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Ausgabe 7/2018

14 Titelthema

14 Titelthema Elektronische Gesundheitsakten der Krankenkassen Alternative Akten Weil es mit der elektronischen Gesundheitskarte nicht so richtig vorangeht, sind einige Krankenkassen inzwischen selbst aktiv geworden. Sie haben entsprechende Smartphone-Apps entwickelt, die als elektronische Gesundheitsakten funktionieren und die Daten der Versicherten, Ärzte/Zahnärzte, Krankenhäuser, Therapeuten und Krankenkassen zusammenführen sollen. Nachdem die TK und die AOK bereits eigene digitale Akten geschaffen haben, kommt nun ein weiteres Konkurrenzprodukt auf den Markt: die Gesundheits-App Vivy, die von 90 gesetzlichen und fünf privaten Krankenkassen angeboten werden soll. Welche Akte wird sich letztendlich durchsetzen? können die Versicherten ihre Daten, z. B. über selbst gekaufte Medikamente, ergänzen. Auf Wunsch bietet die App nach einem Krankenhausaufenthalt die Möglichkeit, die Entlassungsdokumente aus der Krankenhaus-Software direkt in die Gesundheitsakte zu übertragen. TK- Safe hat somit auch die Klinikbetreiber im Visier. Bereits zum Start werden die 16 Krankenhäuser des Gesundheitskonzerns Agaplesion angebunden sein. Zusätzlich sollen weitere Kliniken mit ins Boot geholt werden. Alle Daten werden zentral auf deutschen Servern gespeichert. Nach der derzeitigen Testphase soll TK-Safe Ende des Jahres 2018 über 10 Millionen Versicherten zur Verfügung stehen. Vergangenheit. Laut Koalitionsvertrag hat die klassische Patientenakte bis spätestens 2021 ausgedient. Die Entwicklung der elektronischen Gesundheitskarte zieht sich bereits seit 15 Jahren hin und hat schon rund 2 Milliarden Euro verschlungen. Dabei sieht die bisherige Infrastruktur noch nicht mal vor, dass die Versicherten die Daten, die auf der Karte gespeichert werden sollen, selbst anschauen, bearbeiten oder freischalten können. Im Grunde ist die elektronische Gesundheitskarte technisch bereits veraltet, bevor sie überhaupt erst in vollem Umfang zum Einsatz kommt. Nach dem jahrelangen Gerangel um zusätzliche Funktionen der elektronischen Gesundheitskarte möchte die Bundesregierung nun Gas geben, um die Digitalisierung voranzutreiben. Sie hat im Koalitionsvertrag vereinbart, bis 2021 eine elektronische Patientenakte einzuführen. Digitaler Vorreiter. Die Krankenkassen haben jedoch inzwischen eigene Pläne: Um zusammen mit ihren Versicherten die Vorteile der Digitalisierung im Gesundheitswesen ausschöpfen zu können, haben sie angefangen, eigene digitale Lösungen auszuarbeiten, für die man lediglich das Smartphone benötigt. Vorreiter war dabei die Techniker Krankenkasse, die Ende April 2018 die erste eigene elektronische Gesundheitsakte „TK-Safe“ vorgestellt hatte. TK-Safe ist eine Smartphone- App, mit der die TK-Versicherten alle Daten, die über sie bei der Krankenkasse vorliegen, in ihre elektronische Gesundheitsakte laden können, so z. B. Arztbefunde inklusive Diagnosen, die Impfhistorie oder eine Liste der verschreibungspflichtigen Medikamente. Zusätzlich Foto: Fotolia/Janni Dezentrales Konzept. Parallel dazu arbeitet die AOK an einer dezentralen Gesundheits-App, mit der sie 26 Millionen Versicherte, Ärzte und Kliniken digital vernetzen möchte. Dezentral bedeutet, dass die Patienten-App zwar bundesweit angeboten, aber regional verschieden ausgestaltet sein wird. Die App ist derzeit in Mecklenburg- Vorpommern und in Berlin in der Erprobungsphase und bietet folgende Möglichkeiten: Aufnahme- und Entlassmanagement, Dokumentenaustausch zwischen beteiligten Kliniken und Ärzten, die Möglichkeit für den Versicherten, eigene Dokumente wie Organspendeausweis oder Mutterpass hochzuladen oder selbst erhobene Vitaldaten aus Fitness-Trackern in die Akte einfließen zu lassen, ein digitaler Medikationsplan, Bereitstellung von Labordaten oder Möglichkeiten, Arzttermine zu vereinbaren. Konkurrenzprodukt. Inzwischen ist ein richtiger Wettbewerb um die beste elektronische Gesundheitsakte unter den Krankenversicherungen ausgebrochen, denn mit der Patienten-App „Vivy“ wurde eine weitere elektronische Gesundheitsakte für das Smartphone entwickelt. Für das ZBW 7/2018 www.zahnaerzteblatt.de

