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65 Jahre Landeszahnärztekammer

Ausgabe 4/2020

12 Titelthema

12 Titelthema Berufskundevorlesungen an den Universitäten u. v. m. der Informationsstand zu den Aufgaben der Kammer und den Möglichkeiten, dabei selbst aktiv mitzuwirken, bei den Berufseinsteigern höher ist als vor 40 Jahren. Ich sehe die berufsständische Selbstverwaltung als Chance und Instrument, berufsständische Interessen zu bündeln, allerdings auch mit einem Blick auf die Anforderungen des Gemeinwohls an den Berufsstand. Zudem verschafft die vom Gesetzgeber an den Berufsstand übertragene Selbstverwaltung gewisse Freiheiten bei der Regelung beruflicher Belange. Insofern ist für mich die Möglichkeit zur zahnärztlichen Selbstverwaltung ein hohes Gut, das der Berufsstand mit Engagement und Verantwortung ausfüllen sollte. Insbesondere Kolleg*innen, die noch viele Berufsjahre vor sich haben, sind dringend aufgefordert, die zahnärztliche Selbstverwaltung mit Leben zu erfüllen. Herr Dr. Tomppert, in Ihrer Präsidentschaft dominiert sehr stark die Europapolitik. Welche Auswirkungen wird Europa auf die freiberuflichen Kammern haben? Aus welchen Gründen sollte am Organisationstypus der freiberuflichen Kammern festgehalten werden? Haben sie sich bewährt? Wird es die freiberuflichen Kammern in dieser Form in zehn Jahren noch geben? Glauben Sie, die Pflichtmitgliedschaft in der Kammer wird zu halten sein? Dr. Tomppert: Ich denke, der Einfluss Europas wurde zu lange unterschätzt. Ich habe mich schon sehr früh nach meiner Wahl auf den Weg ins Europaparlament nach Straßburg gemacht. Und ich arbeite sehr gerne im Ausschuss Europa der Bundeszahnärztekammer mit, deren Büro die Verbindung nach Brüssel darstellt. Wenn Sie den Verhältnismäßigkeitstest sehen, der bis in unsere Berufszugangs- und Berufsausübungsbestimmungen eingreift, dann begreifen wir die Bedeutung Europas für die Kammern in den Ländern wirklich. Und sehen Sie, trotz aller Angriffe der EU-Kommission, die regulierten Berufe (Kammern mit ihrer verpflichtenden Mitgliedschaft) abzuschaffen, bin ich überzeugt, dass wir dieses Modell mit Zähnen und Klauen verteidigen sollten, denn ich sehe nur Gewinner dabei: Die Patient*innen aufgrund des Patientenschutzes durch die Gewährung des hohen Qualitätsniveaus in der Behandlung, die Kolleg*innen durch eine politische Interessenvertretung, den Service und die Dienstleistungen Entwicklung. „Die LZK BW hat im Laufe ihrer Geschichte eine Entwicklung vom reinen Habitus einer Körperschaft öffentlichen Rechts zu einem modernen Dienstleistungsanbieter mit Körperschaftstatus erlebt“, sagt Dr. Udo Lenke. sowie durch klar geregelte Weiterbildung und die Mitarbeiter*innen durch Aufstiegsfortbildungen. Sie beide haben sich in Ihrer Präsidentschaft um die Übernahme weiterer hoheitlicher Aufgaben bemüht. Warum sollte die Kammer Ihrer Meinung nach neben den ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben freiwillig weitere standespolitische Aufgaben übernehmen? Dr. Tomppert: Na ja, das ist ganz einfach: Das Motto für die 16. Kammerperiode heißt „Mehr Selbstverwaltung wagen“. Ein Beispiel dafür ist die Kammer als Approbationsbehörde, da sind wir im Moment sehr nah dran. Nur wer hoheitliche Aufgaben übernimmt, ist unverzichtbar. Die Kammer ist ja schon seit Jahren ein Service- und Dienstleistungszentrum für die Kolleg*innen. Die Anforderungen an die Praxen steigen – dementsprechend steigt der Einsatz der Kammer für die Kollegenschaft. Dr. Lenke: Der Wind des Wandels weht stetig. Statt Mauern zu bauen ist es besser, Windmühlen zu errichten. Zahnärztlichen Sachund Fachverstand einbringen, heißt die Botschaft. Zu jeder Zeit gab es und wird es auch immer Aufgaben geben, die zu ihrer Bearbeitung Fachverstand erforderten bzw. erfordern. So wäre es heute konsequent, wenn der Staat die Kammer mit den Aufgaben im Zusammenhang mit der zahnärztlichen Approbation beauftragen würde. Herr Dr. Tomppert, Herr Dr. Lenke, auf welche Meilensteine kann die LZK in 65 Jahren Kammerarbeit Ihrer Auffassung nach zurückblicken? Dr. Tomppert: Ich bin überzeugt, dass das Prinzip der Subsidiarität und damit der Selbstverwaltung durch den eigenen Berufsstand mit Unterstützung einer guten Verwaltung das Optimum darstellt. Selbst Herr Spahn outet sich als ein Fan der Selbstverwaltung, wenn sie funktioniert – und sie funktioniert. Und das schon sehr lange! Dr. Lenke: Kein Meilenstein, sondern ein Dauerbrenner ist das ständige Bemühen der Kammer um Erhalt der persönlichen Verantwortung des Zahnarztes bei der Behandlung der Patienten. Dies bedeutet einerseits Freiheit und andererseits Verpflichtung. Der hohe Stellenwert der Berufsgruppe im Ranking aller Berufe zeigt, dass den Zahnärzt*innen dieser Spagat bisher wohl gut gelungen ist. ZBW 4/2020 www.zahnaerzteblatt.de

