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50 Jahre Zahnärzteblatt

Ausgabe 1/2023

26_BERUFSPOLITIK

26_BERUFSPOLITIK ZBW_1/2023 www.zahnaerzteblatt.de Vertreterversammlung der KZV BW am 25. und 26. November 2022 AUS- UND RÜCKBLICKE – AM ENDE EINER ÄRA Zur letzten Vertreterversammlung (VV) der Legislaturperiode 2017 – 2022 trafen sich die Delegierten der Vertragszahnärzteschaft in Baden-Württemberg am Wochenende des 1. Advents in Donaueschingen. Die VV war einerseits geprägt von profilierten inhaltlichen Debatten, die sich mit der gesundheitspolitischen Situation und den aktuellen Herausforderungen für den Berufsstand befassten, andererseits stand die VV im Zeichen des Endes der Amtszeit des seit 18 Jahren tätigen Vorstandes. Sie bot daher einigen Anlass für berufspolitische wie für persönliche Rückblicke auf die letzten Jahre. Große Verdienste. Dr. Ute Maier wurde nach 18 Jahren im Vorstand und 15 Jahren an der Spitze der Vertragszahnärzteschaft in Baden-Württemberg verabschiedet. Der Vorsitzende der Vertreterversammlung Dr. Dr. Alexander Raff ging in seinem Statement auf diverse inhaltliche „big points“ der vergangenen Amtsperiode ein. Zufrieden äußerte er sich, dass der Berufsstand mit wichtigen Forderungen wie der Ablehnung einer Bürgerversicherung Gehör gefunden habe und somit einen starken Beitrag zur Sicherung der Versorgung leisten konnte. Beim wichtigen Einsatz gegen einen fortschreitenden Systemumbau in der zahnärztlichen Versorgung durch das Auftreten großer investorengeführter MVZ gebe es hingegen Licht und Schatten. Zwar sei auf politischer Ebene ein wachsendes Problembewusstsein feststellbar, jedoch seien weitreichende Regulierungen bisher ausgeblieben. „Unsere Sorgen bleiben erhalten“, stellt Dr. Dr. Raff fest. Von Enttäuschungen geprägt sei auch die Situation während der Coronapandemie: „Die Zahnärzteschaft hat einen riesigen Beitrag zur Pandemiebekämpfung geleistet“, betonte der VV-Vorsitzende. Doch trotz des gewaltigen wirtschaftlichen Drucks sei man von der Politik vergessen, weder als systemrelevant anerkannt noch unter einen wirklichen Schutzschirm gestellt worden. BELASTUNGEN Nach dem berufspolitischen Rückblick auf die letzten sechs Jahre stellte die amtierende Vorstandsvorsitzende Dr. Ute Foto: M. Stollberg Maier die aktuelle Gesundheitspolitik der Bundesregierung auf den Prüfstand und zog ein dezidiert negatives Fazit: „Kaum hatten wir das Pro blem von Corona im Griff – aus eigener Kraft, nicht durch staatliche Unterstützung – da beschenkt uns Minister Lauterbach mit der Wiedereinführung der strikten Budgetierung. Das Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinStG) lässt nichts Gutes erhoffen. Die meisten gesundheitspolitischen Entscheidungen waren schon in der letzten Legislatur schwer zu ertragen, aber was das Gesundheitsministerium derzeit liefert, toppt alles. Ignoranz und Selbstherrlichkeit ist alles, was aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) kommt.“ Auch die Aussage des Ministers, dass die Versorgung nicht betroffen wäre, sei eine Lüge, denn in der Konsequenz des GKV-FinStG leide vor allem die „viel gelobte Prävention“, was zu Lasten der Patient*innen gehe. WERTSCHÄTZUNG Neben inhaltlichen Fehlentscheidungen sei aber auch der kommunikative Stil an einem Tiefpunkt angelangt. Der fachliche Austausch sei nicht mehr gewünscht, die Expertise der Körperschaften werde bewusst ignoriert. Es sei daher mehr als fraglich, welche Wertschätzung der Berufsstand derzeit noch erfahre, so die Vorstandsvorsitzende. Die VV-Delegierten zeigten sich in der darauffolgenden Diskussion einig, dass seitens der Bundespolitik weitere Versuche, den Berufsstand zu reglementieren und zu gängeln, erwartet werden. Umso mehr sei es geboten, als Zahnärzteschaft geschlossen und klar gegen die