Titelthema 15 Projekt „Vivy“ haben sich mehrere gesetzliche und private Krankenkassen zusammengeschlossen, u. a. die DAK, Bahn BKK, IKK classic sowie die Allianz, Barmenia, Gothaer und Süddeutsche Krankenversicherung. Da die technische Abwicklung über den IT-Dienstleister Bitmarck erfolgt, sind hier alle 90 Krankenkassen mit im Boot, die von Bitmarck bereits betreut werden. Somit steht Vivy insgesamt über 25 Millionen Versicherten zur Verfügung. Wie bei den anderen Patienten- Apps soll den Versicherten die Möglichkeit geboten werden, ihre persönlichen Gesundheitsdaten in einer Smartphone-App zu verwalten. Darüber hinaus soll Vivy als digitale Gesundheitsassistentin fungieren und von den Versicherten individuell genutzt werden können. Das Portfolio an digitalen Möglichkeiten entspricht in etwa den Apps von AOK und TK. Die Anbindung an Arzt- und Krankenhaus-Software ist ebenfalls sichergestellt. Schon ab Juli 2018 soll die Patienten-App den Versicherten der beteiligten Krankenkassen zur Verfügung stehen. Bei der App Vivy gilt das Prinzip der asymmetrischen Ende-zu-Ende- Verschlüsselung. Ausschließlich der Versicherte selbst hat den Schlüssel. Die Patientendaten, werden (wie bei der TK) zentral auf deutschen Servern verwaltet. Zukunft. Mit der elektronischen Gesundheitsakte erhält der Versicherte die alleinige Datenhoheit. Unterschiedliche Akten. Die elektronische Gesundheitsakte der Krankenkassen darf nicht verwechselt werden mit der elektronischen Patientenakte. Bei der Gesundheitsakte ist der Patient alleiniger Eigentümer seiner Daten. Die elektronische Patientenakte wird vom Arzt angelegt. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Telematikinfrastruktur und war bisher eng an die elektronische Gesundheitskarte geknüpft. Da der Bund noch nicht festgelegt hat, wie die elektronische Patientenakte im Detail aussehen soll, haben die Krankenkassen nun eigene Formate entwickelt, die (noch) zueinander in Konkurrenz stehen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hält zwar weiterhin an der elektronischen Gesundheitskarte fest, wünscht sich zukünftig aber einen mobilen Zugang für die Patienten. Kartenlesegeräte an Desktop- Computern können auf Dauer nicht die alleinige Login-Möglichkeit bleiben, zumal Versicherte ohne den notwendigen Konnektor auch keinen Zugriff auf ihre Daten hätten. Spahn möchte die Digitalisierung des Gesundheitswesens zudem mit den Plänen für ein Bürgerportal koordinieren, sodass jeder Bürger mit seiner digitalen Identität sowohl seine Steuer erklären, einen Pass beantragen oder seine zukünftige elektronische Patientenakte bedienen kann. Wie geht es weiter? Alleine durch die drei Patienten-Apps können demnächst 61 Millionen Versicherte eine elektronische Gesundheitsakte führen. Wie die fehlenden 20 Millionen Versicherten in Zukunft digital versorgt werden, ist noch unklar. Ungewiss ist auch, für welches System sich die Barmer als zweitgrößte gesetzliche Krankenversicherung mit 9,3 Mio. Versicherten entscheiden wird. Nach jetzigem Stand sind die Gesundheits-Apps der Krankenkassen weder für die Versicherten noch für Ärzte und Kliniken ein Muss. Sie sollen als Service-Angebot verstanden werden. Die Nutzung der angeschlossenen Versicherten erfolgt freiwillig. Was noch hinzukommt: Bei den Patienten-Apps müssen stets die Versicherten die Initiative ergreifen und gezielt die Übertragung der Gesundheitsdaten anstoßen bzw. eigene Ergänzungen selbst eintragen. Wie detailliert eine Gesundheitsakte geführt wird, hängt also davon ab, wie gewissenhaft die Versicherten ihre Daten pflegen. Sicher ist nur, dass die Versicherten aus Datenschutzgründen die Datenhoheit über ihre persönlichen Gesundheitsinformationen besitzen werden, um selbst bestimmen zu können, wann sie wem Zugriff darauf gewähren. Das ist das eigentliche Plus dieser Akten. Neueste Entwicklung. Mitte Juni sprachen sich die TK und AOK Baden-Württemberg auf dem Digital Health Summit der CEBIT für eine Standardisierung der Gesundheitsakten für Versicherte in Deutschland aus. Gemeinsames Ziel sei, dass alle Akten einheitlichen technischen Standards folgen. Nur so sei gewährleistet, dass die unterschiedlichen Lösungen der Krankenkassen miteinander kompatibel sind und sich keine Insellösungen etablieren. Damit sei auch sichergestellt, dass Versicherte ihre Daten bei einem Kassenwechsel problemlos mitnehmen können. Damit gerät die App Vivy bereits vor dem Start schon unter Druck. Denn ob sie sich im Bereich der telematischen Infrastruktur bewegen und kompatibel zu den anderen Akten sein wird, wurde bislang nicht kommuniziert. Die digitalen Alternativlösungen der Krankenkassen hängen letztendlich von der Telematikinfrastruktur des Bundes ab. Denn sie wird die technischen Standards definieren. Und erst, wenn diese Infrastruktur endgültig steht und der Bund die elektronische Patientenakte klar definiert hat, wird sich zeigen ob die Patienten-Apps der Krankenkassen tatsächlich eine Zukunft haben werden. » richter@lzk-bw.de Foto: Fotolia/sdecoret www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2018

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