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Ausgabe 3/2016

14 Berufspolitik

14 Berufspolitik E-Health im Zentrum des 1. Landeskongresses Gesundheit Stabile Datenautobahn statt Nebenstraßen Der Ausbau der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist unverzichtbar – diese Einschätzung wird wohl von allen Akteuren auf diesem Feld geteilt. Doch warum geht es nicht voran? Welche Hindernisse stehen der Umsetzung im Weg? Ist die Sorge um Datensicherheit berechtigt? Oder blockieren wir uns damit nur den Weg in die Zukunft? Viele offene Fragen wurden diskutiert beim 1. Landeskongress Gesundheit Baden-Württemberg zum Thema „E-Health – die Digitalisierung im Gesundheitswesen“, der parallel zur Fachmesse „Medizin“ und dem 51. Ärztekongress der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg Ende Januar in Stuttgart stattfand. Gelungene Premiere. Rund 250 Teilnehmer konnten die Veranstalter – die Bezirksärztekammer Nordwürttemberg, die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg und die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft – für das Thema „Digitalisierung“ interessieren. Baden-Württemberg ergeben werden“ und erwarte in nächster Zeit entsprechende„Hausaufgaben“. Altpeter unterstrich die ökonomische Bedeutung der Digitalisierung als „Innovationsmotor des 21. Jahrhunderts“ und ihren Stellenwert bei der Lösung absehbarer Probleme: „Die Telemedizin hat das Potenzial, uns bei den großen Herausforderungen wie dem demografischen Wandel, der Zunahme chronischer und komplexer Erkrankungen oder der unterschiedlichen Arztdichte zu unterstützen.“ Auch Günther Oettinger, EU- Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft, hatte in seiner Keynote die Ökonomie im Blick und betonte die dringende Notwendigkeit einer „klugen digitalen Strategie“. Sie sei die Voraussetzung dafür, dass Europa wirtschaftlich leistungsfähig bleibe. Was die Digitalisierung betreffe, liege Europa hinter den USA und China zurück: „Wir haben eine schlechte Position.“ Vor 2020 werde entschieden sein, wer zu den Gewinnern und wer zu den Verlierern zähle. „Alle Sektoren sind dran: Es geht hier nicht um Industrie 4.0. Es geht um Wirtschaft 4.0, um Freie Berufe 4.0 und um Krankenhaus 4.0. Wir sind im Strudel mittendrin.“ Dass sich die Zusammenarbeit im medizinischen Bereich verbessert – dies gehört zu den großen Erwartungen, die die Ärzteschaft in den Digitalisierungstrend setzt, wie Dr. Klaus Baier, Präsident der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg, in seiner Eröffnungsrede vor rund 250 Teilnehmern sagte. Insofern werde die Digitalisierung nicht nur als Herausforderung, sondern auch als „außerordentlich große Chance“ begriffen. Prinzipiell seien die Bemühungen der Bundesregierung zur therapeutisch und medizinisch sinnvollen Vernetzung im Gesundheitswesen lobenswert. Allerdings gebe es einige „Baustellen“ im Hinblick auf Datenschutz, Kosten und grundsätzliche Akzeptanz, wo das E-Health-Gesetz noch nicht den notwendigen Erfordernissen gerecht werde. Handlungsbedarf. Baier mahnte eindeutige Vorgaben an – eine Forderung an die Adresse der politischen Entscheidungsträger, die im weiteren Verlauf mehrfach zu hören war. Katrin Altpeter, Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren des Landes Baden-Württemberg, signalisierte in ihrem Grußwort immerhin Handlungsbereitschaft: Sie sei „gespannt auf die Impulse, die sich aus dem Kongress für einen nachhaltigen Ausbau der Telemedizin in Verlorene Zeit. Bei der Podiumsdiskussion zum Thema „E-Health und Digitalisierung – Was tut sich in Baden-Württemberg?“ mit Entscheidungsträgern aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens ging es zunächst ebenfalls um Defizite und Versäumnisse. „Wir haben viel Erfahrung mit der Nichtumsetzung der Möglichkeiten der Digitalisierung“, erklärte etwa Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, mit einiger Ironie. „Ein Trauerspiel hat jeder von uns in der Brieftasche: die elektronische Gesundheitskarte.“ Jetzt sei ein Bild drauf; aber mit der Karte könne man nicht mehr anfangen als vor zehn Jahren. ZBW 3/2016 www.zahnaerzteblatt.de

