26 Berufspolitik Anforderungen an die Medizinprodukteaufbereitung in der Zahnarztpraxis Der Versuch der Quadratur des Kreises? Fühlen Sie sich manchmal wie in einem Hamsterrad? Sie investieren alles für ein optimales Hygienemanagement in der Praxis und trotzdem haben Sie das Gefühl, eine Änderung in einer Herstelleraufbereitungsangabe verpasst zu haben? Oder Sie benutzen das vom Hersteller empfohlene Desinfektionsmittel, um die Produktgewährleistung zu sichern, haben aber dennoch den Eindruck, nicht RKI-konform aufzubereiten? Das ZBW hat beim LZK-Referenten für Praxisführung Dr. Norbert Struß und beim Leiter der Abteilung Praxisführung in der LZK-Geschäftsstelle Marco Wagner nachgefragt, wie sich diese Quadratur des Kreises lösen lässt. ZBW: Seit Jahren werden die Anforderungen, auch unter dem Eindruck flächenhaft durchgeführter Praxisbegehungen durch die Aufsichtsbehörden, an die Reinigung, Desinfektion und Sterilisation zahnärztlicher Instrumente diskutiert. Sie haben das einmal als „den Versuch der Quadratur des Kreises“ bezeichnet. Wie meinen Sie das? Dr. Struß: Um es vorwegzunehmen, wir diskutieren hier nicht die selbstverständlich notwendigen und sinnvollen Hygienemaßnahmen zum Schutz der Patienten, der Praxismitarbeiter und Dritter. Sondern es geht darum, dass es de facto für die Praxisteams sehr schwierig und nur unter immensem bürokratischem Aufwand möglich ist, den Anforderungen aus rechtlichen Regelwerken, behördlichen Vorgaben und Herstellerangaben gerecht zu werden. Es geht darum, dass Herstellerangaben von aufzubereitenden Medizinprodukten (MP) manchmal nicht den Anforderungen, die behördlicherseits gestellt werden, gerecht werden. Oder, dass nach dem Kauf eines neuen Medizinprodukts ein neues validiertes Aufbereitungsverfahren in die Praxis einzuführen ist. Auch sind plötzlich notwendige Adapter nicht immer leicht erhältlich oder in vorhandene Aufbereitungsgeräte zu integrieren. Für Desinfektionsmittel gibt es einen Austausch. Dr. Struß tauscht sich regelmäßig mit Marco Wagner über die Anfragen der Zahnarztpraxen in der Praxisführungsabteilung aus. Dschungel unterschiedlicher Listungen, wie z. B. VAH, RKI, IHO, DVV, GfV, EU-Richtlinien. Hier den Überblick zu behalten, welches Desinfektionsprodukt für welchen Einsatzzweck RKI-konform ist, ist für die Zahnarztpraxis sehr schwer möglich. Ein enormes bürokratisches Belastungsproblem stellt auch die stetige Aktualisierung von Aufbereitungsangaben und Gebrauchsanweisungen durch die Medizinproduktehersteller dar. Über die Änderungen und Aktualisierungen werden die Medizinprodukte-Betreiber nicht informiert. Und es ist praktisch und zeitlich für den niedergelassenen Bereich unmöglich, sich ständig bei einer Vielzahl von Medizinprodukteherstellern nach eventuellen Änderungen und Aktualisierungen zu erkundigen. So kann im Extremfall, bei dem Versuch allen Vorgaben gerecht zu werden, der weitere Betrieb des Medizinproduktes – sprich Instrumentes oder Gerätes – in Frage gestellt oder nicht mehr möglich (!) sein. Das klingt sehr kompliziert und aufwendig. Aber was geben eigentlich die rechtlichen Vorgaben für die Zahnärzte und die Medizinproduktehersteller vor? Foto: A. Mader Dr. Struß: Das rechtliche Regelwerk mit Gesetzen, Verordnungen, Empfehlungen und Normen ist äußerst umfangreich und vielschichtig. Für den Betrieb und die Anwendung von Medizinprodukten in der Praxis weist die Medizinprodukte-Betreiberverordnung dem Praxisbetreiber, sprich Zahnarzt, ganz klar die Verantwortung zu. Die Aufbereitung von bestimmungsgemäß keim arm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten ist unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers nachvollziehbar mit geeigneten validierten Verfahren durchzuführen. Eine ordnungsgemäße Aufbereitung wird vermutet, wenn die KRINKO-/BfArM-Empfehlung „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ (2012) beachtet wird. Die inhaltlichen Anforderungen für die Medizinproduktehersteller sind in der „DIN EN ISO 17664:2017 Aufbereitung von ZBW 4/2020 www.zahnaerzteblatt.de
