42_SOZIALES ENGAGEMENT ZBW_5-6/2023 www.zahnaerzteblatt.de Mobile Zahnarztpraxis bietet Hilfe für geflüchtete Ukrainer*innen in Polen WENN WENIGSTENS EIN LÄCHELN WIEDER MÖGLICH IST In einer kurzen Notiz berichteten wir in der vergangenen Ausgabe des Zahnärzteblattes Baden-Württemberg (ZBW) vom neuesten Projekt des Dental- Emergency-Teams e. V. (Dental-EMT). In zehnmonatiger Umbauzeit wurde durch den ehrenamtlich geführten Verein ein ehemaliger Rettungswagen zur mobilen Zahnarztpraxis umgebaut. Der erste Einsatz liegt mittlerweile hinter der Crew, zu deren Besetzung auch ein Zahnärztepaar aus Baden-Württemberg zählte. Zahnarztpraxis. Dr. Frank Herdach (l.), seine Lebensgefährtin Alexandra Deutsch (M.) mit einem kleinen Patienten und Schwester Aleksandra, der Generaloberin des polnischen Dominikanerinnenordens vor der Eingangstür zur Zahnarztpraxis. Auf Chios/Griechenland haben die Verantwortlichen des Dental-EMT bereits langjährige Erfahrungen in der Behandlung Geflüchteter gesammelt. In einem Container im Flüchtlingscamp Vial untergebracht, behandelt das Team um Zahnarzt Dr. Alexander Schafigh dort bereits seit Jahren Menschen aus der ganzen Welt, die über das Mittelmeer nach Europa geflüchtet sind (das ZBW berichtete). Nun begann der Verein mit Sitz in Bornheim (Nordrhein-Westfalen) eine neue Mission. PROJEKT Gemeinsam mit der Stuttgarter Hilfsorganisation STELP e. V. – supporter on site, mit der die baden-württembergischen Körperschaften 2022 auch einen Hilfstransport mit Zahnpflegemitteln ins Kriegsgebiet der Ukraine gebracht hatten, wurde ein Rettungswagen in eine mobile Zahnarztpraxis umgebaut. Der Stuttgarter Verein übernahm einen Teil der Finanzierung und unterstützt den Verein parallel dazu mit Aufrufen zur Mithilfe vor Ort. Darüber hinaus Foto: Dental-EMT hatte sich auch das Hilfswerks Deutscher Zahnärzte (HDZ) an der Projektumsetzung beteiligt. Den Umbau des Fahrzeugs in eine mobile Zahnarztpraxis hatte der Rettungssanitäter und Dental-EMT-Techniker Christian Novoselac übernommen und in zehn Monaten eine vollständige Praxis im Innern des Vans erschaffen. „Coronabedingt hatten sich die Lieferzeiten mancher Gerätschaften und auch von notwendiger Bauteile bedauerlicherweise immer wieder verschoben“, erklärt Dr. Alexander Schafigh die lange Entstehungsphase. Zunächst wurde Moldawien als Ziel und Standplatz für die dentale Praxis eruiert. Aufgrund der aktuellen Sicherheitslage nahmen die Verantwortlichen davon jedoch wieder Abstand und wählten ein Kloster der Dominikanerinnen in Krakau/Polen als Location aus. Hier schien die Sicherheitslage stabil und im angrenzenden Klostergarten gab es zudem genug Raum für die mobile Zahnarztpraxis und den Ansturm der Hilfesuchenden. EINSATZ Mit in der ersten Mannschaft an hilfsbereitem Fachpersonal waren die Ärztin und Zahnärztin Alexandra Deutsch und ihr Lebensgefährte Dr. Frank Herdach aus Stuttgart. Beide waren von der Nachfrage der ersten Tage überwältigt. „Nachdem das online geführte Anmeldeverfahren die ersten 24 Stunden geöffnet war, liefen über 1500 Anfragen ein“, blickt Dr. Herdach auf die Erlebnisse zurück. Kurzzeitig brach daher auch die Homepage zusammen. Täglich wurde durchgehend von 8:30 bis 18.30 Uhr behandelt und das Paar aus Baden-Württemberg zählte rund
