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Ausgabe 3/2016

24 Fortbildung

24 Fortbildung Kieferkammatrophien und Knochendefekte Alveolar­Ridge­Preservation Heute gelingt auch bei komplexen Defektsituationen eine zufriedenstellende kaufunktionelle Rehabilitation des betroffenen Patienten. Dies ermöglicht ein mittlerweile großes Portfolio von Techniken, die zum einen bereits dem Knochenabbau vorbeugen, zum anderen eine Rekonstruktion des knöchernen Lagers erlauben. Eine wesentliche Bedeutung kommt hierbei der implantatgetragenen prothetischen Versorgung zu, mit der ein Erhalt oder eine Wiederherstellung der Lebensqualität möglich wird. In einer dreiteiligen Serie zum Thema Kieferkammatrophien und Knochendefekte werden die aktuellen Algorithmen beschrieben, wobei neben typischen Situationen auch ausgedehnte Defektsituationen Berücksichtigung finden. Nach Zahnextraktion kommt es zu Umbauvorgängen des Alveolarfortsatzes mit Veränderungen der Hart- und Weichgewebsstrukturen. In einer Studie von Schropp wurde 2003 dokumentiert, dass nach Zahnentfernung die Alveolarkammbreite innerhalb von zwölf Monaten im Durchschnitt um 50 Prozent abnahm, davon 60 Prozent innerhalb der ersten drei Monate. Dies gilt vor allem für die vestibuläre Alveolenwand (Pietrowski). Review. Ein Review von van der Weijden gibt eine durchschnittliche horizontale Knochenresorption von 3,87 mm und eine durchschnittliche vertikale Resorption von 1,67 bis 2,03 mm in den ersten drei Monaten nach Zahnentfernung an. Weitere Studien beschreiben 63 Prozent horizontalen und 22 Prozent vertikalen Knochenverlust. Histologie. Auf histologischer Ebene konnten verschiedene tierexperimentelle Studien von Araujo zeigen, dass der vestibuläre Knochen, der sogenannte Bündelknochen erheblich dünner ist als der linguale Knochen und auch deutlich resorptionsanfälliger. Der besagte „bundle bone“ ist lamellärer Knochen ohne Osteone, in den parodontale Fasern inserieren. Araujo et al. zeigten, dass dieser Knochen vom Parodont versorgt wird und bei Extraktion des Zahnes vollständig resorbiert werden kann. Dies ist insbesondere bei sehr dünnem bukkalen Knochen der Fall. Zudem zeigte sich drei Monate nach Spontanheilung eine vertikale Knochenresorption des Bündelknochens von 2,2 mm. Operative Vorgehensweisen. In der Literatur werden verschiedene operative Vorgehensweisen, die Knochenresorption nach Zahnextraktion verhindern oder zumindest verringern sollen, dargestellt. Hierbei werden die Begriffe Socket Preservation, Socket Seal, Ridge Preservation, Alveolar Ridge Preservation oder auch Kieferkammpräservation oftmals synonym verwendet. Im deutschsprachigen Raum steht der Begriff der Socket Preservation aber auch für den Erhalt vollständig intakter Alveolen, während bei der Ridge Zahnextraktion. Zustand nach atraumatischer Zahnextraktion 35 und Entepithelisierung der Wundränder (Abb. 1). Auffüllen der Extraktionsalveole mit bovinem Knochenersatzmaterial (BioOss Collagen) (Abb. 2). Kollagenmatrix. Anschließendes Einnähen einer Kollagenmatrix (Mucograft Seal) zum Verschluss der Extraktionsalveole (Abb. 3). Klinische Situation eine Woche nach Zahnextraktion und Nahtentfernung (Abb. 4). 5 Monate später. Klinische Situation vor Implantation nach 5-monatiger Abheilung (Abb. 5). ZBW 3/2016 www.zahnaerzteblatt.de

Fortbildung 25 Preservation im deutschen Sprachgebrauch von der Behandlung defizitärer Extraktionsalveolen ausgegangen wird. Im englischsprachigem Raum hingegen handelt es sich beim Begriff der Ridge Preservation um den allgemeinen Oberbegriff für alle knochenerhaltenden Eingriffe im Rahmen einer Zahnextraktion. Knochenersatzmaterial. Mit diesen Verfahren wird nach schonender, atraumatischer Zahnextraktion die Zahnalveole mit Knochen oder Knochenersatzmaterial aufgefüllt. Je nach Studie wird das in die Alveole eingebrachte Knochenersatzmaterial anschließend noch abgedeckt. Das kann entweder mittels Weichgewebstransplantaten oder mittels einer Kollagenmatrix geschehen. Je nach Studie unterscheiden sich die verschiedenen Methodiken hinsichtlich zahlreicher Parameter: dem verwendeten Augmentationsmaterial (autolog, alloplastisch, allogen), den Einheilzeiten (zweieinhalb bis neun Monate) und den Verschlussmöglichkeiten nach Alveolenfüllung (Freies Schleimhauttransplantat, Kollagenmatrix, dermale Allografts). Ebenfalls spielt der entfernte Zahn eine Rolle (einwurzelige Zähne oder Molaren) sowie auch der Erhaltungszustand der Alveole nach Zahnextraktion (intakte vestibuläre Lamelle oder Defektsituation in der vestibulären Lamelle). Ergebnis. Das ideale Ergebnis nach Ridge Preservation hätte zur Folge, dass bei der späteren Implantation keine weiteren augmentativen Verfahren mehr erforderlich wären. In einer vergleichenden Studie von Donos wurde die Notwendigkeit einer Nachaugmentation in der Kontrollgruppe mit 20,8 Prozent beschrieben, in der Testgruppe hingegen mit 9,9 Prozent. Das DGI-Konsenspapier von Weng und Schliephake beschreibt die Notwendigkeit der zusätzlichen Augmentation in der Gruppe ohne Ridge Preservation mit 42 Prozent und in der Testgruppe mit 4 Prozent. Zahnextraktion. Zustand nach Extraktion der Zähne 11 und 21. Es zeigten sich umfangreiche Defekte der vestibulären Knochenlamellen. Daher erfolgte die tunnelierende Präparation vestibulär und palatinal. Die Alveole wurde dann mit einem bovinen Knochenersatzmaterial aufgefüllt und eine Membran in den unterminierten Bereich inseriert (Abb. 1). Verschluss der Alveolen. Nach Einbringen des Knochenersatzmaterials und der Membran erfolgt der Verschluss der Alveolen mittels zweier Schleimhauttransplantate vom Gaumen (Abb. 2). Versorgung. Definitive implantatprothetische Versorgung (Abb. 3). IntraoperativeSituation nach Bildung eines Mukoperiostlappens, erkennbar ist der gute Erhalt der horizontalen und vertikalen Knochendimension (Abb. 6). Implantatinsertion. Intraoperative Situation nach Implantatinsertion, das Implantat ist allseitig knöchern gefasst. Es sind keine weiteren augmentativen Maßnahmen notwendig (Abb. 7). Entzündungsfreie Schleimhautverhältnisse. Klinische Situation eine Woche nach Implantatfreilegung. Es zeigen sich entzündungsfreie Schleimhautverhältnisse bei periimplantär ausreichend keratinisierter Gingiva (Abb. 8). Fotos : Dr. Mertens Implantatgetragene Einzelzahnversorgung. Klinische Situation mit definitiver, implantatgetragener Einzelzahnversorgung (Abb. 9). www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2016

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