Berufspolitik 15 Spitzengespräch. Der Megatrend „Digitalisierung“ bot den Podiumsteilnehmern reichlich Diskussionsstoff – keine leichte Aufgabe für Moderatorin Hendrike Brenninkmeyer, in der Kürze der Zeit die wichtigsten Aspekte anzusteuern. Und auch beim E-Health-Gesetz (s. Kasten) gestalteten sich die Dinge anders als vorgesehen: „Es wird keinen Stammdatenaustausch ab dem 1.7. geben“, glaubt der AOK- Chef. „Ich wüsste nicht, wie das noch laufen sollte.“ Bis dato seien noch nicht einmal die Modellprojekte gestartet. Auch Landrat Detlef Piepenburg, Vorsitzender der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft, hält die fristgerechte Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben für unrealistisch. Außerdem bemängelte er, dass der Gesetzgeber die Interessen der Krankenhäuser nicht berücksichtigt hat: „Wir haben eine richtige Ausgrenzung erlebt.“ Widerstände. Das Bemühen aller Beteiligten, ihre Interessen möglichst vollumfänglich einzubringen, ist für Hermann gerade Teil des Problems: Was die Entwicklung digitaler Lösungen seit mindestens 15 Jahren behindert, ist aus seiner Sicht die Unfähigkeit der Beteiligten, über den Tellerrand hinauszuschauen und die Eigeninteressen ein Stück weit zurückzustellen – und da nahm er die Krankenkassen nicht aus. Dazu komme das gleichzeitige Unvermögen der Politik, die widerstreitenden Interessen der Akteure zusammenzubringen und sie sozusagen in den Erfolg zu zwingen. Die Ärztekammer werde immer wieder als eine der bremsenden Institutionen benannt, konstatier- Info E-Health-Gesetz Der Bundestag hat am 4. Dezember 2015 das „Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (E-Health-Gesetz)“ in zweiter und dritter Lesung beschlossen. Es schreibt ein Zeitfenster für die bundesweite Einführung der Telematik-Infrastruktur fest, die alle Teilnehmer an der medizinischen Versorgung miteinander vernetzen soll. Sie ist unverzichtbar, um die zukünftigen Möglichkeiten der elektronischen Gesundheitskarte tatsächlich nutzen zu können. Mitte 2016 soll die Einführung der Telematik-Infrastruktur beginnen. Der Gesetzgeber sieht vor, dass Praxen und Krankenhäuser innerhalb von zwei Jahren (bis Mitte 2018) flächendeckend angeschlossen sind (flächendeckender Roll-out). Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung hat den Zeitplan und die Sanktionsregelungen (pauschale Kürzungen der Vergütung der Ärzte und Zahnärzte) für den Fall von Fristüberschreitungen schon vor Verabschiedung des Gesetzes angesichts von Lieferschwierigkeiten der Industrie kritisiert. Info Fernbehandlungsverbot Der häufig verwendete Begriff „Fernbehandlungsverbot“ für § 7 Abs. 4 der ärztlichen (Muster-)Berufsordnung beschreibt den Sachverhalt nicht korrekt, wie die Bundesärztekammer kürzlich klarstellte. So ist eine ärztliche Beratung und Behandlung eines Patienten unter Einsatz von Print- und Kommunikationsmedien nicht grundsätzlich unzulässig. Lediglich die ausschließliche Fernbehandlung ist berufsrechtlich untersagt. Der § 7 Abs. 4 MBO-Ä im Wortlaut: „Ärztinnen und Ärzte dürfen individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Auch bei telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass eine Ärztin oder ein Arzt die Patientin oder den Patienten unmittelbar behandelt.“ Sinn und Zweck der Regelung ist, wie die Bundesärztekammer erläuterte, dass sich der Arzt von dem jeweiligen Patienten ein unmittelbares Bild durch die eigene Wahrnehmung verschafft und sich nicht allein auf Schilderungen des Patienten oder Informationen Dritter verlassen soll, um die Behandlungsqualität und damit die Patientensicherheit nicht zu gefährden. www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2016

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