14 Titelthema Individuelle Patientenberatung Patientenberater aus Berufung und Leidenschaft Bei den zahnärztlichen Körperschaften gibt es viele Möglichkeiten, sich zu engagieren. Neben gutachterlichen und beratenden Tätigkeiten in verschiedenen Gremien sind Dr. Svenja Tomppert-Wahl und Dr. Thomas Miersch Patientenberater bei der Zahnmedizinischen Patientenberatungsstelle Baden-Württemberg. Seit fast 15 Jahren sind sie inzwischen dabei und das aus Berufung und mit Leidenschaft. Es bereitet ihnen Freude, bei einer anstehenden Behandlungsentscheidung Unterstützung zu leisten und die Patienten wieder beruhigt zu ihren behandelnden Zahnärzten zurückzuschicken. ZBW-Redakteurin Andrea Mader hat die beiden passionierten Patientenberater einen Nachmittag lang begleitet. ihrem Zahnarzt. Jetzt tritt die passionierte Beraterin auf den Plan – Dr. Tomppert-Wahl findet das eine „super Ausgangssituation“ und fordert die Patientin auf, mit exakt dieser Aussage auf ihren Zahnarzt zuzugehen und nachzufragen, welche finanziellen Möglichkeiten bestünden. Es ist alles eine Frage der Kommunikation, ist sich Dr. Tomppert-Wahl sicher. „Möglicherweise können Sie Ratenzahlung vereinbaren oder die Kosten splitten, indem Sie einen Teil der Behandlung auf das kommende Jahr verschieben.“ Mit dieser klaren Aussage hat Dr. Svenja Tomppert-Wahl der Patientin eine Perspektive eröffnet und eine gute Basis gelegt für das Gespräch mit ihrem Zahnarzt. Objektiv. Patienten, die in die individuelle Patientenberatung kommen, sind sehr offen und haben Vertrauen. „Das ist eine super Ausgangssituation, sagen Sie das Ihrem Zahnarzt, er wird sich über das Lob freuen“. Aussagen wie diese ziehen sich wie ein roter Faden durch die im halbstündlichen Takt stattfindenden Beratungsgespräche an diesem Mittwochnachmittag. Dr. Svenja Tomppert-Wahl ist es ein Anliegen, ratsuchende Patientinnen und Patienten zu unterstützen, sei es bei therapeutischen Planungen oder bei finanziellen Fragestellungen. Vertrauensverhältnis gestärkt. Eva G. ist im Internet auf die Zahnmedizinische Beratungsstelle Baden-Württemberg gestoßen und hat einen Termin vereinbart. Zum heutigen Termin hat sie einen Stoß an Heil- und Kostenplänen dabei. „Muss das alles sein? Das ist ja schon sehr teuer, kann das nicht günstiger gemacht werden?“ Dr. Tomppert-Wahl studiert die Kostenpläne lange: „Ich kann Ihnen Ihre Angst wegen der Kosten nehmen“, sagt sie schließlich, „eine umfangreiche zahnärztliche Behandlung ist mit hohen Kosten verbunden, keine Frage, in Ihrem Fall sind es die hohen Laborkosten. Aber sie sind medizinisch begründet und die Heil- und Kostenpläne sind korrekt“. Eva G. ist beruhigt und erzählt der Patientenberaterin freimütig, dass ihr Zahnarzt sie aufgefordert habe, zu einem anderen Behandler zu wechseln falls sie eine günstigere Behandlung wünscht. Das möchte Eva G. aber nicht, denn sie ist zufrieden mit Foto: AdobeStock, diDesign Gutachterverfahren erwartet. Die nächste Patientin hat eine lange Geschichte zu erzählen und sehr viele Unterlagen dabei: eigene Notizen, Röntgenbilder, Heil- und Kostenpläne. Dr. Tomppert-Wahl hört aufmerksam zu, unterbricht Karola W. nicht. Erst nach zehn Minuten stellt sie gezielte Fragen: „Haben Sie beim Bücken Schmerzen?“, „haben Sie eine Knirscherschiene?“ Nachdem sie auch die Unterlagen eingehend studiert und mit einem druckvollen Handgriff den Kiefer abgetastet hat, hat Dr. Svenja Tomppert-Wahl alle Fakten beisammen und sich ein Bild gemacht. „Die Gesichtsschmerzen sind nachvollziehbar und resultieren aus einer Fehlbelastung und einer verkürzten Kiefergelenkskapsel“. „Warum höre ich das nicht von meinem Zahnarzt? Ich werde das nicht auf sich beruhen lassen und zu einem Gutachter gehen“, kündigt Karola W. an. Eigentlich gehören solche Fälle nicht in die individuelle Patientenberatung, erklärt Dr. Svenja Tomppert-Wahl mir später, denn es geht hier mehr um eine gutachterliche Bewertung einer abgeschlossenen Behandlung und nicht um eine anstehende Behandlung. Über solche Tricks der Patienten ist Dr. Tomp- ZBW 2/2019 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 15 pert-Wahl verärgert: „Die Patienten versuchen mich auszutricksen, auf eine versteckte Art“. Den Patienten wird bei Terminvereinbarung für einen individuellen Beratungstermin von der Geschäftsführerin der Zahnmedizinischen Patientenberatungsstelle Baden-Württemberg, Simone Khawaja, genau erläutert, dass es beim Beratungsgespräch ausschließlich um eine Beratung für eine anstehende Behandlung geht. Patienten können – wenn sie der Meinung sind, sie haben einen Behandlungsfehler durch ihre Zahnärztin oder ihren Zahnarzt erlitten – die Gutacherkommission für Fragen zahnärztlicher Haftung anrufen. Ebenso haben Zahnärzte das Recht, die Kommission anzurufen, weil sie unbegründete Ansprüche ihrer Patienten zurückweisen wollen. Dr. Svenja Tomppert-Wahl findet im Gespräch mit Karola W. jedoch den richtigen – und eindeutigen – Ton: „Sie müssen für sich entscheiden, ob Sie beweisen wollen, dass Ihre Behandler unrecht hatten oder wollen Sie, dass es Ihnen besser geht?