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Ausgabe 2-3/2023

26_BERUFSPOLITIK

26_BERUFSPOLITIK ZBW_2-3/2023 www.zahnaerzteblatt.de Foto: Deutscher Bundestag/ Stephan Erfurt Arbeitsplanung des Bundesgesundheitsministeriums 2023 VON REVOLUTIONEN UND EVOLUTIONEN Seit über einem Jahr steht Prof. Karl Lauterbach an der Spitze des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Seine Expertise brachte ihm in der Anfangsphase der Coronapandemie viel Sympathie, sodass die Welle seiner Popularität (erinnert sei an den Hashtag #WirWollenKarl) ihn schließlich mit ins Amt trug. Den hohen Erwartungen wurde der Minister in den Augen der meisten Beobachter*innen und Akteur*innen im Gesundheitswesen bislang jedoch nicht gerecht. Die Ende 2022 vorgestellte Arbeitsplanung des BMG gibt Ausblick auf die gesundheitspolitische Schwerpunktsetzung in diesem Jahr. START IN DER KRISE Für die neue Bundesregierung war der Start in die neue Legislatur durch die anhaltende Pandemie und den Krieg in der Ukraine turbulent. Zu Beginn von Lauterbachs Amtszeit scheiterte ein fraktionsübergreifender Gesetzesentwurf für eine allgemeine Impfpflicht. Auf die klammen GKV-Finanzen galt es schnell eine Lösung zu finden. Vor der Sommerpause brachte Lauterbach mit seinem Entwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) insbesondere den ambulanten Sektor, der sich mit hohen Material- und Energiekosten und einer steigenden Inflation konfrontiert sieht, gegen sich auf (siehe ZBW-Ausgabe 11-12/2022). Für das Jahr 2023 sind der Arbeitsplanung des BMG zufolge große Strukturreformen geplant. KRANKENHAUSREFORM Bereits Ende 2022 legte Minister Lauterbach Eckpunkte für eine groß angelegte Klinikreform vor, welche er selbst als „Revolution“ bezeichnete. Zentrales Ziel ist die Überwindung des Fallpauschalen-Systems (DRG – Diagnosis Related Groups), „medizinische und nicht ökonomische Gründe“ sollen ausschlaggebend für Behandlungen sein. Gemäß den Empfehlungen der Regierungskommission sollen Kliniken künftig nach drei neuen Kriterien honoriert werden: Zum einen sollen sie einen festen Betrag als Vorhaltekosten erhalten. So soll der wirtschaftliche Druck gemindert werden. Zum anderen sollen Reformen. Bis Ende des Jahres 2022 brachten es Lauterbach und seine Beamt*innen auf 48 Rechtsverordnungen und zwölf Gesetze.

