Aufrufe
vor 2 Jahren

Corona – ein Jahr nach dem ersten Lockdown

  • Text
  • Deutschland
  • Titelthema
  • Impfstoffe
  • Corona
  • Impfstoff
  • Praxis
  • Stuttgart
  • Menschen
  • Foto
  • Prof
Ausgabe 4/2021

42 Fortbildung

42 Fortbildung ZFZ-Winter-Akademie online 2021 Traumatologie im Milch- und Wechselgebiss Foto: ZFZ Stuttgart Aufgrund der Coronapandemie konnte die Winter-Akademie des Zahnmedizinischen Fortbildungszentrums Stuttgart (ZFZ) nicht wie in den Vorjahren als eintägige Präsenzveranstaltung stattfinden, sondern wurde kurzfristig als fünfteilige Online-Vortragsserie ausgerichtet. Thema der Veranstaltungsreihe: Traumatologie im Milchund Wechselgebiss. Ende Januar ging es mit den wöchentlichen Fortbildungsabenden im Livestream los. Bis Ende Februar konnten sämtliche Vorträge zusätzlich als Video-on-Demand abgerufen werden. Mit großem Erfolg: Über 850 Teilnehmer*innen verfolgten die Veranstaltung. Stabübergabe. Der langjährige Leiter des ZFZ Stuttgart, Prof. Dr. Johannes Einwag, moderierte im Zusammenspiel mit seiner Nachfolgerin, PD Dr. Yvonne Wagner, zum letzten Mal bei der Winter-Akademie. Die ZFZ-Winter-Akademie zählt zu den klassischen großen Präsenz-Fortbildungsveranstaltungen im Lande und hatte in den vergangenen Jahren stets Ende Januar einen festen Termin im Veranstaltungskalender. In diesem Jahr stellte die Coronapandemie das ZFZ-Organisationsteam rund um Prof. Dr. Johannes Einwag und die neue Leiterin PD Dr. Yvonne Wagner vor eine neue Herausforderung. Eine Veranstaltung in Präsenz war nicht möglich. Also wurde die Winter- Akademie nach dem Erfolg der dental6days in eine Online-Vortragsserie umgewandelt. Leitlinie. Das Thema „Traumatologie im Milch- und Wechselgebiss“ ist zeitlos, denn die Prävalenz des dentalen Traumas kann in nahezu allen Altersgruppen unabhängig von der Region weltweit mit ca. 25 bis 30 Prozent als hoch betrachtet werden. Damit ist dieses Thema absolut praxisrelevant und stellt auch erfahrene Kolleg*innen vor Herausforderungen. Zu den bekannten Risikogruppen zählen Patient*innen mit Zahnfehlstellungen, vor allem mit weit nach vorne stehenden Oberkiefer-Frontzähnen bei zurückliegendem Unterkiefer (sog. Angle-Klasse II/1). Im Rahmen eines „Monats der dentalen Traumatologie“ wurden den Teilnehmer*innen an fünf Vortragsabenden umfassende Erkenntnisse zum Zahntrauma als Alternative zur klassischen Winter-Akademie vermittelt. Gleichzeitig konnten alle Nutzer*innen aktiv am Vortragsgeschehen teilnehmen, Fragen stellen und sich im Chat untereinander austauschen. Dieses neue Format und die Möglichkeit des intensiven Austauschs mit den Referent*innen wurde seitens der Teilnehmer*innen genutzt, um neben einer Vielzahl von Fragen auch eigene Patientenfälle zu diskutieren. Ziel der Veranstaltung war es, den Teilnehmer*innen eine Handlungsempfehlung für die Praxis an die Hand zu geben. Die bis 2019 geltende S2k-Leitlinie „Therapie des dentalen Traumas bleibender Zähne“ wird derzeit überarbeitet. Zwar haben sich die biologischen und physiologischen Grundlagen, die bei der Heilung der verletzten Strukturen relevant sind, nicht geändert, aber neue Materialien und Techniken ermöglichen inzwischen optimierte Behandlungsstrategien. Die Erstversorgung des betroffenen Zahnes ist entscheidend für seine weitere Prognose. Ein weiterer Vorteil der Veranstaltung: Alle Vorträge konnten als Video-on-Demand über mehrere Wochen von allen registrierten Teilnehmer*innen abgerufen werden. Dies ermöglichte einen orts- und zeitunabhängigen Zugriff und ein wiederholtes Anschauen, individuell, auf das jeweilige Nutzerverhalten abgestimmt. Checkliste Zahntraumata. An jedem Vortragsabend übermittelte die ZFZ-Leiterin PD Dr. Yvonne Wagner quasi als „Warm-up“ zahlreiche Tipps zur praktischen Vorgehensweise bei Zahntraumata in der Praxis. Am Ende der Winter-Akademie kam dadurch eine umfangreiche fünfteilige Checkliste zusammen, die den Zahnarztpraxen zur Orientierung bei Zahnunfällen dienen soll. Folgende Punkte wurden dabei vorgestellt: • Was ist bei der Patientenaufnahme zu beachten) • Umgang mit Patient*innen (Patientenlagerung, Patientenführung) und Diagnostik • Dokumentation des Zahntraumas inkl. Unfallbericht sowie Aufklärung über mögliche Spätfolgen ZBW 4/2021 www.zahnaerzteblatt.de

