28_FORTBILDUNG ZBW_5-6/2023 www.zahnaerzteblatt.de Guided Endodontics SCHABLONENGESTÜTZTE TREPANATION ZUR ERSCHLIEßUNG OBLITERIERTER WURZELKANÄLE Zähne mit Pulpanekrose und ausgeprägter Pulpaobliteration können im klinischen Alltag eine große Herausforderung darstellen. Die Trepanation und Kanalsuche gestaltet sich häufig zeitaufwendig, frustrierend und ist mit einem erhöhten Risiko für Perforationen verbunden. Konventionelle Techniken mit einer möglichst axial auf den Wurzelkanal gerichteten Trepanationsachse unter Zuhilfenahme eines Dentalmikroskops können zum gewünschten Erfolg führen, sind aber häufig mit einem erheblichen Verlust an Zahnhartsubstanz verbunden. Die schablonengestützte Trepanation (Guided Endodontics) stellt hier eine substanzschonende Alternative dar, mit der selbst stark obliterierte Kanäle vorhersagbar und sicher erschlossen werden können. WIE ENTSTEHT EINE OBLITERATION? Obliterationen können als typische Spätfolgen nach Zahntraumata beobachtet werden. Sie treten in 15 bis 40 Prozent der Fälle nach Dislokationsverletzungen auf (Andreasen et al. 1987; Nikoui et al. 2003). Eine vermehrte Anlagerung von Hartsubstanz im Wurzelkanalsystem wird aber auch infolge verschiedener anderer Stimuli beobachtet, zum Beispiel durch Karies, nach Pulpotomie oder restaurativer Therapie (Fleig et al. 2017; Mass & Zilberman 2011), nach kieferorthopädischer Behandlung (Delivanis & Sauer 1982) oder bei älteren Patienten aufgrund lebenslanger intrapulpaler Anlagerung von Zahnhartsubstanz (Carvalho & Lussi 2017). Dabei stellt eine Obliteration an sich keine Indikation für eine zahnärztliche Intervention dar. Vielmehr ist sie ein indirektes Vitalitätszeichen und sollte trotz gegebenenfalls negativer Reaktion auf Sensibilitätstests auch als solches gewertet werden. Erst bei Vorliegen klinischer Symptome oder radiologischer Osteolysen wird eine Therapie notwendig. Untersuchungen konnten bei 7 bis 27 Prozent der Zähne mit partieller oder totaler Pulpaobliteration im Laufe der Zeit eine apikale Parodontitis dokumentieren (Holcomb & Gregory 1967; Oginni et al. 2009). In diesen Fällen ist eine endodontische Intervention indiziert, welche sich jedoch aufgrund des obliterierten Kanalsystems häufig als zeitaufwendig und komplikationsträchtig erweist (Cvek et al. 1982). An 3-D-gedruckten obliterierten Zähnen konnte gezeigt werden, dass die konventionelle Kanalsuche an obliterierten Zähnen mit einem hohen Maß an Zahnhartsubstanzverlust einhergeht und Perforationen auch bei erfahrenen Behandlern auftreten können (Connert et al. 2019). Im klinischen Alltag ist es daher hilfreich, Techniken und aktuelle Möglichkeiten für das Management obliterierter Wurzelkanäle zu kennen, um auch komplikationsträchtige Zähne langfristig erhalten zu können. OBLITERIERTE KANÄLE SICHER ERSCHLIEßEN Was also tun, wenn ein Patient mit einem behandlungsbedürftigen (z. B. apikale Parodontitis), aber obliterierten Zahn in der Praxis vorstellig wird? Für die Diagnostik und Therapie sind qualitativ hochwertige Röntgen-Zahnfilme (ggf. auch exzentrisch) unerlässlich. Auf diesen ist nicht nur das Ausmaß der Obliteration, sondern auch die Lage möglicher Kanalstrukturen und gegebenenfalls weitere Besonderheiten ersichtlich. In einigen Fällen kann die digitale Volumentomographie (DVT, hochauflösend und kleinvolumig) zur weiteren Diagnostik und Therapie sinnvoll eingesetzt werden
ZBW_5-6/2023 www.zahnaerzteblatt.de 29_FORTBILDUNG (Patel et al. 2019). Vergrößerungshilfen wie Lupenbrillen und Dentalmikroskope mit entsprechenden Beleuchtungssystemen sind unverzichtbare Hilfsmittel, um sich bestmögliche Sichtverhältnisse zu verschaffen. Strebt man die konventionelle Trepanation an, sollte diese in der Längsachse des zu erwartenden Wurzelkanals erfolgen und kann in manchen Fällen auch die Schneidekante miteinbeziehen (McCabe & Dummer 2012). Bei der Kanalsuche muss beachtet werden, dass sich die obliterierten Kanalstrukturen im Zentrum des Zahnes bzw. im Zentrum der Wurzel auf Höhe der