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ZBW 2/3 2025

50_EINER VON

50_EINER VON UNSZBW_2-3/2025www.zahnaerzteblatt.deProf. Zahnärzteschaft Dr. Dr. Rainer Baden-Württemberg Schmelzle: Zahnarztpraxis auf den ist Landesparteitagenjetzt ein MuseumMIT DIALOG KAUBONBONS FÜR EINE ZUKUNFTS-WURDENEINST FÄHIGE PLOMBEN VERSORGUNG GEPRÜFTProf. Dr. Dr. Rainer Schmelzle hat die einstige Praxis seines Vaters, Zahnarzt Dr. RichardSchmelzle, in ein Privatmuseum umgewandelt. Gezeigt werden zahnärztliche Instrumente,Geräte und Medikamente, die die Fortschritte in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkundeim 20. Jahrhundert eindrucksvoll dokumentieren. An drei Tagen im Jahr öffnetDr. Rainer Schmelzle die ehemaligen Praxisräume in Bietigheim-Bissingen für Interessierteund erzählt dabei so manche Anekdote aus alten Zeiten.Es ist ein beißender Geruch, der einemin die Nase steigt, wenn man das Museumbetritt. Chlorphenol-Kampfer-Menthol:Ein Geruch, der bei vielen MenschenSchweißausbrüche, Angstzuständeund Fluchtreflexe auslöst. Denn dasist der typische Geruch einer Zahnarztpraxisaus alten Zeiten. Prof. RainerSchmelzle kommt hingegen regelrechtins Schwärmen, als er den Duft aus einemalten Chlorphenol-Kampfer-Menthol-Fläschcheneinatmet. „Das duftetnach Kindheit“, sagt er lächelnd. KeinWunder, denn das Museum war einstsein Zuhause.UNTER DENKMALSCHUTZIn dem zweistöckigen Gebäude befandsich von 1954 bis 1998 auch die Zahnarztpraxisseines Vaters, Dr. RichardSchmelzle. Nach dem Tod des Vaters entschiedsich Prof. Rainer Schmelzle, dasGebäude für die Nachwelt zu erhaltenund es als Spezialmuseum der Öffentlichkeitzugänglich zu machen. Das gesamteGebäude inklusive der Praxiseinrichtungsteht unter Denkmalschutz. DieSammlung beinhaltet neben Instrumentenund Behandlungseinheiten auchGipsmodelle, früher genutzte Medikamente,Amalgamtöpfchen, Röntgenbilderaus den 1930er-Jahren, eine umfangreicheBibliothek mit Werken zur Zahnmedizinsowie Dokumente zur Praxishistorie,unter anderem aus der Zeit des Nationalsozialismus.Fotos: Fatma TetikEngagiert. Dr. Rainer Schmelzle im Doktorkittel seines Vaters Dr. Richard Schmelzlein der ehemaligen Praxis.RARITÄTEN DER ZAHNMEDIZINZu den Herzstücken der Ausstellunggehören unter anderem eine Behandlungseinheitvon Sirona aus dem Jahr1956 und ein Doriotgestänge – einTreibschnurantrieb zur Drehkraftübertragungvom Elektromotor aufzahnärztliche Hand- und Winkelstückean Behandlungseinheiten. Erfundenwurde das Gestänge im Jahr 1893vom Pariser Zahnarzt Constant Doriot.Bis 1957 war die Antriebstechniknoch üblich. Zu sehen sind außerdemein Vierlampenlicht von 1936, das Narkosegerät„Agrippa“ aus den 1960er-Jahren und eine Sollux-Wärmebestrahlungsleuchteaus dem Jahr 1950. MehrereGeräte aus der Vorkriegszeit sindin dem Museum ebenfalls zu finden,darunter ein Vulkanisierungsgerät zurHerstellung von Kautschuk-Prothesen,ein Schleudergerät für Goldgussarbeiten,ein Bunsenbrenner mit Fußpedal-Blasebalg und ein Behälter für die Instrumentensterilisierung.„Die Hygieneanforderungenwaren früher nicht sohoch“, erläutert Prof. Rainer Schmelzle.„Da hat die Zahnarzthelferin nochdas ausgekochte Instrument am Kittelabgewischt und dem Zahnarzt gereicht“,schildert er. Auch das Wartezimmermit der Ledergarnitur aus den50er-Jahren mitsamt den Modezeitschriftender 70er-Jahre lässt die altenTage lebendig werden. „Hier war es immerbrechend voll“, erinnert sich der82-Jährige.

