38_BERUFSPOLITIK ZBW_1/2023 www.zahnaerzteblatt.de Vertreterversammlung der KZBV in München ZAHNÄRZTESCHAFT AUF KONFRONTATIONSKURS An drängenden professionspolitischen Themen mangelte es der Vertreterversammlung (VV) der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) in München nicht. Die Delegierten reagierten auf das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) und machten eindringlich auf dessen gravierende Auswirkungen auf die Versorgung der Patient*innen aufmerksam: Die negativen Folgen der Budgetierung beträfen die Sicherstellung der Versorgung, vor allem im ländlichen Raum, prognostizierte Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV. Lauterbach Gegenteiliges beteuere, sei es vollkommen klar, dass es mit dem GKV-FinStG zu Leistungskürzungen komme. Gleichzeitig signalisierte er Unterstützung bezüglich investorengetragener medizinischer Versorgungszentren (i-MVZ). „Wichtig ist, dass wir beim Thema i-MVZ endlich Taten von der Politik sehen. Eine Regulierung von i-MVZ ist dringend notwendig, auch im Sinne der Versorgungssicherheit in ländlichen Gebieten“, so Ass. jur. Christian Finster, stellvertretender Vorsitzender der KZV BW. Er begrüßte die Unterstützung des Staatsministers im Kampf gegen i-MVZ. GKV-FinStG. Als „toxischen Politcocktail, der absolut unverdaulich ist“, kritisiert Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV das GKV-FinStG. RÜCKBLICK UND AUSBLICK Für den Vorstand der KZBV und die Delegierten der KZVen war die VV in München gleichzeitig die letzte in dieser Zusammensetzung. Nach sechs teils stürmischen Jahren ging es auch ums Bilanzziehen. Für die Verbesserungen etwa für Pflegebedürftige erhielt der Vorstand viel Applaus von den Delegierten, aber auch für die neuen Leistungen wie die Unterkieferprotrusionsschiene und die PAR-Richtlinie. GESUNDHEITSPOLITIK Zu Beginn der VV wandte sich Bundesgesundheitsminister Lauterbach in einer Videobotschaft an die Delegierten. Er lobte den Einsatz der Zahnärzteschaft in der Pandemie, seine Worte erfuhren von den Delegierten durch Kopfschütteln und Buhrufe aber wenig Zustimmung. „Die von Lauterbach angesprochenen Fortschritte bei der Bekämpfung der Volkskrankheit Parodontitis vor dem Hintergrund der jetzt eingeführten Budgetierung verkennen die Realität in einem Maße, die für die Zahnärzt*innen an der Basis, aber vor allem für die Patient*innen voller Hohn sind“, kommentierte Dr. Ute Maier, Vorstandsvorsitzende der KZV BW. Seine Abwesenheit wurde im Saal als Geringschätzung gegenüber dem ambulanten Sektor gewertet. Der auf der VV anwesende bayrische Staatsminister für Gesundheit Holetschek kritisierte Lauterbachs GKV- FinStG als „Destabilisierungsgesetz“ und warf seinem Amtskollegen „Wahrnehmungsstörungen“ vor: Auch wenn Foto: KZBV/Knoll ANALYSE Dr. Eßer analysierte in seiner Rede die Gesundheitspolitik folgendermaßen: Die Gesundheitspolitik der Ampel hätte sich „im Zielkonflikt zwischen Versorgung und Finanzen […] ganz bewusst auf die Seite der Kostendämpfung geschlagen und damit gegen die Versorgung […] gestellt“. Der Vorsitzende assistierte der Ampel „deutsche Regulierungswut“ und wertete diese auch als Angriff auf die Selbstverwaltung der Zahnärzteschaft. Dr. Eßer schwor die Zahnärzteschaft auf schwierige Zeiten ein: „Werden Sie wach, und realisieren Sie bitte, […] dass es nicht die KZVen und die Kammern sind, die Ihnen das Leben schwer machen, sondern dass es alleine die Politik ist, die […] die Rahmenbedingungen unserer Berufsausübung permanent verschlechtert.“ STARKE BOTSCHAFT In einer Resolution fanden die Delegierten eine deutliche Antwort auf das GKV-FinStG. Sie kritisierten „die ver-
ZBW_1/2023 www.zahnaerzteblatt.de 39_BERUFSPOLITIK schärfte Rückkehr zur strikten Budgetierung“ und forderten den Gesetzgeber zu einer Reform des GKV-FinStG auf, „insbesondere indem die neuen Parodontitis-Leistungen […] extrabudgetär gestellt werden […]“. Gleichzeitig stellten die Delegierten klar, dass sie sich bei „unveränderter Geltung der Regelungen des GKV-FinStG und verschärft durch die massiv verschlechterten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen infolge von Inflation und Energiekrise außerstande (sehen), noch die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung bei der Parodontitis- Therapie vollumfänglich flächendeckend sichergestellt und gewährleistet werden kann.