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50 Jahre Zahnärzteblatt

Ausgabe 1/2023

32_BERUFSPOLITIK

32_BERUFSPOLITIK ZBW_1/2023 www.zahnaerzteblatt.de Verabschiedung der ausscheidenden Vorstände „DANKE FÜR IHREN HERAUSRAGENDEN EINSATZ“ Die Verabschiedung der Vorstandsvorsitzenden Dr. Ute Maier und des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Dipl.-Volkswirt Christoph Besters, deren Amtszeit am 31. Dezember 2022 endete, fand in der Vertreterversammlung statt. Die Dankesrede des VV-Vorsitzenden Dr. Dr. Alexander Raff an die beiden ausscheidenden Vorstandsmitglieder dokumentieren wir in leicht gekürzter Form. Abschied. Eine langjährige gemeinsame Amtszeit im Vorstand der KZV BW geht zu Ende: Dipl.-Volkswirt Christoph Besters, Dr. Ute Maier und Ass. jur. Christian Finster (v. l.). Liebe Frau Dr. Maier, Sie waren und sind die erste hauptamtliche Vorstandsvorsitzende einer großen KZV in Deutschland. Sie haben zuvor jahrzehntelang Standespolitik in höchsten Ämtern bis hin zum KZBV- Vorstand gestaltet. BODENSTÄNDIG Sie machten zum Nutzen der Mitglieder der KZV BW sehr erfolgreich Standespolitik nicht zuletzt aufgrund Ihrer Persönlichkeit und Ihrer hohen Kompetenz. Deshalb sind Sie ein Vorbild für viele junge Kolleginnen und Kollegen – insbesondere auch für viele Zahnärztinnen – die hoffentlich ebenfalls einen eigenen Weg in der Standespolitik finden. Ihr Bestreben, unermüdlich und hartnäckig, auf eine spezifisch schwäbische Art für die Interessen sowie die Rechte der Vertragszahnärzteschaft einzutreten, ist weit über die Grenzen von Baden-Württemberg hinaus ein Markenzeichen Ihrer Bodenständigkeit und Beharrlichkeit. Dieser wichtige Einsatz wird auf Dauer mit Ihnen verbunden bleiben und er hat sich für uns alle gelohnt. Danke dafür! VERDIENSTE Nur kurz zu dem, was Ihre Amtszeit – neben vielem anderen – auszeichnet: Wenige besitzen wie Sie diese Detailkenntnis zu Abrechnungsbestimmungen, zu jeder Ausnahmeregelung, jeder Spruchpraxis und zu allen Feinheiten des Vertragswesens. Fotos: M. Stollberg Kaum jemand hat ein so fundiertes, umfassendes Fachwissen und kann auf dieser fachlichen Grundlage verhandeln, kommunizieren und Ihre bzw. die Interessen der KZV durchsetzen. Mit welch großem Erfolg Sie für die Zahnärzteschaft verhandelt haben! Wie energisch und fundiert Sie die Gesundheitspolitik in Bund und Land mitgestaltet haben! Wie es Ihnen auch manchmal gelang, die Vertreterversammlung der KZBV aufzumischen. Wie Sie bundes- und landesweit bedeutende Netzwerke aufgebaut und gewinnbringend genutzt haben. Das alles und noch viel mehr, das ist Ihr Verdienst! Ich darf Ihnen im Namen von vielen, vielen Kolleginnen und Kollegen danken, die Sie als Vorstand 18 Jahre lang vertreten haben! DIENSTLEISTUNGEN Nun zu Ihnen, lieber Herr Besters, dass die KZV Baden-Württemberg heute so mitgliederorientiert und mit Bodenhaftung dasteht, ist natürlich auch Ihr Verdienst und Ihrem großen Einsatz geschuldet. Ihr Credo war immer: Unsere Kolleginnen und Kollegen sollen die KZV positiv wahrnehmen, als ein professionelles Dienstleistungsunternehmen, an das man sich vertrauensvoll wenden kann, auch in schwierigen Situationen. Und die Zahnärztehäuser, vor allem natürlich das in Freiburg, das ist Ihrer südbadischen Verbundenheit geschuldet, sollen der Ort sein, an dem sie kompetente persönliche Unterstützung bekommen. Auch ein Ort, an dem man sich trifft, an dem man sich gut aufgehoben fühlt. Die KZV

