40_BERUFSPOLITIK ZBW_1/2023 www.zahnaerzteblatt.de BZÄK-Bundesversammlung in München „BADEN-WÜRTTEMBERG WUMMS“ Mit einem „Baden-Württemberg-Wumms“ setzten die Delegierten der Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) ein deutliches Ausrufezeichen gegen die „Ausbeutung der zahnärztlichen Praxen“. Der von den Delegierten der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg eingebrachte Antrag wurde auf Anregung der Delegierten der Bayerischen Landeszahnärztekammer kurzerhand und mit Zustimmung des BZÄK-Vorstandes zum Leitantrag gemacht – und fand ein einstimmiges Votum. Erfolg. Der von den baden-württembergischen Delegierten eingebrachte Antrag „Schluss mit der Ausbeutung der zahnärztlichen Praxen“ wurde als politischer Leitantrag der Delegierten der Bundesversammlung einstimmig verabschiedet. Fotos: BZÄK/Tobias Koch Mit einer schönen Tradition eröffnete BZÄK-Präsident Prof. Christoph Benz die Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer am 4. und 5. November 2022 in München: Er verlieh die höchste Auszeichnung der Bundeszahnärztekammer, das Fritz-Linnert-Ehrenzeichen, an Prof. Dr. Dietmar Oestereich. Eine „wendedeutsche Erfolgsgeschichte“ nannte Prof. Benz den Werdegang Prof. Oesterreichs, der 21 Jahre als Vizepräsident an der Spitze der BZÄK stand. „Man findet nicht viele Kollegen, die so aufrecht, mit so viel Sachverstand und mit so viel Leidenschaft um die Prävention gekämpft haben.“ Die Goldene Ehrennadel der BZÄK erhielt Flottenarzt Dr. Helfried Bieber. Der leitende Zahnarzt der Bundeswehr wurde erst Anfang September in einer akademischen Feierstunde in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. KLEINE PRAXEN STATT I-MVZ Klaus Holetschek, Staatsminister im Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, Prof. Dr. lhsane Ben Yahya, Präsidentin des Weltverbands der Zahnärzteschaft FDI, Christian Berger, Präsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer (BLZK) und Vorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) in Bayern, und Dr. Klaus-Achim Sürmann, Vorsteher der Stiftung Hilfswerk Deutscher Zahnärzte, richteten Grußworte an die Delegierten. Klaus Holetschek sicherte dem Berufsstand seine Unterstützung bei der Eindämmung der Aktivitäten versorgungsfremder Investoren mit ausschließlichen Kapitalinteressen in der Zahnheilkunde zu. „Statt Gewinnmaximierung von Investoren brauchen die Menschen kleinere Praxen“, betonte Holetschek. Diese seien unerlässlich für eine nachhaltige und flächendeckende Versorgung im Land. KRISE IST CHANCE „Krise ist Chance“, ist sich BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz sicher. Trotz der Geringschätzung und trotz des fehlenden Respekts, den die Politik dem Berufsstand entgegenbringe und der zuletzt seinen Ausdruck in der Nichtberücksichtigung von Zahnärzten und Ärzten beim Wirtschaftsstabilisierungsfonds fand, hätten die Zahnärztinnen und Zahnärzte unter Beweis gestellt: Wir können Hygiene! Wir dürfen
ZBW_1/2023 www.zahnaerzteblatt.de 41_BERUFSPOLITIK Ehrung. BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz verlieh das Fritz-Linnert-Ehrenzeichen an Prof. Dr. Dietmar Oestereich (l.) und die Goldene Ehrennadel der BZÄK an Flottenarzt Dr. Helfried Bieber (r.). impfen! Wir haben eine Kooperation mit Diabetologen und Kardiologen auf den Weg gebracht! Und wir tragen mit einem Plus von 4,9 Prozent zum Wachstum der Bruttowertschöpfung bei. „Lasst uns weiter mit Mut und Zuversicht für unsere Interessen kämpfen!“ BZÄK-Vizepräsident Konstantin von Laffert forderte einen zügigen Bürokratieabbau. Es gäbe kein Sonder-Entlastungspaket für Praxen wie für die Kliniken, aber es dürften nicht auch noch Sonder-Belastungspakete entstehen oder bleiben. Problematisch für die Praxen sei vor allem die EU-Medizinprodukteverordnung (MDR): Durch zu wenige „benannte Stellen“ komme die geforderte Rezertifizierung der Produkte nicht voran, das betreffe auch viele Dentalprodukte. Somit drohten Versorgungsengpässe, wenn Geräte in den Praxen nicht mehr benutzt werden dürften. Im Zusammenhang mit den Medizinischen Versorgungszentren (i- MVZ) richtete Konstantin von Laffert einen dringenden Appell im Interesse der Patientenversorgung an Gesundheitsminister Karl Lauterbach: „Helfen Sie uns aus dieser Situation heraus und tun Sie endlich etwas gegen die i-MVZ.“ Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler gestand, eine Schwäche für Zitate zu haben, und stieg mit einem treffenden Bonmot der Schauspielerin Ruth Gordon in ihren Bericht ein: „Mut ist ein Muskel. Er wird dann gestärkt, wenn wir ihn benutzen.“ Mut, Muskeln und Kraft brauche auch die Zahnärzteschaft, um die Zukunft zu gestalten, appellierte Dr. Ermler. Vor allem, wenn es darum geht, „junge Menschen für unseren Beruf und für eine Niederlassung zu begeistern und die zahnärztliche Digitalisierung praxistauglich zu gestalten und uns selbst in eine digitale Zukunft mit mehr Effizienz zu führen – vor allem aber, wenn es um die GOZ geht!“ Die Ignoranz des Staates, der sich seit 1988 seiner Verantwortung bei der Anpassung der Gebührenordnung entziehe, sei „kaum mit Worten zu beschreiben.“ Dr. Ermler versicherte, die BZÄK werde alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, damit „wir zu unserem Recht kommen.“ Auch in puncto Digitalisierung ließ Dr. Ermler kein gutes Haar an der Politik: „Fast alles, was wir mit der politisch auferlegten Digitalisierung tun müssen, hat mit Chaos zu tun: Telematikinfrastruktur, Konnektorentausch etc.“. Zur Lösung aller Probleme unterbreitete Dr. Ermler den vielleicht gar nicht so ironisch gemeinten Vorschlag, „vielleicht sollten wir einfach Strom sparen und den Stecker ziehen, bis die Digitalisierung funktionstüchtig ist.“ SCHLUSS MIT DER AUSBEUTUNG Fachkräftemangel, Pandemie, Energiekrise und hohe Teuerungsraten belasten die Praxen. Hinzu kommt eine veraltete Gebührenordnung und die Wiedereinführung eines Budgets, das die neu etablierte Langzeitbehandlung der Parodontitis unmöglich macht. Es müsse endlich „Schluss sein mit der Ausbeutung der zahnärztlichen Praxen“ forderten die Delegierten der Bundesversammlung einstimmig in ihrem politischen Leitantrag, der aus der Feder Baden-Württembergs stammt und klare Forderungen an die Bundesregierung stellt: „Die Rahmenbedingungen für die zahnärztlichen Praxen müssen verbessert und nicht kontinuierlich verschlechtert werden. Die Gebühren der privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen müssen den Kostensteigerungen dauerhaft angepasst werden. Budgetierungen sind abzulehnen. Die selbstständige zahnärztliche Praxis muss gestärkt werden.“ GEBÜHRENORDNUNG Zur Gebührenordnung verabschiedete die Bundesversammlung nach kontroverser Debatte gleich drei Anträge. Der Verordnungsgeber wird „mit allergrößtem Nachdruck“ dazu aufgefordert, den seit 34 Jahren unveränderten Punktwert „sofort im erforderlichen Maß anzuheben und gleichzeitig eine Dynamisierung einzuführen“. Mittlerweile ist fast ein Drittel aller zahnärztlichen MVZ in Investorenhand. Die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) der Länder hat den Gesetzgeber bereits mehrfach aufgefordert, die längst überfälligen gesetzlichen Regulierungen dieser i-MVZ auf den Weg zu bringen. Mit dem Antrag „Vergewerblichung der Zahnheilkunde endlich stoppen – Gesundheit ist keine Handelsware“ forderte die Versammlung das BMG auf, dem mehrfachen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz endlich Folge zu leisten. KIEFERORTHOPÄDIE Angesichts der sich unvermindert ausbreitenden sogenannten „Aligner Start- Ups“ forderte die Bundesversammlung den Gesetzgeber mit dem Antrag „Kieferorthopädie gehört in Zahnarzthand“ auf, nun endlich gesetzliche Regelungen zu treffen, um die Qualität von Alignerbehandlungen zu sichern und die Aktivitäten der Start-Ups zu unterbinden. „Mit äußerstem Unverständnis“ stellte die Bundesversammlung fest, dass durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz die notwendige Versorgung der Patientinnen und Patienten im Bereich der Parodontitis unter eine Budgetierung gestellt wurde und forderte die „Beseitigung der medizinisch unverantwortlichen Budgetierung“. Andrea Mader
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