38_FORTBILDUNG ZBW_2-3/2023 www.zahnaerzteblatt.de Traditionelles Herbst-Meeting im Fortbildungsforum Zahnärzte (FFZ) ZAHNMEDIZIN AKTUELL Am 19. November 2022 fand unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Elmar Hellwig das mittlerweile als traditionell zu bezeichnende Herbst-Meeting im Fortbildungsforum Zahnärzte (FFZ) in Freiburg statt. Neben drei Vorträgen, die sich in erster Linie mit dem Thema Implantat und Periimplantitis beschäftigten, referierte Dr. Benedikt Luka aus Hannover über die Kariesprävention bei Patientinnen und Patienten mit Tumorerkrankungen. robiell wirkt. Zudem kann präventiv eine Distanzschiene indiziert sein, welche die Schleimhäute vor Dosisüberhöhungen bei Bestrahlung schützt. Bei Mobilitätseinschränkungen des Kiefergelenks aufgrund einer Tumoroperation oder einer Bestrahlung können über eine Heilmittelverordnung eine manuelle Therapie, warme Packungen, manuelle Lymphdrainage und Logopädie in die Wege geleitet werden. Aufgrund der Dysgeusie und der verringerten Speichelfließrate, aber auch bedingt durch die Dysbiose mit vermehrtem Auftreten von Laktobazillen, Streptococcusmutans-Stämmen und Candida sind die Kariesaktivität und das Kariesrisiko erheblich erhöht. Wichtig ist hier, für eine adäquate Flüssigkeitsaufnahme, wenn möglich, auf eine Stimulation des noch vorhandenen Speichelflusses (zum Beispiel über Kaugummis) und die Anwendung von hoch konzentrierten Fluoridpräparaten (Gele bzw. Zahnpasten mit erhöhtem Fluoridgehalt) zu achten. Dr. Luka, der sich seit Jahren in einer speziellen Sprechstunde um diese „Tumorpatienten“ kümmert, stellte die Begleitsymptome der Tumortherapie sehr verständlich dar und ging in seinem Vortrag auf die wesentlichen Aspekte der praktischen Durchführbarkeit von Präventionsmaßnahmen ein. FFZ-Herbst-Meeting 2022. Prof. Dr. Elmar Hellwig, Dipl.-Volkswirt Christoph Besters, Prof. Dr. Petra Ratka-Krüger, Dr. Benedikt Luka und Dr. Hans Hugo Wilms (v. l.). KARIES UND KREBS In seiner ausgezeichneten Präsentation ging Dr. Luka zunächst auf die Inzidenz von Tumorerkrankungen ein und berichtete, dass diese Erkrankungen im Kopf-Hals-Bereich zwar weniger prävalent als zahlreiche andere Tumorerkrankungen seien, für die Zahnärztin und den Zahnarzt allerdings eine große Herausforderung darstellen würden. Aufgrund der zahlreichen Nebenwirkungen, bedingt durch Medikamente und/ oder Bestrahlung, ist bei diesen Patientinnen und Patienten mit einem massiv erhöhten Kariesrisiko zu rechnen, weil zumeist eine verminderte Speichelproduktion vorhanden ist. Daneben gilt es, häufige Nebenwirkungen der Krebstherapie (wie Mukositis, Dysgeusie, Candidiasis und eine Dysbiose, d. h. eine Veränderung des oralen Mikrobioms) zu beachten, um nur einige Begleiterscheinungen zu nennen. Bei Patientinnen und Patienten mit Mukositis ist die Anwendung von Benzydaminhydrochlorid (Tantum Verde) zu empfehlen, weil dieses Medikament entzündungshemmend, lokalanästhetisch und anti-mik- Foto: FFZ ZAHNERHALT ODER -ERSATZ Prof. Dr. Petra Ratka-Krüger, Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie des Universitätsklinikums Freiburg, präsentierte einen Vortrag zum Thema „Eigene Zähne oder Implantat“. Nach Darstellung der aktuellen Zahlen und Fakten zur Parodontitis- und Periimplantitisprävalenz ging sie auf die Frage ein, ob man Zähne länger erhalten solle und ob die Ergebnisse nach einer Parodontitistherapie vorhersehbar sind. Zunächst einmal stellte sie heraus, dass es bei Patientinnen und Patienten mit einer Parodontitis auch mehr Periimplantitis gibt. Sie konnte zudem klar darstellen, dass eine nichtchirurgische Parodontitistherapie zu ausgezeichneten Erfolgen führe, wobei insbesondere durch die subgingivale Instrumentierung der Entzündungsindex deutlich verringert werden könne. Allerdings ist eine Parodontitistherapie nur so gut wie die Nachsorge in der Unterstützenden Parodontitistherapie (UPT). Das bedeutet, dass ein gutes