34_FORTBILDUNG ZBW_2-3/2023 www.zahnaerzteblatt.de Fallbericht aus der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe SOFORT- IMPLANTATION MIT SOFORT- VERSORGUNG UNTER VERWENDUNG VON AUTOLOGEM DENTIN Dieser Fallbericht schildert die Situation einer 31-jährigen Patientin nach Via falsa bei obliteriertem Wurzelkanal an Zahn 11. Die daraus resultierende Behandlungsbedürftigkeit konnte nicht mehr konservierend gelöst werden. Im Rahmen der Therapie wurde der Zahn 11 entfernt, ein Sofortimplantat inseriert und die Augmentation mit autologem Dentin durchgeführt. Abschließend erfolgte eine provisorische Sofortversorgung. Abbildung: AdobeStock/Vlad Kochelaevskiy; IZZ Erste wissenschaftliche Erkenntnisse über den Einsatz von autologem Dentin gab es aus der dentalen Traumatologie. Zähne, bei denen aufgrund eines Traumas eine Avulsion aufgetreten ist, werden reimplantiert 1 . Als Erfolg werden replantierte Zähne mit einer leichten Beweglichkeit, die der physiologischen Beweglichkeit entspricht, gewertet. Bei diesem Erhaltungsversuch kann es jedoch zu Komplikationen und Misserfolgen kommen. Zu diesen Komplikationen zählen Ankylosen und Resorptionen der Wurzel 2 . Mit dem Begriff Ankylose wird das Verwachsen von Zahnhartgewebe (Wurzelzement und Dentin) mit dem Alveolarfortsatz/Alveolarknochen unter Verlust der Parodontalfasern verstanden. Somit liegt ein direkter Kontakt zwischen Zahnhartgewebe und Knochen vor. Unter Resorption wird der Ersatz der Zahnwurzel durch Alveolarknochen verstanden 3 . Es wurde beobachtet, dass besonders an den Arealen der Wurzeloberfläche eine Ersatzresorption stattfindet, an denen das Desmodont bei der extra oralen Lagerung nekrotisch geworden ist 2, 4 . Bei der Verwendung von Dentin in der Implantologie wird genau dieser Umbauprozess der Zahnwurzel angestrebt. In experimentellen Tierstudien und klinischen Untersuchungen stellte sich heraus, dass sich Dentin als Knochenersatzmaterial einsetzen lässt 5-11 . Die organische und anorganische Zusammensetzung des Dentins sowie die spezifischen osteogenetischen Proteine sind vergleichbar mit denen des Knochens 12 . In einer retrospektiven Studie wurden Fälle mit notwendiger lateraler Augmentation miteinander verglichen. In der einen Gruppe wurde als Augmentat Knochen (Schalentechnik nach Khoury) 13 in der anderen autologes Dentin (Tooth-Shell-Technique) verwendet. Eine simultane Implantation erfolgte in beiden Gruppen. Hinsichtlich der Komplikationsraten und der Resorption des Augmentats konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden 14 . Im folgenden Fallbericht wird über das Vorgehen der Dentinaugmentation bei einer Sofortimplantation berichtet. ANAMNESE Eine 31-jährige Patientin stellte sich im April 2020 im Zentrum für Implantologie und Oralchirurgie in Heidelberg vor. Grund der Konsultation war die fehlende Erhaltungsfähigkeit des Zahnes 11 aufgrund einer Via falsa bei obliteriertem Wurzelkanal.