ZBW_1/2023 www.zahnaerzteblatt.de 27_BERUFSPOLITIK Mitgliederbeteiligung. Dr. Uwe Lückgen, Sprecher des Landesbeirats, fordert eine breite Beteiligung der Basis an der standespolitischen Arbeit. Foto: M. Stollberg Engagement. Die ausscheidenden VV-Mitglieder Dr. Bernd Stoll, Dr. Martin Haas, Dr. Dr. Konrad Dümler, Dr. Konrad Bühler, Dr. Petra Krauss, Dr. Christian Haase, Dr. Silke Kuhlmann, Dr. Hans Hugo Wilms, Dr. Silke Bokelmann, Dr. Axel Altvater, Ulrich Hoppe, Dr. Manfred Jooß und Dr. Jürgen Carow (v. l.). Foto: Simon-Denoix derzeitigen Maßnahmen aufzutreten. Dr. Bert Bauder, Mannheim, brachte die Stimmung auf den Punkt: „Wo Unrecht zu Recht wird, ist Widerstand Pflicht.“ POSITIONIERUNG Inhaltlich positionierten sich die Delegierten der KZV BW klar für eine Gesundheitspolitik, die den Anforderungen im ambulanten Sektor besser als bisher Rechnung trägt und Fehlentwicklungen, die insbesondere in der jüngsten Zeit durch die Politik der Bundesregierung eingeleitet wurden, schnellstens korrigieren solle. Im Zentrum der Diskussionen stand die mit dem GKV-FinStG wieder eingeführte Budgetierung, die insbesondere mit Blick auf die neuen PAR-Leistungen völlig kontraproduktiv ist. Unmissverständlich lautete die Forderung der Delegierten, dass die PAR-Leistungen vollumfänglich erbracht und auch abgerechnet werden können. Zudem gelte, dass Obergrenzen im vertragszahnärztlichen Bereich jeder sachlichen Begründung entbehren und generell abgeschafft gehörten. Des Weiteren müssten zur langfristigen Sicherung der derzeit noch flächendeckend stabilen Versorgungsstrukturen Niederlassungshemmnisse gezielt abgebaut und die derzeitige Bevorzugung des stationären Sektors vor den ambulanten Strukturen beendet werden. Einem immer größeren Marktanteil versorgungsfremder Investoren solle entgegengewirkt werden, indem Gründung und Betrieb von i-MVZ an klare Regeln und Bedingungen geknüpft werden. Ein weiterer Schwerpunkt in der Antragsberatung betraf die Digitalisierung des Versorgungsalltags und die zahlreichen Pannen bei der Einführung der Telematikinfrastruktur. Hier forderte die VV unter anderem die Einrichtung einer kostenfreien 24-Stunden-Hotline bei Problemen mit dem Kommunikationsdienst KIM, den Stopp nicht ausgereifter bzw. nicht ausreichend im Testbetrieb bewährter Anwendungen sowie eine angemessene Finanzierung der notwendigen Telematikinfrastruktur-Komponenten. AUSBLICK Einen Ausblick auf die kommenden Jahre und die bevorstehenden Themen für die Standespolitik gab der Sprecher des Landesbeirats Dr. Uwe Lückgen. Zu Beginn ihrer Amtszeit hatte sich die Vertreterversammlung ein standespolitisches Programm gegeben, das als programmatische Grundlage für die Zusammenarbeit von Vorstand und Ehrenamt fungierte und eine regelmäßige Begleitung der für den Berufsstand zentralen „Megathemen“ ermöglichte. „Das standespolitische Programm hat sich bewährt. Daher brauchen wir ein solches auch für die kommenden Jahre“, betonte Dr. Lückgen. Zentrale Themen seien neben den Veränderungen in der Praxislandschaft oder dem Dauerthema Bürokratieabbau auch der zunehmende Fachkräftemangel. Zudem sei Dr. Lückgen zufolge die Einbindung der zahnärztlichen Basis bei der Bearbeitung der inhaltlichen Themen des standespolitischen Programms angezeigt. RÜCKBLICK Neben dem Blick nach vorne stand die letzte VV der abgelaufenen Legislatur im Zeichen des Abschieds. In ihrer Rede vor der Vertreterversammlung betonte Dr. Ute Maier, nach 36 Jahren in der Standespolitik in Baden-Württemberg sei es an der Zeit für etwas Neues: „Es hat Spaß gemacht, Verantwortung zu übernehmen, gegenüber der Politik die Interessen der Kolleginnen und Kollegen zu vertreten, erfolgreich mit den Krankenkassen zu verhandeln und gemeinsam etwas Positives zu erreichen. Es war spannend, neue Wege in der Selbstverwaltung zu gehen, die Partizipation der Mitglieder zu stärken und die KZV BW zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen zu formen.“ Ihre standespolitische Rede vor der Vertreterversammlung schloss Dr. Maier mit einem ausdrücklichen Dank an die zahlreichen Wegbegleiter*innen in der Standespolitik und dem Ehrenamt, an ihre langjährigen Vorstandskollegen sowie an verdiente Mitarbeiter*innen innerhalb der KZV BW. Dem neuen Vorstand wünschte sie viel Erfolg. Die Delegierten quittierten die Rede von Dr. Ute Maier und ihre Abschiedsworte mit stehenden Ovationen. VERABSCHIEDUNG Zum Schluss der zweitägigen Vertreterversammlung dankte der VV-Vorsitzende Dr. Dr. Alexander Raff denjenigen Delegierten, deren Amtszeit mit dieser VV endete, persönlich für ihr engagiertes und tatkräftiges Wirken für die Zahnärzt*innen in Baden-Württemberg. Unter großem Applaus verabschiedeten die VV-Delegierten, die auch in der neuen Legislaturperiode im „Zahnärzteparlament“ sitzen werden, ihre ausscheidenden Kolleg*innen.

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