Recall-System die Voraussetzung für den Zahnerhalt, auch bei Parodontitispatientinnen und -patienten, ist. Anhand sehr interessanter Patientenfälle zeigte sie, dass der Zahnerhalt auch bei ungünstigen und schweren Verlaufsformen möglich ist, wobei neben der nichtchirurgischen Therapie eine adjunktive Antibiotikatherapie zum Erfolg beiträgt. Das Endergebnis ist bei derartigen Patientinnen und Patienten eine erfolgreich behandelte stabile Parodontitis. Während man früher häufig alle Zähne entfernte, die parodontal schwer erkrankt waren, würde man heute hauptsächlich eine Extraktion empfehlen, wenn ständig wiederkehrende Parodontalabszesse vorhanden
ZBW_2-3/2023 www.zahnaerzteblatt.de 39_FORTBILDUNG sind. Interessant wird es dann, wenn man die Erfolge in der Implantologie mit den Erfolgen der Parodontologie und dem Erhalt der Zähne vergleicht. Nach fünf bis zehn Jahren zeigen Patientinnen und Patienten mit einer Parodontitisvorgeschichte ein zweimal höheres Risiko für einen Implantatverlust und ein wesentlich höheres Risiko für Periimplantitis. Zudem ist bei gut betreuten Patientinnen und Patienten im Recall ein Zahnverlust durch Entzündungsgeschehen geringer als der Implantatverlust. Andererseits ist bei adhärenten Patienten keine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit für einen Implantatverlust im Vergleich zu gesunden Patientinnen und Patienten vorhanden. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass auch bei Patientinnen und Patienten mit Implantat eine präventive Betreuung erforderlich ist, um Periimplantitis zu vermeiden. Es gibt allerdings bisher noch keine Therapieempfehlung für Periimplantitis und deshalb stellt sich die Frage vor der Eingliederung von Implantaten: „Was wollen die Patienten?“ „Und was wollen die Zahnärzte?“ Aus Sicht einer versierten Parodontologin mit langjähriger Berufserfahrung konnte Prof. Ratka-Krüger feststellen, dass zunächst immer der Erhalt der eigenen Zähne im Vordergrund stehen sollte und eine Implantattherapie bei Patientinnen und Patienten mit vorheriger Parodontitis immer mit einem erhöhten Risiko einer Periimplantitis einhergeht. EXPLANTATION Anschließend referierte Prof. Dr. Dr. Rainer Schmelzeisen, Klinik für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie Freiburg, zum Thema „Explantation – und dann?“. In seinem Vortrag mit zahlreichen klinischen Bildern und Videos konnte er den Kolleginnen und Kollegen eindrucksvoll darstellen, wie wichtig eine gute Diagnostik, chirurgische Erfahrung und Nachsorge für Implantatpatientinnen und -patienten ist. So ging er auch auf das Thema „Sofortexplantation“ ein, welche bei bestimmten Indikationsstellungen (zum Beispiel Unterkieferimplantat mit Einbruch des Daches des Nervenkanals) erforderlich ist. Hier ist eine Explantation so schnell wie möglich erforderlich, um eine dauerhafte Schädigung des Nervus alveolaris inferior zu vermeiden. Bei der präimplantologischen Diagnostik gilt es, die Knochenstruktur detailliert und exakt zu befunden. Dies auch, um zum Beispiel eine Implantation in einen vorhandenen Knochentumor zu vermeiden. Explantationen finden in fünf Prozent der Fälle in einem Zeitraum von zehn Jahren statt. Dabei sind die Gründe Periimplantitis, unklarer Schmerz, Fehlpositionierung und technische Komplikation. Hat eine Patientin oder ein Patient ein bis zwei Tage nach Implantation noch weiterhin Schmerzen, so ist die Indikation für eine Entfernung meistens gegeben, weil vermutlich eine Restentzündung vorhanden ist. Auch Mikrobewegungen des Implantats können dazu führen, dass eine Explantation durchgeführt werden muss. Häufig stellt sich dann die Frage, ob eine erneute Implantation überhaupt möglich ist. Anhand zahlreicher Fallbeispiele konnte Prof. Schmelzeisen verdeutlichen, dass eine Zweitimplantation ohne eine Knochenaugmentation häufig nicht mehr funktioniert. Kommt es dann bei der Implantation zu Mikrorissen, erfolgt wieder eine Resorption mit