38_KOMMUNIKATION ZBW_5-6/2023 www.zahnaerzteblatt.de Journalistenpreis „Abdruck“ 2023 auf der IDS verliehen AUSZEICHNUNG FÜR NS-AUFARBEITUNG IM ZBW Mitte März verlieh die Initiative proDente zum 18. Mal den Journalistenpreis „Abdruck“ im Rahmen der Internationalen Dentalschau (IDS) in Köln. Der Sonderpreis wurde für die herausragende Aufarbeitung der Rolle der Zahnmedizin im Nationalsozialismus vergeben. Diese besondere Auszeichnung ging an die Chefredakteurin des Zahnärzteblattes Baden-Württemberg, Cornelia Schwarz, die sich in einer umfassenden Recherche diesem Thema gewidmet hat. » Es war mir ein Anliegen, Ereignisse, die damals im Rahmen einer akzeptierten Norm begangen wurden, als eindeutiges Unrecht zu benennen.« Cornelia Schwarz Die Jury lobte in ihrer Begründung die intensive und fleißige Recherche, die journalistische Sorgfalt sowie die hohe Qualität der Beiträge: In der Titelstrecke „Zahnmedizin im Nationalsozialismus“ (ZBW 2-3/2022) arbeiten die Autorinnen Cornelia Schwarz und Dorothea Kallenberg nicht nur historische Fakten akribisch auf, sondern beleuchten auch auf beeindruckende Weise Geschichten, Verbrechen und Schicksale aus der Zeit des Nationalsozialismus. „Ein ebenso umfassendes wie fundiertes Werk über eine besondere Epoche. Wenn man die Artikel gelesen hat, weiß man, wieviel Zeit und Rechercheleistung dahinterstecken“, so die Jury. „Wir möchten diese starke Arbeit daher auszeichnen und damit auch Aufmerksamkeit auf dieses wichtige Thema hinlenken.“ Durch die Beiträge von Cornelia Schwarz und Dorothea Kallenberg wurde ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit geleistet, der zu einem tieferen Verständnis für die Geschehnisse dieser Zeit führt und dazu beiträgt, aus ihnen zu lernen. ROLLE DER OPFER UND TÄTER ProDente-Geschäftsführer Dirk Kropp und Moderatorin Anja Backhaus sprachen im Rahmen der Preisverleihung auf der IDS in Köln der Preisträgerin ihr besonderes Lob für den „beachtenswerten und bedeutungsvollen Beitrag“ aus und insbesondere auch für den Mut, dieses Thema anzusprechen. Cornelia Schwarz betonte, dass es ihr ein besonderes Anliegen gewesen sei, neben den Opfern – vorrangig Juden, aber auch Widerstandskämpfer – die Rolle der Täter aufzuzeigen. Besonders hob sie hier die Übernahme von Praxen jüdischer Kollegen sowie die Selektionen in Auschwitz hervor. „Es war mir ein Anliegen, Ereignisse, die damals im Rahmen einer akzeptierten Norm begangen wurden, als eindeutiges Unrecht zu benennen“, thematisierte Cornelia Schwarz die Verantwortung der Zahnärzteschaft. Die Aufarbeitung dieser dunklen Epoche erfolgte in Baden- Württemberg erst sehr spät. Viele Zahnärzte waren auch nach dem Krieg in hohen Ämtern geblieben und hatten ihre Praxen weiterhin geführt. Deshalb „hat wohl auch in Baden-Württemberg der Mut gefehlt, dieses Thema früher anzusprechen und den Finger in die Wunde zu legen“. HERAUSFORDERUNG „Die Auseinandersetzung mit diesem Thema war eine Herausforderung“, berichtete Cornelia Schwarz über ihre Arbeit an dem Projekt. „Es macht etwas mit einem, wenn man sich wochen-, ja mitunter monatelang mit fremden Biografien auseinandersetzt, nach Bestätigungen und Quellen sucht, Belege recherchiert und dann aus Yad Vashem, der internationalen Holocaust- Gedenkstätte in Jerusalem, die Bestätigung erhält, dass der Name, den man angefragt hat, tatsächlich auf einer Liste steht – einer Liste der Täter.“ Mehr als jede zehnte Zahnärztin oder jeder zehnte Zahnarzt war ab 1933 aus ras-