Fortbildung 43 • Erstversorgung am Unfalltag (Kronenfrakturen mit und ohne Pulpabeteiligung, Wiederbefestigung von Zahnfragmenten, Kronen-Wurzel-Fraktur, Wurzelfrakturen, Weichteilverletzungen) • Patienteninstruktionen (Zahnpflegetipps und Ernährungstipps sowie Infos zur Nachsorge) Traumata im Milchgebiss. Milchzahnverletzungen treten bei Kindern mit einer Häufigkeit von bis zu 30 Prozent auf. Besonders hoch ist die Verletzungsgefahr im zweiten und dritten Lebensjahr im häuslichen Milieu, wenn das Kind laufen lernt. Prof. Dr. Katrin Bekes, Universität Wien, stellte im ersten Vortrag einen Überblick in die verschiedenen Verletzungsarten und die therapeutischen Möglichkeiten im Milchgebiss vor. Bei den Verletzungen überwiegen die Dislokationen. Prof. Bekes machte deutlich, dass eine exakte Diagnose sowie eine rasch beginnende adäquate Therapie Folgeschäden vermeiden hilft und über die Prognose des verletzten Zahnes entscheiden. Bei der Therapie im Milchgebiss spielen ästhetische Überlegungen nur eine untergeordnete Rolle. Bei der Wahl der Therapie sollte das Alter sowie die individuelle Behandlungs- und Belastungsfähigkeit des betroffenen Kindes unbedingt berücksichtigt werden. Adhäsive Versorgungen. Prof. Dr. Diana Wolff, Universität Tübingen, zeigte in ihrem Vortrag, wie direkte adhäsive Kompositbehandlungen eine zuverlässige und angemessen aufwändige Versorgung von Zahnschäden oder Zahnverlusten nach dentalem Trauma ermöglichen. Prof. Wolff stellte dabei anhand von zahlreichen Patienten-Fallbeispielen die adhäsive Versorgung eines Schmelzrisses, das Re-Attachment eines Fragments, die direkte Kompositrestauration, die indirekte Versorgung mit Veneers/Kronen sowie die Therapie eines Zahnverlusts mit Glasfaserbrücke vor. Gerade bei Heranwachsenden, aber auch in allen anderen Altersgruppen können Zahnärzt*innen heute auf Basis dieser Möglichkeiten funktionell und ästhetisch ansprechend versorgen. Direkte Kompositrestaurationen können als langfristige Versorgungen angeboten werden, oder aber das Therapiespektrum im Sinne einer semi-permanenten Versorgung bis zum Abschluss des Wachstums und der Ausbildung einer vollständigen Dentition sinnvoll ergänzen. Wenn ein Zahnerhalt nicht möglich ist, kann eine Dekoronation mit Belassen der Zahnwurzel erwogen werden. Als minimalinvasive Versorgung einer Lücke bei Schneidezähnen empfahl Prof. Wolff aufgrund der sehr guten Langzeiterfolgsraten eine einflügelige vollkeramische Adhäsivbrücke. Dislokationsverletzungen. Prof. Dr. Gabriel Krastl, Universität Würzburg, widmete sich in seinem Vortrag zuerst der Prävention von Zahnunfällen. Drei Viertel aller Zahnunfälle passieren im Kindes- und Jugendalter und stehen in Zusammenhang mit bestimmten Risikofaktoren (z. B. protrudierte Frontzähne, insuffizienter Lippenschluss, Übergewicht, Hyperaktivität oder auch das Ausüben von Risikosportarten). Entsprechende Prophylaxeempfehlungen, eine frühzeitige kieferorthopädische Intervention oder das Tragen eines Zahnschutzes bei Risikosportarten können ein Zahntrauma