Freilegung des Implantats, nachfolgender Periimplantitis und möglicherweise einer erneuten Forderung nach einer Explantation. Der Vortrag verdeutlichte eindrucksvoll, wie wichtig eine gute präimplantologische Diagnostik und eine anschließende periimplantologische Vorsorge ist, um einen Implantaterfolg zu garantieren. Aber selbst dann kann es auch durch nicht erklärbare Umstände zu einem Implantatverlust kommen, der dann nicht selten zu komplizierten Therapiemaßnahmen führt. PERIIMPLANTITIS – WAS TUN? In dem darauffolgenden Vortrag referierte Dr. Philipp Sahrmann, Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel, zum Thema „Periimplantitis – was tun?“. Zunächst ging PD Dr. Sahrmann auf die unterschiedlichen Definitionen der Periimplantitis ein. Es handelt sich um eine plaqueassoziierte Erkrankung bzw. eine Entzündung der Mukosa oder aber auch um eine Progression mit Verlust des Stützknochens. Als Surrogatparameter nannte er „Bleeding on probing“, Austritt von Pus, progredienter Verlust des Knochens im Röntgenbild. In einer groß angelegten Studie konnte gezeigt werden, dass Knochenregeneration mit Hilfe von Membranen nicht sehr gut funktioniert und schon nach zwei Jahren bei zwölf der 28 Implantatfälle eine Nachbehandlung erforderlich war. Andererseits konnte er anhand von Patientenfällen zeigen, dass bei einer Verbesserung der Mundhygiene, einem Rauchstopp und einer Therapie der Paro dontitis der umliegenden Zähne auch eine Periimplantitis positiv beeinflusst werden kann. Insbesondere der Einsatz von PVP-Jodlösung beim Vorliegen einer Parodontitis und die anschließende manuelle Dekontamination von Implantatoberflächen scheinen sich positiv auszuwirken. Er ging noch einmal da rauf ein, dass ein Rauchstopp von der Patientin bzw. vom Patient einzufordern ist. Eine Periimplantitis ist eine Erkrankung, die schwer beherrschbar ist und für die es bis heute zwar unterschiedliche Therapiesysteme gibt, bei der allerdings kaum ein vorhersehbarer Erfolg zu konstatieren ist. Grundsätzlich sind die Hauptursachen nach wie vor allgemeine Risikofaktoren, die auch für eine Parodontitis maßgeblich sind. Schlechte Mundhygiene, Rauchen, systemische Erkrankungen und spezielle lokale Faktoren, die man teilweise nicht kennt. Leider ist in den meisten Fällen durch eine nichtchirurgische Therapie kein reproduzierbarer Langzeiterfolg der Periimplantitis zu erzielen. Es kommt zu einer kurzzeitigen Entzündungsreduktion, allerdings kann durch die entsprechenden Maßnahmen eine Herabsetzung der Entzündungsparameter und eine geringere Blutung erreicht werden, die dann die Basis für ein operatives Vorgehen darstellt. Damit lässt sich das Risiko einer weiteren Entzündungsprogression erheblich verringern. Dr. Sahrmann stellte in diesem Zusammenhang klar, dass grundsätzlich die Plaque vor einer Professionellen Zahnreinigung anzufärben ist, und er zeigte kleine, spitze, schallaktive Zahnbürsten, mit denen man gerade in den Zahnzwischenräumen bei Implantaten eine sehr gute Plaqueentfernung erreicht. Frappierend waren Beispiele, bei denen Zahnseidereste zu einer erheblichen Entzündung rund um das Implantat führten. Letztlich muss auch eine Professionelle Zahnreinigung bei freiliegenden Zahnoberflächen stattfinden, wobei dann allerdings hier bei falscher Vorgehensweise eine Verletzung der Titanoberflächen gegeben sein kann und es deshalb besser ist, mit einem Pulverstrahlgerät den Biofilm zu entfernen. Dr. Sahrmann ging dann noch auf die Frage ein, wann eine rekonstruktive chirurgische Maßnahme bzw. eine chirurgisch resektive Maßnahme einer Periimplantitis indiziert ist. MODERNES FORMAT Das Herbst-Meeting 2022 bot im Rahmen einer Hybrid-Veranstaltung eine praxisnahe und kurzweilige Fortbildung an, die wie in jedem Jahr von den zahlreichen Fragen der Kolleginnen und Kollegen sowohl vor Ort als auch online begleitet war. Prof. Dr. Elmar Hellwig
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