ZBW_5-6/2023 www.zahnaerzteblatt.de 43_SOZIALES ENGAGEMENT » Wenn man von einem solchen Einsatz zurückkommt, hat man immer mehr empfangen als gegeben. Das Glück in den Augen der Menschen, die man behandelt hat, ist meine Hauptmotivation.« Dr. Alexander Schafigh Foto: Privat Dankbarkeit. Nach Wochen voller Leid konnte das Personal des Dentomobils zumindest die Zahnschmerzen beheben. 400 Patient*innen, die während ihrer zweiwöchigen Anwesenheit auf dem Behandlungsstuhl der mobilen Praxis Platz genommen hatten. Dabei wurden Abszesse ebenso eröffnet wie Zähne gezogen und Füllungen gelegt. Eine Vielzahl an Behandlungen kann problemlos durchgeführt werden, da das Fahrzeug über alle notwendigen Geräte und Instrumente, einschließlich einer Sterilisationsanlage verfügt. Zudem kann das Dentomobil dank eines Wassertanks mit Filter und einem Generator tagelang autark betrieben werden. SITUATION Vor Ausbruch des Kriegs in der Ukraine war Polen innerhalb der europäischen Berichterstattungen vor allem für seine harte und menschenrechtswidrige Behandlung von Geflüchteten bekannt. Während Polen an der Grenze zu Belarus weiterhin brutal gegen Schutzsuchende vorgeht, zeigt sich das Land gegenüber ukrainischen Kriegsflüchtlingen von einer freundlichen Seite. Der polnische Grenzschutz schätzt, dass allein zwischen Kriegsausbruch und Herbst 2022 über 6.300.000 Menschen aus der Ukraine nach Polen gekommen sind. Aufgrund dieser Vielzahl an zusätzlichen Menschen droht das polnische Gesundheitssystem zu kollabieren. Viele Geflüchtete haben daher auch extreme Schwierigkeiten, Zugang zu medizinischer Versorgung, einschließlich zahnmedizinischer Behandlungen zu erhalten. Ein Angebot, wie es das Dentomobil macht, ist daher ein großer Segen für die Menschen vor Ort. Dennoch musste das deutsche Team zunächst einige bürokratische Hürden überwinden, bevor die ersten Patient*innen behandelt werden durften. Zertifikate sowohl von deutscher als auch von polnischer Seite mussten beantragt und bezahlt werden. Für das Team vor Ort kein Grund für schlechte Stimmung. „Das gehört dazu“, waren sich Alexandra Deutsch und Dr. Frank Herdach einig. Für die beiden steht bereits fest, dass dies nicht ihr letzter Hilfseinsatz gewesen ist, denn „wir wollen der Gesellschaft nach der Abgabe unserer Praxis durch unser Tun etwas von dem Glück zurückgeben, das wir haben“. Für den Hauptinitiator des Projekts, Dr. Alexander Schafigh, eine wunderbare Nachricht, denn während das nächste Team bereits vor Ort behandelt, sucht er laufend nach Kolleg*innen und ZFAs, die bereit sind, die mobile Praxis tatkräftig zu unterstützen. „Es ist wichtig, dass wir durch Kontinuität Vertrauen schaffen“, erklärt er seine Intention. Befragt nach seiner eigenen Motivation, sich zusätzlich zur eigenen Praxistätigkeit mit zwei so umfangreichen Projekten wie der Praxis im Flüchtlingslager auf Chios und dem Dentomobil zu beschäftigen, muss der Zahnarzt nicht lange überlegen: „Wenn man von einem solchen Einsatz zurückkommt, hat man immer mehr empfangen als gegeben. Das Glück in den Augen der Menschen, die man behandelt hat, ist meine Hauptmotivation“. Foto: Privat Mobile Versorgung. Eine Vielzahl an Behandlungen kann problemlos durchgeführt werden. Das Fahrzeug verfügt über alle notwendigen Geräte und Instrumente. UNTERSTÜTZUNG Neben materieller und finanzieller Unterstützung für das Projekt werden nach wie vor Zahnärzte*innen sowie Assistenzpersonal für einen Mindesteinsatz von einer Woche, gerne auch für länger gesucht. Interessenten melden sich bitte unter info@dental-emt. org oder unter www.dental-emt.org. Cornelia Schwarz
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