behandlung. Befund. Der klinische Befund der Patientin ergab das Vorliegen von ausgeprägten Knochendefekten, verursacht durch parodontale Entzündungsprozesse an den Zähnen 16, 11, 21, 26, 27, 32 und 41 sowie einer kombinierten Endo-Paro-Läsion am Zahn 46. Eine fortgeschrittene Periimplantitis lag in regio 31 vor. Zwischen den Zähnen 11 und 21 zeigte sich ein ausgeprägtes Diastema mediale. Insbesondere im Bereich der Unterkieferfrontzähne waren massiv Zahnstein, weiche Beläge sowie Verfärbungen erkennbar. Die Gingiva wies Rezessionen in regio 11/21 sowie 32 bis 41 auf. Die Füllungen an den Zähnen 26 und 46 waren insuffizient (Abb. 1 bis 3). Therapie. Der vorliegende Befund sowie dessen Ursachen wurden mit der Patientin ausführlich diskutiert. Die Zähne 16, 11, 21, 26, 27, 32, 41 und 46 sowie das Implantat regio 31 wurden als nicht erhaltungsfähig eingestuft. Da die Patientin einen herausnehmbaren Zahnersatz ablehnte und das Beschleifen der vorhandenen Restbezahnung vermeiden wollte, erfolgte eine Beratung bezüglich eines implantatgetragenen festsitzenden Zahnersatzes. ZBW 12/2018 www.zahnaerzteblatt.de
Fortbildung 23 Die Behandlungsplanung sah vor, dass im ersten Schritt die oben genannten Zähne und das Blattimplantat regio 31 entfernt werden sollten. Durch die Entfernung der langfristig nicht beherrschbaren parodontal geschädigten Zähne sollte die Erfolgsprognose der anschließend vorgesehenen Parodontitistherapie für die Restzähne verbessert werden. Die provisorische Versorgung der Lücke erfolgte auf Patientenwunsch mit einer Interimsprothese. In den folgenden drei Monaten bis zur geplanten Augmentation und Implantation sollten die Extraktionswunden abheilen und eine Parodontitistherapie durchgeführt werden. Nach Insertion, Osseointegration und Freilegung der Implantate war die prothetische Versorgung vorgesehen. Nachdem die Behandlungsplanung unter Berücksichtigung der möglichen Alternativen mit der Patientin in mehreren Aufklärungsgesprächen ausführlich diskutiert wurde, entschied sich diese für das geplante implantologische Vorgehen. Da die Patientin den prothetischen Lückenschluss im Bereich der Oberkieferfrontzähne wünschte, wurde ein Wax-up zur Beurteilung der neuen möglichen Situation geplant. Im Mai 2015 erfolgte die Zahnentfernung sowie die Entfernung des Blattimplantats regio 31 in Lokalanästhesie (Abb. 4 und 5). Das vorhandene Granulationsgewebe wurde durch Kürettage entfernt, und es wurden Kollagenkegel (PARAORB ® Cone, Fa. Resorba, Nürnberg, Deutschland) für eine socket preservation in die Extraktionsalveolen eingebracht. Es folgte eine systematische Parodontitistherapie in Lokalanästhesie sowie die Reevaluation der parodontalen Befunde. Nachdem die Mundhygiene und die Compliance der Patientin optimiert werden konnten, verbesserten sich die parodontalen Befunde erheblich. Für die parodontale Nachsorge wurden Intervalle von vier Monaten festgelegt. Im Juli 2015 erfolgten die Augmentation und teilweise auch bereits die Implantation in Intubationsnarkose. Perioperativ erhielt die Patientin eine Antibiose sowie 100 mg Decortin, um Schmerzen, Schwellung und Infektionsrisiko auf ein Minimum zu reduzieren. Es wurden die Implantate in regio 16, 11, 26, 27 und 46 (AST- RA TECH OsseoSpeed EV, Fa. DENTSPLY IH GmbH, York, USA) eingebracht. Regio 16 sowie 26/27 erfolgte ein externer Sinuslift (Bio-Oss ® Spongiosa Granulat, 0,25 bis 1 mm, Fa. Geistlich, Wolhusen, Schweiz). Die Kieferkammdefekte wurden durch die Schalentechnik nach Khoury rekonstruiert. Hierfür erfolgte eine retromolare Knochenblockentnahme beidseits des Unterkiefers. Die gewonnenen Transplantate wurden mittels diamantierter Scheiben in zwei Knochenscheiben geteilt und für die horizontale und vertikale Augmentation regio 11, 21, 26 und 32 bis 41 verwendet (Abb. 6 bis 8). In regio 38 und 48 wurden zusätzlich Knochenpartikel mit einem Implantat-Pilotbohrer gewonnen und mittels einer Knochenfalle aufgefangen, die zum Auffüllen der Hohlräume zwischen den Knochenschalen verwendet wurden. Ein spannungsfreier Wundverschluss wurde durch eine Periostschlitzung ermöglicht. Die Provisorien wurden an die neue Situation angepasst. Abschließend erfolgte eine Röntgenkontrollaufnahme (Abb. 9). Abb. 3 Ausgangsbefund. Die Panoramaschichtaufnahme stellt den Ausgangsbefund dar (Abb. 3). Im Oktober 2015 wurden die Implantate regio 16, 11, 26, 27 und 46 in Lokalanästhesie freigelegt. Zeitgleich wurden regio 11, 21 sowie 32 bis 41 die Osteosyntheseschrauben entfernt und die noch ausstehenden Implantate regio 21, 32 und 41 inseriert (Abb. 10 und 11). Eine Osteosyntheseschraube regio 26 wurde belassen. Die Freilegung der Implantate 21, 32 und 41 erfolgte im Januar 2016 in Lokalanästhesie. Nach einer Heilungsphase der Weichgewebe wurde im März 2016 mit der prothetischen Rehabilitation begonnen. Nach Einprobe der Abutments sowie der Gerüststrukturen wur- Abb. 4 Abb. 5 Knochendefekte im Bereich der Ober- und Unterkieferfront in der Sagittalebene im DVT (Abb. 4). Postoperative Situation nach der Entfernung der nicht erhaltungsfähigen Zähne (Abb. 5). www.zahnaerzteblatt.de ZBW 12/2018
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