“ Vorstand und Delegierte forderten angesichts hoher Material- und Energiekosten Unterstützung für die Praxen. Forderungen die Telematikinfrastruktur (TI) betreffend, etwa der Stopp des Roll-Out des E-Rezeptes oder Änderungen bei der geplanten Finanzierung der TI-Komponenten, fanden große Zustimmung. Alexander Messmer INFO Die Resolution sowie sämtliche von der VV beschlossenen Anträge finden Sie auf der Webseite der KZBV (bit. ly/3AQdE0W) oder Sie scannen direkt den QR-Code. KOMMENTAR Baden-Württemberg für Öffentlichkeitsarbeit „Wir müssen die Praxen für unsere politischen Ziele gewinnen“, so der Vorstandsvorsitzende der KZBV, Dr. Wolfgang Eßer. Eine brisante Feststellung, wenn man bedenkt, dass KZVen und Kammern sich dies seit Jahrzehnten auf die Fahnen geschrieben haben. Eine Wahlbeteiligung von unter 40 Prozent bei der Wahl zur KZV-Vertreterversammlung bestätigt leider, dass unsere Selbstverwaltung immer mehr an Rückhalt in den Praxen verliert. Warum das so ist, fragen sich die Verantwortlichen in den Körperschaften schon länger. KZVen und Kammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und damit verlängerte Arme der Gesundheitspolitik in Bund und Land. Über Gesetze, Verordnungen und Kontrollen, die umgesetzt werden müssen, wird die Selbstverwaltung in den Praxen wahrgenommen. Dadurch Anerkennung zu gewinnen, ist schwer möglich. Und das müssen wir dringend ändern. Denn ohne die Körperschaften droht das direkte Hineinregieren des Staates über die Gesundheitsbehörden und die GKV-Kassen in die Praxen. Genau dies scheint aber das langfristige Ziel der Politik zu sein - laut Eßer der ideologische Masterplan gegen die Selbstverwaltung, der systematisch angegangen wird. Man erinnert sich an die Ansage der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, SPD: „Es muss endlich Schluss sein mit der Ideologie der Freiberuflichkeit“. Das Sozialgesetzbuch V wird immer umfangreicher, immer neue Gesetze enthalten Regelungen bis ins kleinste Detail. Vor einigen Wochen verstieg sich die gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Heike Baehrens, SPD, zu der Aussage: „Die Ärzte sind Teil des Problems in unserem Gesundheitswesen.“ Der aktuelle Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, SPD, macht mit dem GKV-Finanzstärkungsgesetz gleich Nägel mit Köpfen, fährt die Kommunikation mit der KZBV auf null herunter und veranlasst eine strikte Deckelung der Leistungsmenge sowie eine Kürzung der Honorare. Sein Ministerium regiert über die Kontrolle des Haushalts der KZBV immer tiefer in die Selbstverwaltung hinein. Über die Finanzmittel wird bekanntlich am effektivsten Politik gemacht. Der Bundesrechnungshof verlangt schon lange eine zusätzliche Kontrollfunktion bei der KZBV, als wenn dort nicht schon genug Kontrolleure sich die Klinke in die Hand geben. Und was auf Bundesebene anläuft, wird über kurz oder lang auch in den Ländern eingeführt. Dass man uns seit Jahrzehnten eine Punktwerterhöhung in der GOZ verweigert, sei nur am Rande erwähnt … Was können wir dagegen setzen? Juristische Auseinandersetzungen dauern Jahre. Einfluss über Abgeordnete auf Bundesund Landesebene zu nehmen, gestaltet sich zunehmend schwierig, weil die meisten von ihnen die Komplexität unseres Gesundheitssystems nicht kennen. Wenn der Finanzminister unseres Bundeslandes nicht mal weiß, was Beihilfe bedeutet, spricht das Bände. Wir haben nur eine Möglichkeit: Geschlossenheit und Einigkeit des Berufsstandes zeigen! Nur über das ehrenamtliche Engagement in den Körperschaften und die damit verbundene Einflussmöglichkeit der niedergelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzte – gestärkt über eine hohe Wahlbeteiligung – kann die Selbstverwaltung für unsere gemeinsamen Interessen eintreten. Diese mal mehr oder weniger erfolgreiche und schwierige Arbeit muss über alle denkbaren Kommunikationskanäle und Gespräche den Kolleginnen und Kollegen vermittelt werden. Nur mit dem Rückhalt aller Praxen können wir gegen die Politik antreten und uns wehren, indem z. B. Vorgaben nur umgesetzt werden, wenn wir zustimmen. An einer positiven Wahrnehmung von KZV und der LZK bei den Kolleginnen und Kollegen müssen wir arbeiten, eine große Aufgabe zwar, aber unumgänglich. Wenn uns an unserer Selbstverwaltung und damit der Freiberuflichkeit etwas liegt, müssen wir gemeinsam darum kämpfen. Aussitzen geht nicht mehr.
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