Titelthema 13 Meilensteine gibt es genug. Ich weise nur auf zwei Höhepunkte in der Arbeit der LZK BW hin: In Zusammenarbeit mit vielen Mitwirkenden wie Politik, Krankenkassen, Zahnärzten und zahnmedizinischen Mitarbeiter*innen, ist es der Jugendzahnpflege gelungen, die Karies bei den Kindern im Land um ein Vielfaches zu reduzieren. Ebenso hohe Bedeutung messe ich dem berufsständischen Angebot der Patientenberatung und neutralen Zweitmeinung bei, das ebenfalls auf Initiative der LZK BW ins Leben gerufen worden ist. Beiden Projekten liegt ein Erfolgsmerkmal zugrunde: Die Patienten haben den Nutzen der Einrichtungen. Herr Dr. Lenke, Sie standen vier Kammerperioden an der Spitze der LZK BW. Was hat Sie am Amt des Präsidenten der LZK BW am meisten gereizt und fasziniert? Was waren die Gründe, warum Sie sich viermal als Präsident zur Wahl gestellt haben? Dr. Tomppert: Ich bin sehr beeindruckt, wie nah man an die Landes-, Bundes- und Europapolitik heranrücken kann. Es ist gelungen, in nur drei Jahren sehr intensive politische Gespräche mit Entscheidungsträgern zu führen und die Kammer und die Anliegen der Kollegenschaft auf allen drei Ebenen fest zu platzieren. Das Interessante an der Arbeit des Präsidenten ist die Vielfältigkeit der Aufgaben und Herausforderungen, der Austausch mit den verschiedenen Menschen und Institutionen und die Möglichkeit, etwas für die Kolleg*innen bewegen zu können. Meine Aufgaben im Land sind natürlich noch lange nicht erledigt. ständig. Wir haben dem selbstverständlich schon Rechnung getragen, indem wir neue Formate eingeführt haben, wie zum Beispiel „Future Now – Junge Zahnärzte in Baden-Württemberg“. Die standespolitischen Nachwuchstagungen und Veranstaltungen für die Studierenden in den Bezirkszahnärztekammern sind weitere gute Beispiele. Und wir sind bereits an allen Hochschulstandorten frühzeitig präsent. Die LZK BW ist die öffentliche Berufsvertretung der rund 12.000 Zahnärzt*innen in Baden-Württemberg. Die Vertragszahnärzt*innen in Baden-Württemberg vertritt die Kassenzahnärztliche Vereinigung Baden-Württemberg. Die Unterscheidung zwischen den beiden Körperschaften ist für viele Kolleg*innen nicht immer offensichtlich. Wie sehen Sie die Aufgabenverteilung zwischen den beiden Körperschaften? Dr. Lenke: Nach meiner 4-jährigen Amtszeit als stellvertretender Präsident dachte ich, dass die Arbeit als Präsident der LZK BW sich nicht sehr unterscheiden würde von meiner Tätigkeit bis dato. Das war einer meiner größten Irrtümer gleich am Anfang der Laufbahn. Der Präsident vertritt die LZK BW nach innen und nach außen. Dieser Satz lässt nur erahnen, welch zahlreiche und vielfältige Anforderungen damit verbunden sind. Führung leben, Innovation einbringen, Mitgestalten, Kompromisse finden, vertiefende Einblicke gewinnen und eine enge Verbundenheit mit Kollegen und Mitarbeitern der Kammer waren für mich stets treibende Elemente. Diese Motivation war für mich der Schlüssel zur mehrmaligen Kandidatur. Herr Dr. Tomppert, Sie stellen sich als Präsident für eine zweite Kammerperiode zur Wahl. Was reizt Sie an dem „Job“? Überzeugung. „Ich bin überzeugt, dass das Prinzip der Subsidiarität und damit der Selbstverwaltung durch den eigenen Berufsstand mit Unterstützung einer guten Verwaltung das Optimum darstellt“, betont Dr. Torsten Tomppert. Die Kammer als Berufsorganisation orientiert sich – was ihre Dienstleistungen betrifft – sehr an den Kolleg*innen, die in eigener Praxis niedergelassen sind. Herr Dr. Tomppert, wie werden Sie als Berufsorganisation der gegenwärtigen Herausforderung begegnen, die sich vermehrt angestellten und jüngeren Zahnärzt*innen gegenübersieht? Wie wird die Kammer ihre Serviceleistungen in Zukunft ausrichten? Dr. Tomppert: Das stimmt, die Gewichtung zwischen niedergelassenen und angestellten Kolleg*innen verändert sich Fotos: Kleinbach Dr. Tomppert: Ja, Sie sprechen es an, die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg vertritt alle Zahnärzt*innen im Land. Es gibt ganz klare Zuständigkeiten für die beiden Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Kammer ist für den Berufszugang und die Berufsausübung zuständig, ebenso für die Bereiche Ausbildung der Mitarbeiter*innen sowie die Fortbildung der Kolleg*innen. Natürlich gibt es Schnittmengen. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir mehr auf das Modell „die baden-württembergischen Zahnärztinnen und Zahnärzte“ setzen sollten. Dr. Lenke: Die Aufgaben sind für beide Organisationen gesetzlich festgeschrieben. Kommen freiwillige Aufgaben hinzu, sollten Doppelarbeiten vermieden werden. Die Fragen stellte Andrea Mader www.zahnaerzteblatt.de ZBW 4/2020

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