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Corona – ein Jahr nach dem ersten Lockdown

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Ausgabe 4/2021

18 Titelthema

18 Titelthema Coronaimpfungen in Baden-Württemberg Der lange Weg zur Impfung Foto: Pixabay.com In rekordverdächtigem Tempo wurden 2020 weltweit mehrere Impfstoffe gegen das Coronavirus entwickelt, die dem Kampf gegen die Pandemie die entscheidende Wendung geben sollten. Mit der Umsetzung der Impfkampagnen läuft es in verschiedenen Ländern jedoch höchst unterschiedlich. Zwar wurden in Deutschland unmittelbar nach Weihnachten letzten Jahres die ersten Dosen verimpft, doch die folgenden Wochen offenbarten neben so manchem organisatorischen Problem auch, dass Versprechungen vonseiten der Hersteller und auch von Gesundheitsminister Spahn nicht eingehalten werden konnten. Der Beginn der Kampagne verlief insofern mehr als schleppend, bei zunehmender Ungeduld auf Seiten der Bevölkerung und der für die (zahn-)ärztliche und pflegende bzw. betreuende Versorgung der Bevölkerung Zuständigen. Nachfolgend zeichnen wir diese Entwicklung und die Berücksichtigung der Zahnärzt* innen in diesem Kontext nach. Weg aus der Pandemie. Bis ins Frühjahr hinein leider noch viel zu selten verabreicht die Corona-Impfung. Überblick. Der Beginn der Impfkampagne war am 27. Dezember 2020. In Baden-Württemberg wurde von Beginn an in den Pflegeheimen, in den medizinischen Einrichtungen und die mobilen Über-80-Jährigen in den zunächst neun Zentralen Impfzentren (ZIZ) geimpft. Seit dem 22. Januar folgten dann die rund 50 Kreisimpfzentren (KIZ) in allen Stadt- und Landkreisen in Baden-Württemberg. Zunächst kam lediglich der am 21. Dezember zugelassene Impfstoff von BioNTech/Pfizer zum Einsatz, am 6. Januar bzw. am 29. Januar wurden die Impfstoffe von Moderna bzw. AstraZeneca zugelassen. Bis Mitte Januar wurden bundesweit eine Million Impfdosen verabreicht. Am 8. Februar waren bundesweit eine Million Menschen voll geimpft, 106.000 davon in Baden- Württemberg. Priorisierung. Von Anfang an war klar, dass angesichts der weltweiten Nachfrage nicht genügend Impfstoff zur Verfügung stehen würde, um breiten Schichten der Bevölkerung zeitnah ein Impfangebot machen zu können. Daher wurde von der Politik eine Priorisierung vorgenommen, die sich eng an ein von der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut vorgelegtes Konzept hielt. „Die Schwächsten zu schützen“, sei das erste Ziel der Impfkampagne, betonte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Dezember. Dementsprechend wurden zuerst hochbetagte Menschen sowie Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen von Pflegeeinrichtungen geimpft. Zur Gruppe mit höchster Priorität zählten zudem Mitarbeiter*innen von ambulanten Pflegediensten sowie Personal auf Intensivstationen, in Notaufnahmen und im Rettungsdienst. Zahnärzteschaft. Die Impfverordnung sah auf Grundlage der STIKO-Empfehlung zunächst die Einordnung von Zahnärzt*innen und des Praxispersonals ausschließlich in die zweite Prioritätengruppe mit hohem Expositionsrisiko vor. Da die Organisation der Impfungen in der Verantwortung der Bundesländer liegt, gab es jedoch schnell Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern bei der konkreten Auslegung. Für die Körperschaften KZV BW und LZK BW war von Anfang an klar, dass in einem ersten Schritt insbesondere die Zahnärzt*innen in den Schwerpunktpraxen sowie diejenigen, die Patient*innen in Pflegeheimen betreuen, einschließlich der Mitarbeiter*innen mit direktem Patientenkontakt ebenfalls in die höchste Priorität aufgenommen werden müssen. Die Impfung der restlichen Zahnärzt*innen und des Praxispersonals sollten dann schnellstmöglich im Anschluss daran erfolgen. Eine Klärung mit dem Sozialministerium in Bezug auf die erstgenannte Gruppierung konnte nach mehreren persönlichen Interventionen der KZV-Vorsitzenden Dr. Ute Maier sowie des LZK- Präsidenten Dr. Torsten Tomppert schließlich Mitte Januar erreicht ZBW 4/2021 www.zahnaerzteblatt.de