Berufspolitik 27 Produkten für die Gesundheitsfürsorge – Vom Medizinproduktehersteller bereitzustellende Informationen für die Aufbereitung von Medizinprodukten“ definiert. Herr Wagner, an Sie und die Abteilung Praxisführung der LZK- Geschäftsstelle wenden sich die Praxen mit einer Vielzahl von Fragen. Können Sie einige Beispiele für die angesprochenen Probleme nennen? Marco Wagner: Ich gebe Ihnen ein Beispiel zur zahnmedizinischen Behandlungseinheit: Der Hersteller einer Behandlungseinheit definiert in seiner Aufbereitungsangabe ein Produkt zur Desinfektion eines bestimmten Herstellers. Das Wirkspektrum dieses vom Behandlungseinheiten-Hersteller empfohlenen Desinfektionsmittels entspricht in vielen Fällen nicht den Anforderungen der KRIN- KO-/BfArM-Empfehlung. Im Rahmen der in Baden- Württemberg stattfindenden Regelüberwachung der Aufbereitung von Medizinprodukten in Zahnarztpraxen gemäß Medizinproduktegesetz durch die Regierungspräsidien wird das Wirkspektrum gemäß den Vorgaben der Stellungnahme von RKI, DVV, GfV und VAH „Prüfung und Deklaration der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln gegen Viren zur Anwendung im human-medizinischen Bereich“ (2017) eingefordert. Setzt der Zahnarzt diese Anforderungen um, kommt er hierdurch ggf. in Konflikt mit der Produkt-Gewährleistung für das Medizinprodukt „Behandlungseinheit“ und dessen Aufbereitungsangabe/Gebrauchsanweisung. Denn jegliche Beschädigung bzw. Veränderung an einer Behandlungseinheit durch den Einsatz eines nicht vom Hersteller vorgegebenen Desinfektionsmittels führt zum Erlöschen der Produkt-Gewährleistung. Dieser Konflikt wird ausschließlich auf den „Schultern“ der Medizinprodukte-Betreiber ausgetragen. Können Sie uns ein weiteres Beispiel nennen, welche Fragen schlagen noch häufig bei Ihnen in der Geschäftsstelle auf? Marco Wagner: Es gibt im Dentalbereich Medizinprodukte, bei denen der Hersteller eines Hohlkörper-/Lumen-Medizinprodukts Praxistipp. Es ist wichtig, das Instrumentarium und alle damit zusammenhängenden Aufbereitungsprozesse auf das Behandlungsspektrum der Praxis abzustimmen. z. B. keine Adaption/Konnektion und somit KRINKO-/BfArM-konforme Außen- und Innenaufbereitung ermöglicht bzw. der Hersteller der Aufbereitungsgeräte keine entsprechenden Adapter anbietet. Des Weiteren gibt es auch Hersteller von Hohlkörper-/ Lumen-Medizinprodukten, die keine maschinelle Innenaufbereitung zulassen. Was kann eine betroffene Praxis in solch einem Fall unternehmen? Marco Wagner: Für diesen Fall sieht das Medizinprodukterecht die sogenannte „Vorkommnis- Meldung an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)“ vor. Dieses Verfahren ist nicht nur bürokratisch, sondern auch bisher von geringen Erfolgen gekrönt. Einerseits liegt dies daran, dass ein gewisser Anteil der Medizinproduktehersteller außerhalb von Deutschland seinen Firmensitz hat. Auf der anderen Seite konnten wir bei der Beobachtung/Begleitung von Vorkommnis-Verfahren feststellen, dass in der BfArM-Verfahrensbegründung die Argumente der Medizinproduktehersteller übernommen wurden und gleichzeitig die Problembeschreibungen des Medizinprodukte-Betreibers keinerlei Berücksichtigung gefunden haben. Wäre es denn für die Zahnärzteschaft da nicht sinnvoll, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen? Dr. Struß: Genau das ist unser Ziel. Die LZK BW hat seit vielen Jahren diese Themen wiederholt in der Landespolitik und den Foto: Adobe Stock/Rawf8 zuständigen Ministerien angesprochen, unter anderem war der Präsident der LZK BW, Kollege Torsten Tomppert gleich zu Beginn dieser Kammerperiode bei Ministerpräsident Kretschmann. Die Kammer hat die Probleme klar benannt und für die berechtigten Anliegen der Zahnärzteschaft sensibilisiert und geworben. Zur Klärung vieler Fragen rund um die Praxisbegehungen wurde unter dem Dach des Sozialministeriums eigens der „Arbeitskreis Aufbereitung zahnärztlicher In strumente“ (AKAZI) unter Beteiligung der Regierungspräsidien und der Landeszahnärztekammer ins Leben gerufen. Als nächster Schritt ist geplant, im „Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg“ mit allen Playern im Dentalbereich – Ministerien, Fachkommissionen, Herstellern, Handel und Aufsichtsbehörden – einen konstruktiven und offenen Dialog zu führen. Klar ist: Die Anforderungen sind an fachlich sowie wissenschaftlich belegten Notwendigkeiten zu orientieren, die Kosten zu benennen und den Anwendern gegenüber ist größtmögliche Transparenz zu schaffen. www.zahnaerzteblatt.de ZBW 4/2020
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