vorbeugen. Im zweiten Teil seines Vortrags stellte Prof. Krastl verschiedene Arten von Dislokationsverletzungen vor. Dislokationsverletzungen treten in unterschiedlichem Ausmaß auf und schädigen primär parodontale Strukturen, aber auch die Pulpa in Abhängigkeit der Auslenkung des Zahnes. Die Schienung und die nachfolgende funktionelle Belastung sollen die Regeneration parodontaler Strukturen fördern. Bei schwerwiegenden Verletzungen parodontaler Strukturen (Intrusionen und Avulsionen) ist laut Prof. Krastl mit einer hohen Gefahr von externen Wurzelresorptionen zu rechnen. Hier sollte die Förderung von Wundheilungsvorgängen der verletzten Gewebe im Fokus aller therapeutischen Bemühungen liegen. Prothetische Rekonstruktion. Prof. Dr. Matthias Kern, Universität Kiel, beschäftigte sich in seinem Vortrag mit prothetischen Rekonstruktionen nach akutem Frontzahntrauma mit frakturiertem Zahn oder Zahnverlust. Im Vordergrund standen prothetische Sofortversorgungen, die später eine optimale und minimalinvasive definitive Versorgung nicht beeinträchtigen Der Behandlungsplan sollte gerade bei Kindern und Jugendlichen in enger kieferorthopädischer Abstimmung erfolgen, denn es gilt, das Kieferwachstum bzw. die Entwicklung der bleibenden Zähne nicht zu hemmen. Prothetischer Sofortersatz erfolgt laut Prof. Kern am einfachsten mittels Adhäsivprovisorium, das später unter Berücksichtigung des Patientenalters sowohl einen definitiven implantologischen als auch adhäsivprothetischen Therapieansatz erlaubt. Spätfolgen nach Zahntrauma. Dr. Hubertus van Waes beleuchtete am letzten Vortragsabend der Winter- Akademie die langfristigen Auswirkungen von Zahntraumata. Bei Unfällen im Milchgebiss sind langfristig vor allem Schäden an der bleibenden Dentition von großer Bedeutung. Dr. van Waes betonte, dass es im Nachhinein nicht einfach sei, einen kausalen Zusammenhang zwischen Veränderungen an bleibenden Zähnen mit Unfällen im Milchgebiss herzustellen oder von anderen Ursachen (z. B. Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation/MIH)) zu unterscheiden. In der bleibenden Dentition können posttraumatisch eine Reihe von Komplikationen auftreten, die Dr. van Waes anhand zahlreicher Fallbeispiele vorstellte. Das Behandlungsspektrum beim Zahnersatz nach Zahntrauma bei Kindern und Jugendlichen reicht von einfachem Ersatz mittels Platten über orthodontische Behandlung bis hin zur Zahntransplantation. Fazit. Die hohen Anmelde- und Nutzerzahlen bei der Winter-Akademie 2021 zeigen, dass das ZFZ mit der Online-Ausgabe auf großes Interesse bei den Zahnarztpraxen gestoßen ist, nicht nur in Baden- Württemberg. Das Konzept der Winter-Akademie hat europaweite Aufmerksamkeit erlangt: 12.000 Seiten wurden auf der Online-Plattform der Winter-Akademie wurden von den über 850 Teilnehmer*innen aus ganz Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande und Belgien aufgerufen. Claudia Richter www.zahnaerzteblatt.de ZBW 4/2021

Ausgaben des Zannärzteblatt BW

© by IZZ Baden-Württemberg - Impressum - Datenschutz