ZBW_2-3/2023 www.zahnaerzteblatt.de 35_FORTBILDUNG Die Patientin beschrieb rezidivierende Beschwerden an dem Frontzahn 11. Bei dem konservativen Erhaltungsversuch durch den Hauszahnarzt konnte aufgrund des stark obliterierten Kanallumens die Wurzelkanalbehandlung nicht erfolgreich durchgeführt werden. Die allgemeinmedizinische Anamnese war unauffällig. 1 ZAHNÄRZTLICHER UND KLINISCHER BEFUND Der allgemeinzahnmedizinische Befund zeigte am Zahn 11 vestibulär eine Perforation. Der CO 2 -Sensibilitätstest am Zahn 11 war negativ und die Perkussion positiv. Des Weiteren waren die Weisheitszähne 38, 48 und 28 retiniert und verlagert. Zahn 18 befand sich in elongierter Position und Außenstand. Die restlichen Zähne im Ober- und Unterkiefer zeigten keine Auffälligkeiten. RÖNTGENOLOGISCHER BEFUND Das OPG (Abb. 1) zeigte die Trepanation von Zahn 11 auf. Die Zähne 48, 38 und 28 waren retiniert und verlagert. Im DVT war der Wurzelkanal regio Zahn 11 schwer darstellbar und eine apikale Aufhellung erkennbar. Das Knochenangebot in regio 11 war in der Höhe und Breite ausreichend (Abb. 2). Radiologische Erstuntersuchung. In der Panoramaschichtaufnahme ist die mineraldichte Verschattung an Zahn 11 sowie die retinierten und teilweise verlagerten Weisheitszähne zu erkennen. 2 DIAGNOSE • Nichterhaltungsfähiger Zahn 11 • Nichterhaltungswürdige Zähne 18, 28, 38, 48 THERAPIE In einem Aufklärungsgespräch wurden die Vor- und Nachteile der möglichen Therapieoptionen diskutiert. Aufgrund der vestibulären Perforation und des obliterierten Wurzelkanals war die Prognose für eine konservative Therapie des Zahnes 11 ungünstig. Die Patientin entschied sich für eine Sofortimplantation mit Sofortversorgung. In diesem Zusammenhang wurde die Patientin ebenfalls über die Verwendung des Zahnes 11 als Augmentat aufgeklärt. Ebenso wurde die Entfernung der Weisheitszähne 18, 28, 38, 48 empfohlen und über mögliche Risiken und Komplikationen aufgeklärt. Für die chirurgische Therapie wurde auf Basis der DVT-Aufnahme das Knochenangebot in regio 11 ermittelt. Dabei wurden eine ausreichende Knochenbreite und Knochenhöhe im Oberkiefer festgestellt. Der Patientin wurde 30 Minuten präoperativ eine Einmalgabe von 2 g Amoxicillin (Alternative bei bekannter Penicillinallergie 600 mg Clindamycin) und 600 mg Ibuprofen verordnet. Zuerst wurden die Weisheitszähne 18, 28, 38 und 48 entfernt und die Wunden versorgt. Anschließend erfolgte die atraumatische Entfernung des Zahnes 11 (Abb. 3a). Bei der Verwendung von autologen Zähnen für augmentative Maßnahmen eignet sich nur das Dentin. Hierfür wurde die Zahnkrone mit dem Zahnschmelz von der Zahnwurzel getrennt. Anschließend wurden mit einer Hartmetallfräse Debris und die Parodontalfasern von der Zahnwurzel entfernt. Die gereinigte Zahnwurzel wurde partikuliert und chemisch für die Augmentation aufbereitet (Abb. 3b). Simultan wurde ein Implantat Regio 11 (Astra EV, Ø 4,2 x 13 mm, Densply Sirona, Germany) in den palatinalen Anteil der Alveole mit 35 Ncm primärstabil inseriert. Der Spaltraum zwischen bukkaler Alveolenwand und Implantat, die Jumping Distance, wurde mit dem aufbereiteten autologen Dentin aufgefüllt (Abb. 4a). Zur röntgenologischen Kontrolle wurde ein DVT in regio 11 angefertigt. Das Implantat ist an die palatinale Alveolenwand gelagert. Der vestibuläre Anteil der Alveole ist intakt und die mineraldichten Partikel des partikulierten Dentins sind gut erkennbar (Abb. 4b). Im Anschluss erfolgte die Übertragung der Implantatposition Röntgenologische Ausgangssituation im DVT bei Erstvorstellung. Der Zahn 11 zeigt die mit Füllungsmaterial gefüllte Trepanation. Darstellung von Zahn 11 in der Sagittalebene: Der stark obliterierte Wurzelkanal konnte trotz übersichtlicher Trepanation nicht aufgefunden werden. Die apikale Aufhellung ist zu erkennen. 3a 3 b Knochenersatzmaterial. a) Der Zahn 11 mit vestibulärer Perforation (weißer Pfeil) und anhaftendem Desmodont. b) Um den Zahn 11 als autologes Knochenersatzmaterial zu verwenden, wurde die Zahnkrone/der Zahnschmelz entfernt. Die Zahnwurzel wurde mechanisch sowie chemisch aufbereitet und fein partikuliert.
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