ZBW_2-3/2025www.zahnaerzteblatt.de51_EINER VON UNSExponate. Modelle und Abdrücke ergänzen dieAusstellung.Rarität Die Behandlungseinheit von Sironaaus dem Jahr 1956.Behandlung. Ein alter Notfall-Zahnarztkoffer.IM WARTEZIMMERAls kleiner Bub erlebte er den Praxisbetriebseines Vaters hautnah mit, wenn ervon der Schule nach Hause kam. DennPraxis- und Wohneinheit verschmolzenim Alltag oft miteinander. Einige derPatient*innen mussten im Wohnzimmerder Schmelzles auf die nötige Behandlungwarten, weil das Wartezimmerbesetzt war. Trotz der Schmerzenseien sie immer geduldig gewesen, weißProf. Schmelzle. „Hier wurden Schalsund Socken gestrickt, Freundschaftengeschlossen und einer hat hier sogar seinezukünftige Frau kennengelernt“, berichteter augenzwinkernd. Da die Lokalanästhesiefrüher noch sehr gefährlichwar, benötigte man für eine Behandlungmeist mehrere Sitzungen.„Mein Vater hat sehr schmerzschonendgearbeitet, Schreie hat man nur äußerstselten vernommen“, erinnert er sich.Oft habe sein Vater auch nachts noch indie Praxis gehen müssen, um Blutungennach einer Extraktion zu stillen.POSITIVE ENTWICKLUNGDie Entdeckung von Penizillin und diebesseren Möglichkeiten in der Lokalanästhesiehätten schließlich einiges erleichtert.Vieles habe sich zum Positivenentwickelt, weiß der Mediziner, derFacharzt und Professor für Zahn-,Mund- und Kieferheilkunde, Mund-,Kiefer- und Gesichtschirurgie als auchPlastische und Ästhetische Chirurgieist. Mit der Erhaltung der ehemaligenPraxis seines Vaters möchte er die Fortschrittein der Zahn-, Mund- und Kieferheilkundedokumentieren. Viele Besucher*innender Ausstellung sind ehemaligePatient*innen des ZahnarztesDr. Richard Schmelzle und auch einigeZahnärzte, die einst mit den historischenGeräten praktiziert haben, sindunter den Besucher*innen.PLOMBEN-TESTEine Frau mittleren Alters entdeckt beiihrem Rundgang durch das MuseumKaramell-Kaubonbons auf einem Regal.„Die gab es immer nach der Behandlungals Belohnung“, erläutert sie. Was aufden ersten Blick irritiert, klärt Prof.Schmelzle auf. „Mein Vater hat die Karamell-Bonbonsoft nach einer Zahnfüllungverteilt. Erst wenn die Plombe danachnoch hielt, war seine Arbeit gut!“Dr. Richard Schmelzle sei leidenschaftli-cher Zahnarzt gewesen, der seinen Berufals Berufung betrachtete. Erst im Altervon 74 Jahren ging er in den Ruhestand.Seine Freizeit verbrachte er danach oftim hauseigenen Garten. Als seine Patient*innenihn bei der Gartenarbeit beobachteten,sagten sie ihm: „Wenn dunoch im Garten herumbuddeln kannst,kannst du auch in unserem Mund weiterbohren“,schildert Prof. RainerSchmelzle. Der Vater ließ sich umstimmen,schlüpfte wieder in den Zahnarztkittel,den er an den Nagel gehängt hatte,nahm Bohrer und Zange in die Handund praktizierte noch weitere 14 Jahrebis zu seinem Tod im Alter von 88 Jahren.1998 endete der Praxisbetrieb endgültig.Mit dem Erhalt des Museumsund seinen humorigen Erzählungen erhältProf. Rainer Schmelzle jedoch denGeist seines Vaters am Leben.Fatma TetikINFODas Medizinhistorische Museum zurZahnheilkunde des 20. Jahrhundertsist am 20. Februar, 20. Septemberund am InternationalenMuseumstag (18. Mai) von 10 bis16 Uhr geöffnet. Prof. Dr. RainerSchmelzle, Sohn des ehemaligenPraxisinhabers Dr. Richard Schmelzle,führt durch die Ausstellung. DasMuseum befindet sich in der Bahnhofstraße113 (Bietigheim-Bissingen).Der Eintritt ist frei.Nach vorheriger Vereinbarung(prof.r.schmelzle@gmail.com) sindauch Führungen außerhalb der Öffnungstagefür Gruppen möglich.

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