Titelthema 19 werden. „Dies ist eine gute Nachricht für den Berufsstand und wird der besonderen Situation dieser Kolleginnen und Kollegen gerecht. Ich bin dankbar, dass wir im engen Dialog mit dem Sozialministerium zu dieser Lösung kommen konnten“, betonte damals Dr. Maier. Impffortschritt. Dennoch kam es vor Ort in den Impfzentren häufig zu Problemen, wie zahlreiche Rückmeldungen an die zahnärztlichen Körperschaften im Land deutlich machten: So wurden bereits vereinbarte Termine auf Entscheidung der örtlichen Leiter*innen der Impfzentren kurzfristig wieder gestrichen oder teilweise die erforderlichen Dokumente zum Nachweis der Tätigkeit im Pflegeheim nicht anerkannt, obwohl diese der Abmachung mit dem Sozialministerium entsprochen hatten. Der kurze Draht zwischen den Vorständen von KZV und LZK auf der einen Seite sowie Sozialminister Manne Lucha, seiner Staatssekretärin Bärbl Mielich und der zuständigen Abteilung im Sozialministerium auf der anderen Seite konnte jedoch vielfach dazu beitragen, bestehende Probleme zeitnah zu lösen. Eine von der KZV BW durchgeführte Umfrage unter allen Zahnärzt*innen, die aufgrund ihrer Tätigkeit in einer Pflegeeinrichtung oder Schwerpunktpraxis zu Gruppe 1 zählten, ergab schließlich, dass bis Mitte Februar rund 60 Prozent der Betroffenen zumindest die erste Impfung und elf Prozent hingegen auch schon die zweite Impfung erhalten hatten. Impfslots. Am 11. Februar konnte die KZV BW zudem eine Einigung mit dem Ministerium über die Einrichtung von sogenannten Impfslots für die Gruppe 1 vermelden. Demnach sollten die Impfzentren in den folgenden zwei Wochen Impfslots bereithalten, in denen die berechtigten Zahnärzt*innen sowie ihre Mitarbeiter*innen, schneller eine Impfung erhalten sollten. Impfberechtigung. Bevor dieses jedoch in Gänze umgesetzt werden konnte, gab die Landesregierung am 23. Februar bekannt, dass aufgrund des hohen oder erhöhten Expositionsrisikos alle Zahnärzt*innen mitsamt des Praxispersonals im Alter von 18 bis 64 Jahren zusätzlich zu den bisherigen Personengruppen der Priorität 1 impfberechtigt seien. Grund dafür war die größere Verfügbarkeit des Impfstoffs von AstraZeneca, der bis dato nur für Personen bis zum 65. Lebensjahr zugelassen ist. Zahnärzt*innen und die Mitarbeiter*innen, die 65 Jahre oder älter sind und daher einen anderen Impfstoff, etwa von BioNTech/Pfizer benötigen, hatten das Nachsehen und weiterhin nur dann die Möglichkeit geimpft zu werden, wenn sie der Gruppe 1 angehörten und nachweisen konnten, dass sie in Schwerpunktpraxen tätig sind oder regelmäßig pflegebedürftige Menschen betreuen. Damit bestand eine Impflücke innerhalb der Zahnärzteschaft mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Betroffenen. Erneut galt es für KZV BW und LZK BW, im Gespräch mit dem Sozialministerium darauf zu drängen, dass im Rahmen einer neuerlichen Anpassung der Coronavirus-Impfverordnung künftig alle Zahnärzt*innen und deren Praxispersonal unabhängig von ihrem Alter ein Impfangebot erhalten sollten. Von Minister Lucha konnte schließlich die Zusage erreicht werden, dass die bestehende Impflücke für die Zahnärzt*innen über 65 Jahren schnellstmöglich geschlossen werden solle. Zwar hat die STIKO aufgrund einer neuen Studie Anfang März nun empfohlen, AstraZeneca auch bei Personen über 65 Jahren als Impfstoff zu verwenden, das sehnlichst erhoffte und geforderte Impfangebot für alle Zahnärzt*innen im Land war zum Redaktionsschluss dieses Heftes jedoch noch nicht absehbar. Ausblick. Die Kritik am zu langsamen Impfen in Deutschland ist indessen nicht verstummt. Während andere Länder (häufig wurden im internationalen Vergleich etwa Israel oder Großbritannien genannt) schnell einen deutlichen Vorsprung hatten und große Teile der Bevölkerung zumindest die erste Impfung erhalten hatten, waren es hierzulande bis Anfang März nur etwas über fünf Prozent Erstimpfungen und ca. 2,7 Prozent Zweitimpfungen. In Baden-Württemberg lag die Quote zu diesem Zeitpunkt sogar noch unter dem Bundesschnitt. Auch aufgrund des schleppenden Tempos wurde in Politik und Expertenkreisen diskutiert, ob es sinnvoll sei, die zweite Dosis zeitlich zu verzögern, sodass möglichst viele Menschen zunächst die erste Dosis eines Impfstoffs und damit zumindest eine gewisse Schutzwirkung bekommen so wie dies in anderen Ländern ebenfalls praktiziert wird. Gleichzeitig wurde täglich die Hoffnung genährt, dass die Ausweitung der Produktionskapazitäten sowie die Zulassung weiterer Impfstoffe in absehbarer Zeit Schwung in die Kampagne und damit die dringend ersehnte Entlastung im Kampf gegen die Pandemie bringen könnte. Die Hoffnung liegt nun auf den Aussagen, dass tatsächlich noch im Laufe des März und spätestens ab April größere Mengen an Impfstoffen geliefert werden. Denn die Bevölkerung wartet auf ein Ende der Einschränkungen und ein Wiederankurbeln des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens. Allerdings ist es bis dahin erforderlich, dass gewisse Regeln weiterhin eingehalten werden. Bleibt zu hoffen, dass hier die Vernunft und die Fürsorge für das Gemeinwohl über persönliche Freiheitsbedürfnisse siegen und wir nicht aus Unvernunft einem erneuten Lockdown entgegengehen. Denn auch ein starkes Gesundheitswesen ist auf Dauer nur mit einer starken Volkswirtschaft möglich. Info Dr. Holger Simon-Denoix Das Robert Koch-Institut (RKI) bietet ein digitales Impfquotenmonitoring zur COVID-19-Impfung, auf dem tagesaktuell der bundesweite Impffortschritt wie auch auf Länderebene eingesehen werden kann: https://bit.ly/388mPLX www.zahnaerzteblatt.de ZBW 4/2021

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