ZBW_1/2023 www.zahnaerzteblatt.de 33_BERUFSPOLITIK sollte keine kalte, unpersönliche Behörde sein. Man erzählt sich, dass Sie jeden einzelnen Zahnarzt und jede einzelne Zahnärztin aus Ihrem Bezirk persönlich und mit Namen kennen. Das sind im Bereich der Bezirksdirektion Freiburg immerhin gut 2000 Kolleginnen und Kollegen. Und nicht nur das: Sie sind bekannt als jemand, der sich der Sorgen und Nöte dieser Kolleginnen und Kollegen persönlich annimmt. Die Zeit, die Sie in Einzelgespräche, in Korrespondenzen, in den Umgang mit individuellen Problemlagen investiert haben, könnte wahrscheinlich alleine ein ganzes Arbeitsleben füllen. SELBSTVERWALTUNG Es gibt einen weiteren Punkt, auf den ich hinweisen will. Einfach nur, weil es sträflich und nachlässig wäre, über Christoph Besters zu reden und seine feste Überzeugung von der Stärke und der Bedeutung der Selbstverwaltung nicht zu erwähnen. Bei allen großen Themen und Entwicklungen, die den Berufsstand und die Selbstverwaltung in den letzten Jahren bewegt haben, kam eine Linie immer deutlich zum Ausdruck: Wir regeln unsere Angelegenheiten selbst. Der Staat soll seine Finger aus dem Spiel lassen. Zahnärztliche Versorgung und alles, was dazugehört, wird am besten durch den Berufsstand und seine Körperschaft selbst organisiert. Jemand wie Christoph Besters, der regelmäßig das Telematik-Desaster an die Kollegenschaft vermitteln musste, weiß, wovon er spricht. Vielleicht müssen wir, was Sie angeht, Herr Besters, von einem großen zahnärztlichen Liberalisten sprechen – von einem, der die Freiheit des Berufsstands vor staatlichem Einfluss fordert und die Selbstverantwortung der zahnärztlichen Selbstverwaltung hochhält. HERAUSRAGENDER EINSATZ Liebe Frau Dr. Maier! Lieber Herr Besters! In einem Satz: Stellvertretend für die baden-württembergische Zahnärzteschaft danken wir Ihnen für Ihren herausragenden Einsatz. Und nach dem Dank, stellvertretend für die Vertreterversammlung und damit die gesamte Vertragszahnärzteschaft, wird es jetzt noch persönlich. […] Mir ist schon klar, dass so ein Abschiedsmoment mit möglicherweise nun doch einem absehbaren Ende des Berufslebens, einer Reduktion Würdigung. Der VV-Vorsitzende Dr. Dr. Alexander Raff verabschiedet die ausscheidenden Vorstandsmitglieder Dr. Ute Maier und Dipl.-Volkswirt Christoph Besters mit persönlichen Worten. schlafloser Nächte und coronaverordnungsverhagelter Ostern, dass Reduktion nicht die reine Freude verströmt, sich womöglich auch eine Sorge breitmacht, eine große Frage stellt nach dem, was nun kommen wird. VERABSCHIEDUNG Hier lasse ich nun eine Frau sprechen, die Worte wohl zu wählen weiß, die uns Menschen ins Mark gehen, sonst hätte sie nicht vor Wochen den Literaturnobelpreis erhalten. Ich lese einen Abschnitt […] aus dem autobiografischen Buch „Die Jahre“ von Annie Ernaux. Ich lese das für Sie beide ganz bewusst am Tage ihrer festlichen Verabschiedung. Frau Ernaux schreibt im Alter von 66 Jahren: „Ihr ist das Gefühl für die Zukunft abhandengekommen, dieser unerschöpfliche Vorrat an Zeit, auf dem bis vor Kurzem all ihre Handlungen und Taten beruht hatten [...]. An seine Stelle ist ein Gefühl der Dringlichkeit getreten, das ihr zu schaffen macht. Sie hat Angst, dass ihr Erleben im Alter wieder so nebelhaft und stumm sein wird wie in ihren ersten Lebensjahren [...]. Sie zerbricht sich den Kopf und versucht vergeblich, Gesichter und Namen zusammenzubringen, als wollte sie zwei getrennte Hälften vereinen. Eines Tages würden vielleicht auch die Dinge und Wörter, die sie bezeichnen, nicht mehr zueinanderpassen, würde sie die Wirklichkeit nicht mehr in Worte fassen können, wäre die Realität nicht mehr sagbar. Deshalb ist jetzt der Moment gekommen, da sie für ihre zukünftige Abwesenheit eine Form finden muss, da sie endlich das Buch in Angriff nehmen muss, das bisher nur als Entwurf existiert …“ RÜCKBLICK Ja, liebe Frau Maier, lieber Herr Besters, was ist nun mein persönlicher Wunsch an Sie? Es steht nun Ihnen an, Ihr Buch zu schreiben, und ich möchte Sie dazu ermuntern! Jetzt ist die Zeit dazu. Ob es dazu buchstäblich des Schreibens eines Buches bedarf, das überlasse ich Ihrer Fantasie. „Wie Sie die Zeit retten, in der Sie nie wieder sein werden.“ Das überlasse ich Ihnen: Aber retten Sie sie, diese von ihnen geprägte und Sie geprägt habende Zeit. Es folgt kein Altersruhestand, kein Stillstand, keine Leere. Es folgt nun Ihr persönlich größtes Projekt! Retten Sie Ihre Lebenszeit! Sie werden die Zeit zu nutzen wissen, so gut, wie das auch Frau Ernaux getan hat. Und Sie werden – da bin ich mir auch sicher – Ihren eigenen Nobelpreis damit erringen, so wie ihn Frau Ernaux mit 82 Jahren – also 16 Jahre, nachdem sie die vorhin zitierten Zeilen schrieb – für Literatur eben erst erhalten hat. Den Nobelpreis Ihres Lebens nun zu suchen und zu finden – das wünsche ich Ihnen! Dr. Dr. Alexander Raff

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