Schmelz-Zement-Grenze befinden und sich klinisch dunkler als das umgebende Dentin darstellen. Teilweise können im Dentin radial verlaufende Konturlinien erkannt werden, in deren Zentrum sich der kalzifizierte Kanal befindet. Häufig lassen sich während der Spülung mit Natriumhypochlorit kleine aufsteigenden Blasen aus dem Bereich des kalzifizierten Kanals beobachten. Dennoch ist die konventionelle Trepanation zeitaufwändig, komplikationsträchtig und endet für den ungeübten Behandler häufig frustran. Um bei ausgeprägten Obliterationen Komplikationen zu vermeiden und die Behandlungszeit zu verkürzen, kann der Trepanationszugang heutzutage auch schablonengestützt erfolgen. Dafür benötigt man präoperativ eine – idealerweise hochauflösende – dreidimensionale Röntgenaufnahme (kleinvolumiges DVT) und einen Oberflächenscan der klinischen Situation. Auf Basis dieser Daten kann virtuell eine Schablone für die optimale Trepanation und Kanalerschließung geplant und hergestellt werden. Die schablonengestützte Trepanation hat sich inzwischen als sogenanntes Guided-Endodontics-Verfahren klinisch etabliert und stellt bei ausgeprägten Obliterationen eine vorhersagbare und sichere Therapieoption dar. (Buchgreitz et al. 2019; Connert et al. 2018; Krastl et al. 2016; Krug et al. 2020) GUIDED ENDODONTICS Die schablonengestützte Trepanation (Guided Endodontics) funktioniert, analog zur statischen Navigation in der Implantologie, durch vorherige virtuelle Planung der Trepanationsachse auf Basis von 3-D-Datensätzen. Die Voraussetzungen hierfür sind eine hochauflösende DVT-Aufnahme und ein digitaler Scan der betreffenden Kieferregion (mittels Intraoralscanner oder mittels Laborscan eines konventionell angefertigten Gips-Modells). Der DICOM-Datensatz aus der DVT-Aufnahme wird anschließend mit dem STL-Datensatz der optisch-elektronischen Abformung der betreffenden Kieferregion in einer Planungssoftware überlagert. Die Software hierfür liefert zum Beispiel coDiagnostiX (Dental Wings Inc., Montreal, Kanada) oder Sicat Endo (Sicat GmbH, Bonn, Deutschland). Nach der Überlagerung der Datensätze kann in der Software die Trepanationsachse virtuell geplant werden. Dazu wird ein virtuelles Abbild des Trepanations-Bohrers (Steco GmbH) auf das gegebenenfalls erst apikal vorhandene Lumen des obliterierten Wurzelkanalsystems ausgerichtet. Positioniert man die Spitze des Bohrers dabei auf das am weitesten koronal erkennbare Lumen des Kanals, stellt der Anschlag des Bohrers auf der Schablone später den Endpunkt der Trepanation dar. So kann die Perforationsgefahr nach apikal minimiert werden. Die Einbeziehung der Schneidekante in die Trepanation kann oftmals notwendig sein, um einen geradlinigen Zugang bis weit apikal zu ermöglichen. In allen drei Raumrichtungen kann jederzeit die optimale Bohrerposition und die maximale Bohrtiefe überprüft werden. Abschließend lässt sich in der Software eine Bohrschablone designen und diese als STL-Datensatz exportieren. Die Schablone kann entweder 3-D-gedruckt oder gefräst werden. Zur präzisen Führung des Bohrers wird in die Kunststoff-Schablone eine Bohrhülse aus Metall eingesetzt. KLINISCHE ANWENDUNG Nach eingehender Untersuchung des zu behandelnden Zahnes wird die Bohrschablone am Patienten auf korrekte Passung und einen schaukelfreien Sitz überprüft. Eine vorherige Isolation mittels Kofferdam ist ebenfalls möglich. Anschließend kann der Erstkontakt der Bohrerspitze mit der Schmelz- 1a 1b Trepanationsachse. Virtuelle Planung der Trepanationsachse an Zahn 21 und Design der Bohrschablone mit Hilfe der Planungssoftware coDiagnostiXTM (Abb. 1a und 1b).
Laden...
Laden...
Informationszentrum Zahn- und Mundgesundheit Baden-Württemberg (IZZ)
Haus: Heßbrühlstraße 7, 70565 Stuttgart
Post: Postfach 10 24 33, 70200 Stuttgart
Telefon: 0711 222 966 0
Fax: 0711 222 966 20
presse@izzbw.de
Eine Einrichtung der Kassenzahnärztlichen
Vereinigung Baden-Württemberg
& der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg
© by IZZ Baden-Württemberg - Impressum - Datenschutz