ZBW_5-6/2023 www.zahnaerzteblatt.de 39_KOMMUNIKATION Fotos: G. Billischek Preisverleihung. Cornelia Schwarz, Chefredakteurin des Zahnärzteblattes Baden-Württemberg (Foto l. Mitte), nahm von proDente- Geschäftsführer Dirk Kropp (r.) und Moderatorin Anja Backhaus (l.) den Sonderpreis für die Aufarbeitung des Themas „Zahnmedizin im Nationalsozialismus“ in der ZBW-Ausgabe 2-3/2022 entgegen. sistischen Gründen verfolgt und aus dem Beruf gedrängt worden. Gleichzeitig war ein hoher Prozentsatz der Zahnärzteschaft Mitglied der NSDAP geworden, unter den Hochschullehrern etwa 60 Prozent. 1 Bei der feierlichen Übergabe des Preises bedankte sich die Chefredakteurin bei der Jury und bei Prodente für die Würdigung ihrer Arbeit und betonte, dass sie es wichtig findet, ein Bewusstsein für die eigene Geschichte zu haben. „Das größte Unrecht wird bedauerlicherweise meistens nicht von den Menschen begangen, die die Regeln brechen, sondern von jenen, die sie befolgen“, so Cornelia Schwarz. Die Auszeichnung sei eine große Motivation, auch in Zukunft kritisch und engagiert zu schreiben. URSPRUNG DES PROJEKTS Den Anstoß zu diesem Projekt gab Dr. Hans Hugo Wilms, Vorstandsreferent der KZV BW für Öffentlichkeitsarbeit. 1 Dominik Groß, Jens Westemeier, Lisa Bitterich: Dossier 1: Der Anteil der NSDAP-Mitglieder unter den zahnärztlichen Hochschullehrern Er war seinerzeit an die ZBW-Chefredaktion herangetreten und bat um die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit der Zahnärzteschaft in Baden-Württemberg. Anfangs recherchierte Cornelia Schwarz alleine die Hintergründe, indem sie Bücher und Material bestellte, mit Archiven telefonierte, mit Familienangehörigen der Opfer sprach und sich mit Dr. Matthis Krischel vom Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin über ihre Recherche-Ergebnisse austauschte. „Die normale Arbeitszeit reichte dafür bei Weitem nicht aus, weshalb die Unterlagen auch mit nach Hause genommen und im Urlausbgepäck Platz finden mussten. Irgendwann war klar, dass die Arbeit neben den alltäglichen Aufgaben und Anforderungen mit der Leitung des Informationszentrums Zahn- und Mundgesundheit Baden-Württemberg (IZZ BW) zu umfassend waren“, beschreibt Cornelia Schwarz die anfängliche Recherche. Daher involvierte sie die freie Journalistin Dorothea Kallenberg in das Projekt. Gemeinsam teilten die Journalistinnen die Arbeitsbereiche auf: Dorothea Kallenberg übernahm die weitere Arbeit über die Täter in der Zahnärzteschaft und die Aufarbeitung der Nachkriegsgeschichte. „Besonders betroffen gemacht haben mich die Nachkriegskarrieren einiger von mir beschriebener Täter, die trotz rechtskräftiger Verurteilung wieder in ihrem Zahnarztberuf arbeiten konnten“, so Dorothea Kallenberg. Cornelia Schwarz schrieb über die historischen Ereignisse der Weimarer Republik bis zum Nationalsozialismus, bearbeitete die Opferbiografien, die Geschichte des Widerstandskämpfers Dr. Helmut Himpel und führte ein Interview mit der 101-jährigen Rachel Dror, die vor allem für Aussöhnung steht. Zudem gewann Cornelia Schwarz Prof. Dr. Dr. Aleida Assmann für einen Artikel zum Thema Anerkennung der eigenen Schuld und Verantwortung sowie Dr. Matthis Krischel als Autor für den Leitartikel. Die ZBW-Ausgabe 2-3/2022 finden Sie online unter: https://bit.ly/3UwN59I. Gabriele Billischek
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