“ Für eine Verbesserung ihrer Situation und den Weg zur Schmerzfreiheit hatte Dr. Svenja Tomppert-Wahl zahlreiche Ratschläge und Empfehlungen für die Patientin parat. Dass Dr. Tomppert-Wahl in diesem Fall eine so eindeutige, schnelle und kompetente Diagnose stellen konnte, liegt daran, dass sie auf Funktionsanalyse spezialisiert ist. Das hat die in Esslingen niedergelassene Zahnärztin vor 15 Jahren unter anderem zur Zahnmedizinischen Patientenberatungsstelle Baden-Württemberg geführt. Zuvor war sie bereits als Gutachterin tätig. „Ich wurde gefragt, das ist ein Vertrauensbeweis und eine große Anerkennung“, berichtet sie über den Beginn ihrer Beratungskarriere. Von den Eltern begleitet. An die allgemein-zahnärztliche Patientenberatung schließt sich beim letzten Beratungstermin des Jahres 2018 eine kieferorthopädische Beratung an. Patientenberater Dr. Thomas Miersch, Fachzahnarzt für Kieferorthopädie, hat sich ein straffes Programm auferlegt: Im Viertelstunden-Rhythmus hat er Kein Gutachten. Bei den individuellen Beratungsterminen geht es immer um eine Beratung für eine anstehende Behandlung – dazu müssen die Patienten Röntgenbilder und Heil- und Kostenpläne mitbringen. Simone Khawaja die ratsuchenden Patientinnen und Patienten einbestellen lassen. Angemeldet sind vier Jugendliche, die bei der kieferorthopädischen Beratung immer von ihren Eltern begleitet werden. „Zähle bitte laut von 70 rückwärts“, fordert Dr. Thomas Miersch die 17-jährige Fabienne N. auf, die von ihren Eltern begleitet wird. Fabienne ist seit 2016 in kieferorthopädischer Behandlung, sie hat erst eine herausnehmbare Apparatur getragen, sowohl im Oberkiefer als auch im Unterkiefer, inzwischen sind es fünf Apparaturen – zu guter Letzt hat sie im November 16 Brackets erhalten, ohne Draht. Sie ist zudem seit 2017 in logopädischer Behandlung, wegen Schluckbeschwerden. Die Familie berichtet lebhaft, abwechselnd, einmal die Mutter, einmal der Vater, Fabienne ergänzt. Die Eltern wollen wissen, ob das kieferorthopädische Prozedere seine Richtigkeit hat, sie verstehen insbesondere die letzte kieferorthopädische Maßnahme mit den Brackets ohne Draht nicht. Dr. Miersch hat ruhig zugehört und kann die Eltern beruhigen: „Fabienne hat ein schmales Gesicht und große Zähne, die Zunge braucht aber ihren Platz – deshalb muss man diesen Weg gehen, die Prozedur ist komplett in Ordnung“. Die Eltern sind beruhigt, die Tochter auch – nachdem ihr Dr. Miersch versichert hat, dass sie mit ihrem Aussehen auf jeden Fall ins TV kommt – mit oder ohne Brackets. Kasse zahlt nichts dazu. Die beiden nächsten Patienten sind Brüder, Daniel 13 Jahre und Marcel 12 Jahre. Für den Vater steht die Kostenfrage im Mittelpunkt – verständlich bei gleich zwei Söhnen in kieferorthopädischer Behandlung. „Die Kasse zahlt nichts“, berichtet er sogleich, deshalb habe er im Internet geforscht. Dr. Miersch reagiert gelassen – bei Kostenfragen hat er seine übersichtliche grafische Darstellung zur Hand, um zu erläutern, was in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen fällt und wobei zusätzliche private Mehrkosten anfallen können. „Die Krankenkassen bezahlen erst bei einer gewissen Ausprägung der Kieferstellung“, erklärt er sowohl dem Vater als auch den Söhnen, „denn es ist mir wichtig, dass auch die Kids die Zusammenhänge verstehen“. Im Falle von Daniel kann er den Vater beruhigen, „die Fehlstellung ist so ausgeprägt, dass sie in den Leistungsumfang der Krankenkasse fällt“. Bei Marcel rät er zum Warten, ggf. übernimmt die Kasse die Kosten zu einem späteren Zeitpunkt. Um 20.30 Uhr verlasse ich mit Dr. Thomas Miersch das ZFZ Stuttgart. Den Viertelstunden-Rhythmus hat der Patientenberater nicht einhalten können. Zu Hause warten auf den Kieferorthopäden noch knapp zwei Stunden Dokumentation der Beratungsfälle. „Während der Beratung fehlt mir dazu die Zeit“. » mader@lzk-bw.de Foto: AdobeStock, SolisImages www.zahnaerzteblatt.de ZBW 2/2019
Laden...
Laden...
Informationszentrum Zahn- und Mundgesundheit Baden-Württemberg (IZZ)
Haus: Heßbrühlstraße 7, 70565 Stuttgart
Post: Postfach 10 24 33, 70200 Stuttgart
Telefon: 0711 222 966 0
Fax: 0711 222 966 20
presse@izzbw.de
Eine Einrichtung der Kassenzahnärztlichen
Vereinigung Baden-Württemberg
& der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg
© by IZZ Baden-Württemberg - Impressum - Datenschutz