ZBW_2-3/2023 www.zahnaerzteblatt.de 27_BERUFSPOLITIK sie in verschiedene Versorgungsformen, in die Level Grundversorgung, Regelund Schwerpunktversorgung und Maximalversorgung unterteilt werden. Für jedes Level soll es eine entsprechende Förderung geben. Krankenhäuser des Levels I werden wiederum unterteilt in jene, die die Notfallversorgung sicherstellen, und jene, die integrierte ambulant/stationäre Versorgung anbieten. Letztere sollen sektorenübergreifend regional geplant werden und vom DRG- System ausgenommen sein. Dafür ist eine Tagespauschale als Vergütung vorgesehen. Behandlungen sollen nur noch dann abgerechnet werden können, wenn das Krankenhaus einer entsprechenden Leistungsgruppe zugeordnet wurde. Diese Leistungsgruppen sollen künftig noch genauer definiert werden. Dann würden „grobe Zuweisung von Fachabteilungen (wie ‚Innere Medizin‘) […] durch genauer definierte Leistungsgruppen abgelöst (z. B. ‚Kardiologie‘)”. Schlechte Noten. In einer Umfrage des Ärztenachrichtendienstes Ende November verneinten 88 Prozent der Befragten die Frage: „Sind Sie optimistisch, dass Karl Lauterbach in seiner verbleibenden Amtszeit sinnvolle Reformen anstoßen wird?“. Foto: BMG/Thomas Ecke DIGITALISIERUNG Hinsichtlich der Digitalisierung ist eine ganze Reihe von gesetzgeberischen Maßnahmen geplant. Die Vorstellung einer Digitalisierungsstrategie für die Pflege und das Gesundheitswesen ist für das Frühjahr 2023 vorgesehen. Auf Initiative des Landes Baden- Württemberg hatte der Bundesrat bereits Ende November in einem Entschließungsantrag den Druck auf das BMG erhöht und gefordert, das angekündigte Gesundheitsdatennutzungsgesetz zeitnah vorzulegen. Die Länderkammer fordert den Bund darin u. a. auf, die Telematikinfrastruktur zu einer Gesundheitsdateninfrastruktur dezentral auszubauen. Die Länder sehen die elektronische Patientenakte (ePA) als „Dreh- und Angelpunkt für die Gesundheitsdatennutzung in der Gesundheitsversorgung“. Sie werben für eine Opt-out-Variante der ePA, das heißt, dass für alle Patient*innen, die nicht aktiv widersprochen haben, eine ePA angelegt wird. Die Gesundheitsdaten müssten interoperabel für die Forschung nutzbar sein. Das sieht der Vorschlag für eine Verordnung der EU- Kommission zum Europäischen Gesundheitsdatenraum auch vor (siehe ZBW 5-6/2022). Die Einlösung des E- Rezepts mittels Gesundheitskarte ist in Vorbereitung und soll Mitte des Jahres abgeschlossen sein. VERSORGUNG Laut Arbeitsplanung sind im „Versorgungsgesetz I“ Regelungen zu Gesundheitskiosken enthalten. Diese „neuen Beratungsangebote (sollen) für Patient*innen in sozial benachteiligten Regionen aufgebaut werden“, bundesweit könnten es dem BMG zufolge 1000 Gesundheitskioske geben. Diese Anlaufstellen sollen von den Kommunen initiiert und mehrheitlich von den gesetzlichen und den privaten Krankenversicherungen (und unter Beteiligung der Kommunen) finanziert werden, so das BMG in einer Pressemitteilung. „Hauptaufgabe der Kioske ist es, den Zugang zur Versorgung der Patient*innen mit besonderem Unterstützungsbedarf zu verbessern und die Versorgung zu koordinieren.” Zu den weiteren Aufgaben gehörten die Koordinierung und Vermittlung von Leistungen medizinischer Behandlung, Prävention und Gesundheitsförderung sowie die allgemeinen Beratungsund Unterstützungsleistungen zur medizinischen und sozialen Bedarfsermittlung. Hinzukommen würde auf ärztliche Veranlassung hin die Durchführung einfacher medizinischer Routineaufgaben, beispielsweise Blutdruck und Blutzucker messen, Verbandswechsel und subkutane Injektionen. CANNABIS-ABGABE Im Koalitionsvertrag ist „die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften” vereinbart. Das BMG legte dazu Ende Oktober 2022 ein Eckpunktepapier vor. „Die Produktion, die Lieferung und der Vertrieb werden innerhalb eines lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmens zugelassen”, so das BMG. Die neuen Regelungen sehen vor, dass Cannabis und Tetrahydrocannabinol nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden sollen. Der Erwerb und der Besitz von bis zu 30 Gramm Genusscannabis zum privaten Konsum in der eigenen Häuslichkeit oder im öffentlichen Raum sollen straffrei sein. Im Rahmen von lizensierten Fachgeschäften würde der Verkauf an Menschen ab 18 Jahren erfolgen. Das „Cannabis-Gesetz“ wurde bis Redaktionsschluss noch auf Konformität mit völker- und europarechtlichen Abkommen geprüft. Laut Koalitionsvertrag soll das Gesetz nach vier Jahren „auf gesellschaftliche Auswirkungen“ evaluiert werden. AUSBLICK In der Arbeitsplanung findet sich außerdem eine weitere GKV-Finanzreform (Empfehlungen werden im Mai erwartet), ein Bürokratieentlastungsgesetz (Empfehlungen sollen im September vorliegen), die Weiterentwicklung des Pakts für den Öffentlichen Gesundheitsdienst und eine Reform der Notfallversorgung (u. a.). Zur Reform der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland hat das Bundeskabinett noch vor Weihnachten einen Entwurf abgestimmt (Näheres dazu lesen Sie auf den Seiten 28 f.). Es bleibt abzuwarten, ob sich die Ankündigungen von „Minister Atemlos“ (tagesschau.de) am Ende als „Revolutionen“ oder kleinschrittige „Evolutionen“ entpuppen. Alexander Messmer

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